Das Kollektiv La Minka hat seinen Sitz in einem vielseitig nutzbaren Kulturraum in der Nähe des Präsidentenpalastes Miraflores im Westen von Caracas. Auf der Fassade des Gebäudes, einer ehemaligen Druckerei, prangt über die drei Stockwerke hinweg ein farbenfrohes Wandgemälde, das verschiedene Aspekte der Geschichte des venezolanischen Volkes darstellt. Im Inneren befindet sich eine Reihe von Räumen für Unterricht, Theater und Musik sowie ein Radiostudio und eine Gemeinschaftsküche.
"Minka" oder "Minga" ist ein Wort der Ketschua und bedeutet Gemeinschaftsarbeit. Getreu dieser Idee hat sich das Kollektiv La Minka mit seinen kulturellen Projekten an die Gemeinschaft gewandt. Es verteidigt auch die Basisdemokratie und trifft alle wichtigen Entscheidungen in einer Versammlung. Derzeit arbeitet das Kollektiv daran, eine sozialistische Kommune im Viertel zu gründen. In diesem Interview spricht Natalia Molina, eine der Gründerinnen der Organisation, über die Ursprünge und Ziele des Projekts und über die Verteidigung des bolivarischen Prozesses.
Kannst du uns etwas über die Geschichte und die Ziele des La Minka-Kollektivs erzählen?
La Minka ist ein revolutionäres Kollektiv, das sich auf die Förderung einer umfassenden Gemeinschaftsarbeit konzentriert. Inspiriert von Hugo Chávez wurde La Minka vor zwölf Jahren mit dem Ziel gegründet, die kommunale Selbstverwaltung voranzutreiben.
Wir sind ein Kollektiv, das in verschiedenen Bereichen arbeitet: Wir fördern kulturelle Initiativen, setzen uns aber auch für Bildung, Kommunikation und wirtschaftliche Produktion ein. Alle diese Projekte sind miteinander verknüpft, um eine Welt ohne Unterdrückung und Herrschaft zu schaffen.
La Minka ist Teil von Comunidades Al Mando-Proyecto Nuestra América [Cam-PNA, Gemeinschaften in Führungsfunktion - Unser Amerika-Projekt]. Cam-PNA ist eine Art Mutterorganisation, die uns bei der Entwicklung unserer politischen Strategien leitet. Allerdings entwickelt sich jedes Projekt innerhalb der Dachorganisation entsprechend seiner spezifischen Merkmale und der Menschen, die dort arbeiten.
Eine unserer Stärken ist die Kulturarbeit. Wir betrachten Kunst, Kultur, Sport und Kommunikation als Wege zur Veränderung des kollektiven Bewusstseins. Unser Ziel ist der Aufbau einer entkolonialisierten und nicht-kapitalistischen Gesellschaft. Diese Vision wird durch unsere Arbeit zur Förderung der Kommune Comandante Chávez Miraflores verkörpert.
Was ist das Proyecto Nuestra América? Woher kommt es?
Proyecto Nuestra América ist eine kontinentale Bewegung innerhalb der "Historischen Strömung", einer breiten Koalition, die auf der Idee beruht, dass wir auf dem von unseren Vorfahren vorgezeichneten Weg kämpfen, weil auch sie für die Emanzipation gekämpft haben, wie wir es heute tun. Für uns vereint der Klassenkampf alle Unterdrückten und Ausgebeuteten, in Vergangenheit und Gegenwart, hier und auf dem ganzen Kontinent.
Unsere Geschichte umfasst afro-indigene Kämpfe, die Geschichte derjenigen, die in den Geschichtsbüchern vorkommen, und die Geschichte derer, die unsichtbar gemacht wurden. Proyecto Nuestra América ist ein Teil dieser langen Geschichte. Für uns sind die Kämpfe der Vergangenheit und die Kämpfe der Gegenwart nicht nur miteinander verbunden - sie sind ein und dasselbe.
Kasa La Minka ist ein kultureller Knotenpunkt in Caracas. Es verfügt über ein wunderschönes Hauptquartier, in dem gleichzeitig Capoeira- und Yogakurse, Radioproduktionen und Versammlungen stattfinden können. Kannst du uns mehr über diesen Ort erzählen?
