"Ökologie ohne Klassenkampf ist nur Gartenpflege"

Kann der Kampf für die Umwelt die aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Konflikte zusammenbringen?

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Chubut, Argentinien: Im Dezember 2021 erreichte die Mobilisierung der Bevölkerung unter Beteiligung der Gewerkschaften der Hafenarbeiter, Fischer und Fahrer den Stopp des Megabergbaus
Chubut, Argentinien: Im Dezember 2021 erreichte die Mobilisierung der Bevölkerung unter Beteiligung der Gewerkschaften der Hafenarbeiter, Fischer und Fahrer den Stopp des Megabergbaus

Das in unserer westlichen Kultur noch immer gültige Paradigma des Verhältnisses zwischen Gesellschaft und Natur, definiert durch den Gegensatz zwischen seinen Elementen und die Unterordnung des Einen ‒ der Natur ‒ unter das Andere ‒ die Gesellschaft, ist ein gutes Beispiel für jene anthropologischen Vorstellungen, die die Gestaltung von Wunschvorstellungen und politischen Positionen beeinflussen. Diese Paarformel diente als theoretische Grundlage und als Rechtfertigung für andere mit ähnlich unterdrückendem Charakter, wie eine Art Spiegel ihrer selbst.

Vor dem Hintergrund der sich in vollem Gange befindenden Klima- und Umweltkrise kann uns eine Analyse des anthropologischen Paradigmas, das die Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur definiert, ermöglichen, unsere aktuelle Situation, ihre Zusammenhänge mit anderen Systemen der Unterdrückung sowie mögliche Auswege zu verstehen. Auf diese Weise haben die sozial-ökologischen Kämpfe, die sich auf der ganzen Welt entfalten, das Potenzial, sich als mächtige Waffen des intersektionellen Aufbaus im Kampf gegen alle Formen der Unterdrückung zu erweisen.

Die Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur, eine anthropologische Perspektive

Das Verhältnis zwischen Gesellschaft oder Kultur – wir können beide als äquivalent betrachten – und Natur hat sich als Dualismus zwischen beiden konstituiert. In dieser Zweiteilung steht der Mensch im Mittelpunkt der Beziehung, die Natur wird als beherrscht und der Kultur untergeordnet betrachtet und steht in instrumenteller Weise im Dienst der Herrschaft des Menschen über den Boden und der Expansion des Kapitals.

Die Ursprünge dieses Konzepts lassen sich auf die jüdisch-christliche Tradition zurückführen, die ein anthropozentrisches Weltbild geschaffen hat, das insbesondere seit der Schöpfungsgeschichte als Grundlage dient. Dieser Gedanke wurde von Lynn White Jr. in seinem Artikel The Historical Roots of Our Ecological Crisis ausgedrückt. Der Autor stellt fest, dass das Christentum "einen Dualismus zwischen Mensch und Natur etablierte" und "darauf bestand, dass es Gottes Wille war, dass der Mensch die Natur zu seinem eigenen Nutzen ausbeutet". White fügt hinzu, dass die Verdrängung heidnischer Sichtweisen durch das Christentum, wie etwa die Spiritualisierung der natürlichen Elemente, jegliche Vorbehalte gegen die Ausbeutung der Natur beseitigte.

Ähnlich argumentiert der brasilianische Theologe Leonardo Boff in Ökologie: Schrei der Erde. Schrei der Armen, dass das Christentum in hohem Maße zur Säkularisierung der natürlichen Welt und zum Aufstieg des technisch-wissenschaftlichen Paradigmas beigetragen hat – seiner Meinung nach einer der Hauptfaktoren der aktuellen Umweltkrise. Boff hebt eine Reihe von "anti-ökologischen" Elementen in der jüdisch-christlichen Kultur hervor, die insbesondere auf die Schöpfungsgeschichte zurückgehen, distanziert sich andererseits jedoch ausdrücklich von Lynn White und lehnt es ab, dass die Verantwortung für die gegenwärtige Situation in erster Linie oder ausschließlich der vom Christentum geschaffenen Kultur zuzuschreiben ist.

