Der dritte Bericht des einheitlichen Registers für Gewalt gegen Obdachlose (RUV) hat eine Zunahme der verschiedenen Formen von Feindseligkeit gezeigt, wobei 320 Gewaltvorfälle festgestellt wurden.
Demnach starben zwischen dem 15. August 2023 und dem 15. August 2024 landesweit 135 Menschen auf der Straße. Das heißt, ein Todesfall im öffentlichen Raum alle zweieinhalb Tage. Die Anfeindungen gegen diese Bevölkerungsgruppe haben stark zugenommen. Die Fälle von institutioneller Gewalt gegen Wohnungslose sind von einem Jahr zum nächsten um 500 Prozent gestiegen.
Das Dokument wurde im Rahmen des Internationalen Tages des Kampfes der Wohnungslosen (Día Internacional de las Luchas de las Personas en Situación de Calle) vorgestellt. Dieser Tag wurde zur Erinnerung an die Ereignisse vom 19. August 2004 in São Paulo, Brasilien, ins Leben gerufen, als 15 Wohnungslose von Sicherheitskräften angegriffen wurden, während sie schliefen. Sieben wurden getötet und acht erlitten schwere Verletzungen.
Die RUV berichtet über Fälle von Gewalt gegen diese Bevölkerungsgruppe, die am meisten gefährdet und verletzbar ist. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 320 Gewaltvorfälle registriert. Im Jahr zuvor waren es 233 und im ersten Bericht 125.
In diesem dritten Bericht wurden 104 Fälle von institutioneller Gewalt, 95 Fälle von gesellschaftlicher Gewalt und 121 Fälle von struktureller Gewalt festgestellt. Mit einer Klarstellung: Die Erhebung geht von einer Dunkelziffer aus, die Daten beruhen auf Beiträgen sozialer Organisationen und auf der Auswertung von Veröffentlichungen in den Medien.
"Säuberungsaktionen" im Bundesdistrikt Buenos Aires
"Das Signifikanteste ist der Anstieg der institutionellen Gewalt, den wir beobachtet haben. Fast 500 Prozent im Vergleich zum vorherigen Bericht, nicht nur in der Stadt, sondern landesweit. Dabei handelt es sich um Polizeigewalt oder Gewalt, die von öffentlichen Stellen ausgeübt wird, mangelnde Aufmerksamkeit der Rettungsdienste, mangelnde Unterstützung durch das ehemalige Buenos Aires Presente1 usw. Es handelt sich nicht nur um Polizeigewalt, die Zunahme der institutionellen Gewalt schließt auch andere Beamte ein", sagt Jorgelina Di Iorio, Psychologin, Conicet-Forscherin, Mitglied der Versammlung von Wohnunglosen, Förderin von RUV und der Forschungsgruppe Sociabilidades por los Márgenes der UBA.
Bei fast einem Drittel der Fälle (32,8 Prozent) handelte es sich um Gewaltakte, die von Sicherheitskräften oder öffentlichen Bediensteten verübt wurden. "Innerhalb der institutionellen Gewalt sticht die Polizeigewalt am meisten hervor, vor allem weil in der Stadt Buenos Aires und auch an anderen Orten diese 'Säuberung' des öffentlichen Raums zu beobachten ist. In diesem Jahr haben wir gesehen, dass sie nicht nur von der staatlichen Politik, sondern auch von der Gesellschaft legitimiert wird", führt sie aus.
Nach den festgestellten Fällen zeigt die Untersuchung, dass es im Bundesdistrikt Buenos Aires im vergangenen Jahr "alle zweieinhalb Tage einen Gewaltakt gegen Wohnungslose gab". Hinzu kommen "125 Festnahmen, Durchsuchungen und Beschlagnahmungen ohne richterlichen Beschluss gemäß Artikel 103 des Strafgesetzbuches".
Die Richterin für Strafsachen, Ordnungswidrigkeiten und Vergehen Natalia Ohman war bei der Vorstellung des Berichts an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Buenos Aires anwesend. Sie war es, die die Nichtigkeit der 125 Verhaftungen und Durchsuchungen von Wohnungslosen und Cartoneros2 durch die Polizei von Buenos Aires anordnete, was sie zur Zielscheibe von Kritik und Falschdarstellung durch die Regierung von Jorge Macri machte.