Im Jahr 2012 übergab das Kulturministerium das Gebäude, das wir heute als Kasa La Minka kennen, an eine Gruppe von Kulturkollektiven, die in den Arbeitervierteln von Caracas organisiert waren. Das waren die Zeiten einer Kampagne für die Wiederwahl von Chávez, die "la cayapaña" genannt wurde [eine Wortschöpfung, die auf zwei Wörtern basiert: "cayapa" - die Praxis der Zusammenarbeit - und ‚campaña‘, also Kampagne]. Heute ist der Geist von Chávez tief in unserer Organisation verwurzelt: Er hat uns damals inspiriert, und er inspiriert uns bis heute.
La Minka hat bei der Organisation der Kommune Comandante Chávez Miraflores mitgeholfen. Kannst du davon berichten?
Seit den Anfängen von La Minka war eines unserer Hauptziele die Förderung der kommunalen Selbstverwaltung. Wir haben immer Hand in Hand mit den kommunalen Räten in unserer Nähe gearbeitet.
Im Jahr 2019 wurde die Kommune Comandante Chávez Miraflores gegründet. Das war ein schönes Projekt, weil es uns geholfen hat, näher an die Gemeinschaft heranzukommen. Als erstes haben wir eine Schule gegründet, die den Namen von Simón Rodríguez [venezolanischer Pädagoge und Philosoph des frühen 19. Jahrhunderts] trägt. Dort organisierten wir Workshops über kommunale Organisation und Produktion, über die Funktionsweise des Kommunalen Parlaments usw. Wir diskutierten sowohl über das große Ganze als auch über die Details einer Kommune.
In einem partizipativen Prozess, der von der Kommune geleitet wurde, begannen wir auch, Zeugnisse über die Geschichte des Barrios zu sammeln. Gemeinsam rekonstruierten wir diese Geschichte. Wir erfuhren, wer vor den Invasoren hier war und sogar einiges über die Gespenster, die unser Barrio bevölkern. Als wir die erste Karte von Caracas studierten, konnten wir sehen, dass unser Viertel früher direkt an der Grenze zur Altstadt lag.
Das waren die Anfänge der Kommune, und es war wirklich eine wunderbare Zeit. Heute kümmert sich die Kommune aktiv um Probleme wie Wasserversorgung, Gesundheitsfürsorge, Bildung oder Sicherheit und organisiert "Straßenparlamente", bei denen Sprecher der Regierung in unsere Kommune kommen, um mit uns zu diskutieren.
In der Miraflores-Kommune ist der Geist von Chávez lebendig.
La Minka ist vor allem für seine kulturelle Arbeit bekannt. Welche konkreten kulturellen und künstlerischen Aktivitäten fördert ihr im Rahmen von Kasa La Minka?
Seit seinen Anfängen hat sich La Minka sehr für Capoeira [eine afro-brasilianische Kampfsportart, die Tanz und Selbstverteidigung verbindet] engagiert. Wir organisieren aber auch Zirkusveranstaltungen, Straßentheater sowie Tanz- und Musikveranstaltungen.
Insgesamt sind die kulturellen Traditionen Venezuelas für uns von großer Bedeutung. Jedes Jahr organisieren wir den "Cruz de Mayo" [Gemeinschaften versammeln sich um ein mit Blumen geschmücktes Kreuz, um zu singen und zu tanzen], den "Velorio de San Juan" [afro-venezolanische Tradition zu Ehren von Johannes dem Täufer mit Trommeln, Liedern und Tänzen], Karnevalsumzüge usw. Unser kulturelles Erbe ist lebendig und wir sind ein Teil davon.
Aber unsere Arbeit geht über kulturelle Projekte hinaus. Wir backen auch Brot, pflegen einen agroökologischen Gemüsegarten und betreiben eine Suppenküche, die täglich etwa 100 Menschen versorgt.
Mir scheint, dass diese Wirtschaftsprojekte von La Minka für die Aufrechterhaltung eurer kulturellen und kommunalen Arbeit entscheidend sind.
Ganz genau. Eines unserer Hauptziele ist es, für die Menschen hier zu produzieren, nicht für das Kapital. Doch unsere wirtschaftlichen Initiativen unterstützen auch die kulturelle und gemeinschaftsbezogene Arbeit, die wir leisten. Unser erstes Projekt war die Herstellung von Siebdrucken. Wir haben diese Drucke auf sehr einfache Weise selbst gemacht.