In seinem Buch lässt sich der Gedanke erkennen, dass die Hauptverantwortung beim Kapitalismus liegt, dessen Logik des permanenten Strebens nach Profit systematisch über die Rechte und das Wohlergehen der Territorien und der Bevölkerungen gestellt wurde.

Die Herrschaft des Patriarchats über die Natur

Die US-amerikanische Anthropologin Sherry Ortner versucht in ihrem Buch Verhält sich weiblich zu männlich wie Natur zu Kultur?, die ihrer Ansicht nach universelle Unterordnung der Frau zu erklären und tut dies mit dem Gedanken, dass alle Kulturen das Weibliche mit der Natur verbinden, die sie ebenfalls als minderwertig erachten. Die Autorin weist darauf hin, dass alle menschlichen Gesellschaften einen Unterschied zwischen sich und der Natur gemacht haben, der darauf beruht, dass die Gesellschaft in der Lage ist, die natürlichen Bedingungen zu überwinden und zu ihrem Vorteil zu nutzen, indem sie die Natur "vergesellschaftet". Ortner argumentiert, dass, wenn Frauen symbolisch mit der Natur und Männer mit der Kultur assoziiert werden, und wenn die Kultur immer die Unterwerfung der Natur anstrebt, die Unterwerfung der Frauen durch Männer in jeder Kultur als natürlich verstanden wird.

Ortner führt zwei grundlegende Argumente an, warum die Frau mit der Natur verbunden ist. Erstens, in Anlehnung an Simone de Beauvoir, weist sie darauf hin, dass die Naturverbundenheit der Frau stark durch ihre Rolle bei der Fortpflanzung und ihre physiologischen Eigenschaften bestimmt wird, während der Mann, dem die "natürlichen kreativen Funktionen" fehlen, diese schöpferische Fähigkeit nur durch durch die Kultur, die Symbole und die Technologie erreichen kann.

Zweitens bestimmten jene physiologischen Merkmale die Reduzierung der Frauen auf begrenzte Räume und soziale Rollen, die ebenfalls als naturnah angesehen wurden. Damit bezieht Ortner sich auf die Beschränkung der Frau auf den häuslichen Kreis, was ihre Verbindung mit der Natur begünstigt: einerseits wegen ihrer Beziehung zu den Kindern – die, da sie nicht sozialisiert sind, offensichtlich Teil der Natur sind – und andererseits wegen ihres Ausschlusses vom öffentlichen oder politischen Raum, der in erster Linie mit der Gesellschaft verbunden und ausschließlich den Männern vorbehalten ist.

Der Wilde und die Bürde des weißen Mannes

Einer der Fälle, in denen das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Natur als Spiegel und Grundlage anderer Unterdrückungsverhältnisse am deutlichsten wird, ist zweifellos das Binom Zivilisation – Wildnis. Die weiße europäische Kultur hat zu verschiedenen Zeiten der Geschichte Völker, die als "wild" oder "unzivilisiert" gelten, mit der Natur in Verbindung gebracht.

Auf dem amerikanischen Kontinent waren die Debatten des 16. Jahrhunderts über den Status der indigenen Bevölkerung von zentraler Bedeutung für die Rechtfertigung und Legitimierung der Conquista. Dabei bezogen sich die Argumente, dass die Indigenen Barbaren seien, ohne Vernunft, vom Körper beherrscht und aufgrund dessen unfähig, eine Gesellschaft mit gerechten und rationalen Gesetzen zu bilden, eindeutig auf die mit der Natur verbundenen Werte und Symbole.

Auch wenn sich die wohlwollenderen Argumente in der Debatte über die Indigenen durchsetzten (wie die von Bartolomé de Las Casas), so war doch die deutliche Minderwertigkeit des "Indios" aufgrund seiner Verbindung mit der Natur in allen Darstellungen präsent, die die Spanier und ihre kreolischen Erben in den unabhängigen Republiken von ihm machten.

Wie Aníbal Quijano in seinem Buch Fragestellungen und Horizonte: Von der historisch-kulturellen Abhängigkeit zur Kolonialität / Dekolonialität der Macht hervorhebt, hat die Ausgestaltung der Unterschiede zwischen Gruppen nach rassischen Kriterien, der Kategorien "Europäer", "Indianer", "Schwarzer“, und die untergeordnete Stellung der letzteren ihren Ursprung in der Eroberung Amerikas. In diesem Kontext diente die „Rassenzugehörigkeit“ als Legitimation für Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse und wurde mit bestimmten Rollen in der kolonialen Gesellschaft verbunden, die eine "rassische Arbeitsteilung" einführten.

Im imperialen Zeitalter (wie Hobsbawm es nannte) war die Präsenz und Relevanz des Binoms Zivilisation – Wildnis sogar noch größer. In dieser Zeit gab es im Großen und Ganzen zwei Bilder der eroberten "Anderen". Das erste Bild ist das des gewalttätigen, bestialischen und promiskuitiven und sogar unmenschlichen Wilden, der domestiziert werden musste. Das zweite Bild stellte die kolonisierten Völker als Kinder dar, denen die Vorteile der Zivilisation, die wirtschaftliche Entwicklung und die europäischen Sitten gelehrt werden mussten. Es handelt sich hierbei um die berühmte "Bürde des weißen Mannes", um es mit Rudyard Kiplings Worten auszudrücken.

In beiden Bildern herrscht eine Konzeption des kolonisierten "Anderen" vor, der als eindeutig minderwertig gilt, was weithin auf seine Verbindung zur Natur zurückgeführt wird. Im ersten Fall drückt sie sich in der Darstellung jener Völker in Bildern von Wildheit und Brutalität aus, die sie in die Nähe des Animalischen, der unkontrollierten Natur rücken lassen. Im zweiten Fall als ein Naturwesen, das erzogen und regiert werden muss.

Verbindung von Formen der Unterdrückung und das Paradigma der "Entwicklung"

Die spiegelbildliche Verbindung zwischen den verschiedenen Unterdrückungsverhältnissen lief zusammen in einer extraktivistischen kolonialen Logik, die ein imperialistisches Modell mit einer unanfechtbaren Entwicklungsstrategie untermauerte, das besonders im Globalen Süden zur Ausbeutung der Natur, der Frauen und der Völker führte.

Die Entwicklung des Kapitalismus basierte auf der Eroberung anderer Völker, der Plünderung der natürlichen Gemeingüter ihrer Territorien und der spezifischen Unterdrückung der Frau. Der Prozess der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals fällt zeitlich mit dem Beginn der europäischen kolonialen Expansion in Amerika und im Indischen Ozean sowie dem transatlantischen Sklavenhandel zusammen und ist eng damit verbunden.

In dieser Periode wurden nicht nur die Natur und die Völker Amerikas unterworfen, sondern darüber hinaus Frauen besonders unterdrückt, da sie ständig Opfer körperlicher und sexueller Gewalt durch die Eroberer waren und ihnen die europäischen Modelle der sozialen und symbolischen Unterordnung der Frau aufgezwungen wurden. Wir können also die Verbindung der Formen der Unterdrückung sehen: Gesellschaft gegenüber der Natur, Zivilisation gegenüber der Barbarei und des Mannes gegenüber der Frau.

Die ursprüngliche Akkumulation, wie Rosa Luxemburg sie in Die Akkumulation des Kapitals bezeichnet, ist allerdings kein Moment, sondern ein ständiger Prozess, der sich in den zyklischen Krisen des Kapitalismus erneuert. So gesehen war der Imperialismus des 19. Jahrhunderts, der vor allem in Afrika und Asien im Zusammenhang mit der Großen Depression von 1873 voranschritt, Teil des Prozesses der "Akkumulation durch Enteignung" (in den Worten von David Harvey).