Später brachten uns Menschen aus Schwesterorganisationen, die Bäckereien betrieben, das Handwerk des Brotbackens bei. Bald darauf erwarben wir eine Grundausstattung und begannen in Kasa La Minka mit der Herstellung von "Boleado" [rundes Brot]. Das war im Jahr 2016, als die Menschen noch nicht einmal über die einfachsten Grundnahrungsmittel verfügten. Es war vor der Clap-Initiative [subventionierte Lebensmittelverteilung] der Regierung, also konzentrierten wir uns auf einen Verteilungsplan innerhalb des Viertels, um den Zugang der Menschen zu Lebensmitteln sicherzustellen.
Zu dieser Zeit gab es endlose Schlangen vor den Bäckereien. Die Regierung stellte den Bäckern Säcke mit Mehl zu subventionierten Preisen für die Brotherstellung zur Verfügung. Anstatt Brot zu backen, stellten sie jedoch Süßigkeiten her oder verkauften das Mehl zu höheren Preisen weiter. Es gab tatsächlich einen "Brotkrieg" gegen das Volk.
In dieser Zeit gab es eine Bäckerei an einem strategisch günstigen Ort am Eingang unseres Viertels, die stark in den "Brotkrieg" gegen unsere Gemeinschaft verwickelt war. Trotz wiederholter Anzeigen und Bußgelder produzierte sie nur eine geringe Menge Brot pro Tag und zwang die Menschen, darunter viele Ältere, lange in Warteschlangen zu stehen, wo sie oft auch Misshandlungen ausgesetzt waren.
Es gab auch Beschwerden über überhöhte Preise. Darüber hinaus gab es hygienische Bedenken, und einige Arbeiter reichten arbeitsrechtliche Beschwerden ein. Infolgedessen griff die Regierung wiederholt ein: Die Bäckerei wurde mit einer Geldstrafe belegt, für drei Tage geschlossen und dann wieder geöffnet...
Zu dieser Zeit schlugen die Genossen von Comunidades Al Mando vor, dass die örtliche Regierung organisierten Gemeinschaften die Möglichkeit geben sollte, sanktionierte Bäckereien zu übernehmen. Schließlich, nach der x-ten Intervention gegen diese Bäckerei, traten Beamte der lokalen Regierung an uns heran und baten uns, die Bäckerei für drei Monate zu übernehmen. Aus diesen drei Monaten sind sieben Jahre geworden!
Als wir die Bäckerei übernahmen, fanden wir 300 Mehlsäcke vor, von denen etwa 90 bereits abgelaufen waren. Das zeigt, dass die früheren Besitzer reichlich Rohmaterial für die Brotherstellung gehabt hätten. Dennoch ließen sie die Leute in langen Schlangen warten und behaupteten, die Regierung würde sie nicht mit Mehl versorgen.
Ich erinnere mich, dass, als die Regierung dort eingriff, eine riesige Schlange vor der Tür stand, in der Backstube aber reichlich Brot vorhanden war. Das Ziel des Besitzers war es, die Menschen leiden zu lassen. Brot war seine Waffe im Krieg.
Als wir die Bäckerei übernahmen, war das Clap-Programm bereits angelaufen, und so begannen wir, Brot ausschließlich für 18 lokale [Clap-]Komitees zu produzieren, um eine gerechte Verteilung in der Umgebung der Bäckerei zu gewährleisten.
Heute ist die Bäckerei überall als Panadería La Minka bekannt und stellt weiterhin Brot für die Gemeinschaft her.
Das ist beeindruckend. Es ist toll, dass die Bäckerei jetzt für die Gemeinschaft arbeitet. Soweit ich weiß, lässt der ehemalige Eigentümer die selbstverwaltete Bäckerei allerdings nicht in Ruhe. Er schickaniert weiterhin die Panaderia La Minka.
Das stimmt. Während die Regierung auf unserer Seite steht, weil sie weiß, dass unsere Arbeit gemeinschaftsorientiert ist, wurde die Bäckerei immer wieder angegriffen. Wir haben Gerichtsbeschlüsse von Richtern erhalten, die von dem früheren Eigentümer bestochen wurden, während seine Schlägertruppen mit Gewehren in die Bäckerei kamen. Trotzdem geben wir nicht auf.