Die Expansion der europäischen Industriemächte war vor allem bestimmt durch die Suche nach Rohstoffen für ihre Fabriken und nach abhängigen Märkten, um ihre Produkte und ihr Kapital unterzubringen. Die Ausbeutung der Natur und die Unterwerfung der Völker waren also die Triebfedern für das Zeitalter des Imperialismus.

Hervorzuheben ist, worauf die Anthropologin Henrietta Moore hinweist, dass sich im Zuge dieses Expansionsprozesses des kapitalistischen Westens seine Vorstellung von der Herrschaft der Gesellschaft über die Natur und des Mannes über die Frau auf alle Völker des Planeten ausbreitete, die diesem System untergeordnet wurden.

Heutzutage ist die in den 1970er Jahren begonnene weltweite Privatisierung der Gemeingüter die historisch spezifische Form, die die Akkumulation des Kapitals im Prozess der kapitalistischen Umstrukturierung annimmt. Dieses neue Kapitel der Akkumulation durch Enteignung geschieht mittels eines Neoliberalismus, der sich hinter dem Paradigma der Entwicklung versteckt.

Entwicklung oder Fehlentwicklung?

Maristella Svampa und Enrique Viale argumentieren in ihrem Buch El colapso ecológico ya llegó. Una brújula para salir del mal desarrollo (Der ökologische Kollaps ist schon da. Wegweiser aus der Fehlentwicklung), dass das hegemoniale produktivistische Paradigma, welches die wirtschaftliche Entwicklung als einzig möglichen und wünschenswerten Horizont ansieht, in einer anthropozentrischen Auffassung verwurzelt ist.

Dies führt zudem zum Gegensatzpaar unterentwickelt ‒ entwickelt, das als Spiegel für andere wie "arm/reich, fortschrittlich/rückständig, zivilisiert/wild, Zentrum/Peripherie" funktioniert. Laut den Autoren ist die vorherrschende Vision der Entwicklung in Lateinamerika die eines "El Dorado" – basierend auf der Gewinnung und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen als Quelle des Reichtums – und zielt darauf ab, den Lebensstandard der "entwickelten" Länder zu imitieren. Diese Faktoren führen dazu, dass wir Entwicklung als "eine Fortsetzung des Kolonisierungsprozesses" denken können, "der auf der Ausbeutung oder dem Ausschluss von Frauen, auf der Ausbeutung und Zerstörung der Natur und auf der Ausbeutung und allmählichen Zerstörung anderer Kulturen beruht".

Die neokolonialen Implikationen des Entwicklungsmodells liegen auf der Hand. Erstens: Die Idee, "Entwicklung" und Wohlstand der europäischen Länder nachahmen zu wollen, zeigt, in den Worten von Camila Moreno, eine imperiale Denkweise, die das weiße Europa als einzig möglichen Horizont betrachtet und jedes andere Wissen oder Handeln, das von den indigenen Völkern unseres Kontinents ausgehen könnte, verwirft.

Zweitens: Wohlstand, Entwicklung und Energiewende der Kernländer des Kapitalismus wurden und werden durch Auslagerung sozialer und ökologischer Kosten und Ausbeutung der Natur und der Arbeitskräfte des Globalen Südens realisiert, wie die Forscher Ulrich Brand und Markus Wissen in ihrem Buch Imperiale Lebensweise zeigen.

Die wertvolle Ressourcen, die für den sozio-ökologischen Wandel im Norden benötigt werden ‒ wie Lithium ‒, werden im Süden abgebaut und das hinterlässt zerstörte Gebiete und nur geringe, oder gar keine wirtschaftlichen Vorteile für die lokale Bevölkerung. Zu akzeptieren, dass die Grundlage unserer Volkswirtschaften darin besteht, die Rolle von Rohstofflieferanten zu spielen, ist die Neuauflage eines kolonialen Modells, das einer Kopie des 19. Jahrhunderts gleicht.

Dabei ist zu betonen, dass der Extraktivismus – neben der Zerstörung der Territorien – darüber hinaus den Körper, im Besonderen der Frauen, angreift. Sie sind die am meisten Betroffenen, denn sie sind die bevorzugten Opfer physischer und sexueller Gewalt, die sich gegen jene Bevölkerungen richtet, die sich gegen die Errichtung extraktiver Projekte wehrt. Diese führen, einmal in Gang gesetzt, zudem zu einer Auflösung der lokalen und familiären Ökonomien – in der Frauen eine bedeutende Rolle spielen – und zur Zunahme von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung.

Die Entwicklung und das extraktivistische Modell, das damit einhergeht, ist eines, das die Regeln der kolonialen Abhängigkeit reproduziert (was in einem Argentinien, das dem Pakt mit dem IWF unterworfen ist, noch deutlicher wird), in dem die Natur – die es als hinderliches Ärgernis betrachtet – missachtet und bekämpft wird und das sich auf antidemokratische Weise durchsetzt gegen den Willen der Menschen und zum Nutzen des Kapitals, das es entworfen und gefördert hat.

Eine klassenbezogene Lesart der Umweltkrise

Wir haben gesehen, dass die Ausbeutung der Natur (und die damit einhergehenden Umweltprobleme) eng mit der Ausbeutung der Frauen und der kolonisierten Völker des Globalen Südens verbunden ist. Bleibt noch, ein weiteres Element explizit einzuführen: die Klassenanalyse.

Die Kohlenstoffemissionen verdeutlichen den Klassencharakter der Klimakrise: Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung produzieren die Hälfte der weltweiten Emissionen, das reichste ein Prozent emittiert mehr als die ärmsten 50 Prozent. Und 60 Prozent der Emissionen werden wiederum von etwa 100 öffentlichen und privaten Unternehmen verursacht. Es ist auch kein Zufall, dass in vielen Regionen der Welt die Karten der Armut mit denen der Umweltzerstörung übereinstimmen, besonders deutlich sichtbar in Lateinamerika und Afrika.

Die zwingende Notwendigkeit des Kapitals, ständig und unaufhaltsam zu expandieren, um mehr Mehrwert, mehr Profite und mehr Kapital zu generieren, gerät jedoch in unmittelbaren Widerspruch zu der deutlichen Abnahme der natürlichen Ressourcen und zum Gleichgewicht der Ökosysteme. Anders gesagt: Für grenzenloses Wachstum ist schlicht kein Raum mehr. In diesem Sinne stehen Kämpfe für die Umwelt in direktem Widerspruch zu einer wesentlichen Grundlage des Kapitalismus und sind deshalb von Natur aus antikapitalistisch.

Einige der Hauptkonflikte, die wir in den verschiedenen Gebieten beobachten, sind durch den Widerstand gegen einige der dynamischsten und mächtigsten Sektoren des Kapitals bestimmt: Es genügt bereits ein kurzer Blick auf die Agrarindustrie, die einen Großteil der lateinamerikanischen Volkswirtschaften ausmacht. Der städtische Extraktivismus, der in den Großstädten der Welt so präsent ist und zum Nutzen von Immobilienspekulationen und Luxuswohnanlagen betrieben wird. Oder der Mega-Tagebergbau, einer der größten Ausprägungen neokolonialer Herrschaft, der unter anderem schwere Schäden und zugleich nur geringe wirtschaftliche Vorteile in den Territorien hinterlässt.

In diesen Konflikten, wie in allen sozialen Konflikten, ist die Rolle der Arbeiterklasse von grundlegender Bedeutung, da ihre Macht sowohl in ihrer Zahl als auch in ihrer strategischen Position in der Produktion als Schöpferin des privat angeeigneten Reichtums und Garantin der sozialen Reproduktion liegt.

Um nur ein Beispiel aus Argentinien zu nennen: Der Kampf gegen die Gebietsaufteilung, die den Mega-Bergbau in Chubut im vergangenen Dezember ermöglichte, wurde dank der enormen Mobilisierung der Bevölkerung und der historischen Beteiligung der Gewerkschaften der Hafenarbeiter, Fischer und Fahrer – was zum ersten Mal in einem Konflikt dieser Größenordnung geschah – in nur wenigen Tagen gewonnen (amerika21 berichtete).