Die Bäckerei ist wichtig für La Minka. Könnte man dennoch sagen, dass sie einfach Teil eines größeren strategischen Projekts des Kollektivs ist?
So ist es. Die Bäckerei ist für uns eine wichtige Initiative im produktiven Sektor, auch weil sie die Gemeinschaft stärkt. Außerdem helfen uns die Überschüsse, die Kommune zu unterstützen, unsere kulturellen und agrarökologischen Projekte zu fördern und unsere Suppenküche zu betreiben.
Kannst du den Ansatz von La Minka zur Selbstverteidigung und Sicherheit in der Kommune erläutern?
Unser Ansatz zur Verteidigung basiert auf einem gut strukturierten Notfallplan, der potenzielle Bedrohungen und wichtige Probleme identifiziert, lange bevor sie zu akuten Notfällen werden. Diese Strategie gewährleistet, dass wir auf jede Situation vorbereitet sind, und ermöglicht es uns gleichzeitig, unsere organisatorische Dynamik zu stärken.
Im Bereich der Lebensmittelsicherheit haben wir zum Beispiel den Bedarf der Kommune sorgfältig erfasst und die wichtigsten Verteilungswege ermittelt. Wir haben auch das örtliche Stromnetz analysiert und einen Generator sichergestellt, der bei möglichen Stromausfällen, wie wir sie gerade letzte Woche erlebt haben, eingesetzt werden kann.
Außerdem haben wir eine Studie über die Gesundheitssituation in unserer Kommune erstellt. Dadurch wissen wir, wo sich Ärzte, Krankenschwestern und medizinische Hilfsmittel befinden. Und schließlich haben wir die Transport- und Wasserversorgungssysteme in der Kommune untersucht.
Dieser Ansatz ermöglicht es uns, auf Notfälle nicht planlos, sondern mit gut koordinierten und wirksamen Strategien zu reagieren.
Sowohl die Kasa La Minka als auch die Panadería La Minka liegen ganz in der Nähe des Präsidentenpalastes Miraflores. Da dieser oft im Mittelpunkt von Versuchen steht, die Regierung zu destabilisieren, muss eure Arbeit zur Verteidigung der Basis auch eine strategische Dimension haben.
Ganz genau. Wir befinden uns direkt im Epizentrum der politischen Macht in Venezuela, nur einen Steinwurf von dem Haus entfernt, in dem Chávez lebte und das für uns ein heiliger Ort ist. Unsere Lage ist in der Tat strategisch, und das bringt eine große Verantwortung mit sich.
Kurz nach den Präsidentschaftswahlen wurde ein Anschlag auf die Panadería La Minka verübt. Was genau ist passiert?
Der Angriff auf die Bäckerei durch faschistische Gruppen hat uns nicht überrascht. Wir hatten damit gerechnet, und es war auch nicht der erste Angriff auf die Bäckerei. Aber normalerweise sind wir in der Lage, diese Angriffe mit den Waffen unserer Wahl abzuwehren: Trommeln, Lieder und unser unnachgiebiger Geist. Diesmal war der Angriff jedoch gewalttätiger und zwang uns, Schwesterorganisationen und sogar staatliche Sicherheitskräfte zur Hilfe zu rufen, um ihn abzuwehren.
Der Angriff richtete sich jedoch nicht nur gegen die Bäckerei, sondern gegen die gesamte Gemeinschaft. Und warum? Weil wir eine chavistische Basisorganisation sind und unsere Kommune das Tor zum Miraflores-Palast ist. Wenn es den Faschisten gelungen wäre, die Bäckerei zu übernehmen und Fotos davon zu veröffentlichen, hätten sie eine klare Botschaft gesendet: "Wir stehen vor den Toren von Miraflores. Der Präsident sollte sich bedroht fühlen!"
Das würden wir natürlich niemals zulassen.
Der Guardian-Dokumentarfilm The Breadmaker aus dem Jahr 2019 zeigt den "Brotkrieg" in Caracas und die Entstehungsgeschichte der Panadería La Minka