Ein übergreifendes Paradigma für die Umweltgerechtigkeit

Es wird immer deutlicher, dass jeder Ausweg aus der aktuellen Klima- und Umweltkrise in einer tiefgreifenden Neubewertung unseres kulturellen Paradigmas verankert sein muss, insbesondere im Hinblick auf die Beziehung zwischen Gesellschaft und Natur.

Zahlreiche teils sehr unterschiedliche Sichtweisen haben hierzu beigetragen. Neben vielen anderen:

  • Der Ökofeminismus, der die Idee des gegen die Eroberer zu verteidigenden Körpereigentums in die Umweltkämpfe einführt und die innige Beziehung zwischen der Gesellschaft und der Natur und ihren Spiegeln perfekt zusammenfasst.

  • Die Enzyklika Laudato Si von Papst Franziskus, der wichtige Begriffe wie "gemeinsames Haus" und "integrale Ökologie" populär machte und ihre Verbindung zur sozialen Gerechtigkeit betonte.

  • Die Kategorien des Buen Vivir und der Rechte der Natur, die sich auf die indigene Kosmovision stützen und die die Verteidigung der Natur gegenüber der westlichen merkantilistischen und anthropozentrischen kolonialen Entwicklung postulieren.

  • Der Ökosozialismus, der eine tiefergehende Analyse der Verantwortung des Kapitalismus für die Krise liefert.

Der wichtigste Beitrag, den das Verständnis der Verbindung verschiedener Formen der Unterdrückung leisten kann, ist der Anstoß zur Intersektionalität als Ausweg aus der aktuellen Klima- und Umweltkrise. Die Ursachen und Auswirkungen der Krise sind so tiefgreifend, dass nur eine übergreifende und umfassende Perspektive ausreichende Werkzeuge bereitstellen kann, um die Logik zu durchbrechen, die die Ausbeutung der Natur, der Völker des Südens, der Arbeitnehmerinnen und Arbeiter, der Frauen und der Territorien aufrechterhält. Die sozial- ökologischen Bewegungen, vor allem jene, die stark von der Jugend geprägt sind, haben es verstanden, gemeinsam mit sozialen, feministischen, gewerkschaftlichen, indigenen und Bewegungen von Arbeitslosen den Weg des intersektionellen Aufbaus zu gehen.

Das hat zum Beispiel in Argentinien zu einer derartigen Aufwertung der Umweltagenda geführt, dass es – trotz der Versuche des "grünen Kapitalismus", sie zu vereinnahmen – gelungen ist, zahlreiche Diskussionen über unsere kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Modelle, wie sie hier angesprochen wurden, in die öffentliche Auseinandersetzung einzubringen.

Auf der anderen Seite erfährt das Entwicklungsparadigma in letzter Zeit eine starke Re-Legitimierung, indem der Umweltgedanke als "einfältig", " falsch" und "unerschwinglich" abqualifiziert wird und jede Möglichkeit zur Erneuerung von Ansichten und Horizonten zunichte gemacht werden soll.

Wenn der Kapitalismus und die Kapitalisten die Hauptverantwortlichen für die aktuelle Klima- und Umweltkrise sind, dann kann der Kampf für Umweltgerechtigkeit ein Eingangstor zum revolutionären Kampf gegen jegliche Form der Unterdrückung sein. Ein Umweltschutz, der nicht feministisch, antiimperialistisch und antikapitalistisch ist, kann nur schwer einen sinnvollen und gerechten Übergang erreichen, der einen irreversiblen und katastrophalen ökologischen Kollaps verhindert. Denn, wie der große ökosozialistische Aktivist Chico Mendes sagte: "Ökologie ohne Klassenkampf ist nur Gartenpflege."

5. April 2022

Juan Pedro Frère Affanni aus Argentinien ist Student der Geschichte an der Universidad de Buenos Aires und Umweltaktivist