Tiempo Argentino zeigte auch auf, dass die Krankenhausstationen und vor allem die des psychiatrischen Krankenhauses Borda als Lagerstätte für Wohnungslose genutzt werden, um sie von den Orten, an denen sie sich niedergelassen haben, zu entfernen. Nach Angaben des RUV gab es im Bundesdistrikt Buenos Aires im vergangenen Jahr 134 Fälle von Gewalt gegen Obdachlose: 87 Fälle von institutioneller Gewalt, 33 von struktureller Gewalt und 14 von gesellschaftlicher Gewalt.
Zunehmende Grausamkeit
"Ein weiteres Element, das wir beobachten und das mit dem vorherigen zusammenfällt, ist die Dimension der gesellschaftlichen Gewalt: zwischen Menschen in der gleichen Nachbarschaft, in der gleichen Gemeinschaft", so Di Iorio gegenüber Tiempo. Im Gegensatz zum letzten Jahr habe man "grausamere Formen von Gewalt festgestellt, bei denen weniger vermittelt wird, um Konflikte zwischen Nachbarn mit und ohne Dach über dem Kopf zu lösen. Es wird weniger mit Worten vermittelt oder darüber nachgedacht, wie man einen Konflikt anders lösen kann als mit Gewalt, die dazu führt, dass man schießt oder ihre Sachen in Brand steckt".
Einige dieser grausamen Vorfälle haben es in die Nachrichten geschafft. So schossen vier junge Männer in Belgrano aus einem nicht gekennzeichneten Auto heraus auf Wohnungslose.
Inwieweit hat die Verbreitung von Hassreden einen Einfluss auf die Zunahme solcher Gewalttaten?
Für Di Iorio "ist es nicht so, dass die Diskurse diese Gewalt auf lineare Weise hervorbringen, sondern es gibt einen organisierten Hass, eine Ablehnung von allem, was marginal ist, von allem, was anders ist, von allem, was als gefährlich konstruiert wird. Und dieser diskursiv organisierte Hass unterstützt die verschiedenen Formen der Grausamkeit. Wir können nicht ignorieren, dass es sie gibt, aber wir können ihr auch keine lineare Wirkung zuschreiben. Diese Hassrede von einer Regierung, die sich nicht scheut, ihre Ablehnung von Andersartigem deutlich zu machen, ist eine Matrix, um Gewalt mehr Raum zu geben. Wir haben es mit einer größeren Naturalisierung von Gewalt zu tun. Diese Diskurse konstruieren einen gefährlichen Anderen".
Bei den 320 untersuchten Gewaltvorfällen kommt es landesweit alle 27 Stunden zu einer feindseligen Handlung gegenüber Wohnungslosen. Von der Gesamtzahl wurden 134 im Bundesdistrikt Buenos Aires festgestellt (dem Ort, an dem die Messung aufgrund der stärkeren Präsenz von Organisationen in diesem Gebiet und der größeren Medienberichterstattung am weitesten verbreitet ist), 31 im Stadtgebiet von Buenos Aires, 26 in Santa Fe, 24 in Salta, 16 in Córdoba, 15 in Jujuy und zehn in Entre Ríos.
"Wenn man sich den Umgang mit Informationen in den Nachrichten ansieht, in welchen Rubriken sie erscheinen, welche Begriffe verwendet werden, welche Qualifizierungen verwendet werden, dann sehen wir einen Umgang, der darauf abzielt, einen gefährlichen Anderen zu konstruieren. Mit dem Argument 'Ich will mich schützen' wird der Andere zur Bedrohung", so die Forscherin.
Unsichtbar gemachte Todesfälle
Die andere analysierte Form der Gewalt ist strukturell und umfasst Todesfälle, die sich im öffentlichen Raum ereignen. "In den Medien heißt es 'ohne Gewalt', wenn es sich zum Beispiel um Todesfälle durch Unterkühlung handelt. Wir sagen 'ohne physische Aggression'. Denn es gibt Gewalt. Die Zahl der Todesfälle hat zugenommen, und das hat mit der mangelnden Unterstützung zu tun: im Gesundheitswesen, ohne Zugang zur Behandlung – etwa als junger HIV-Infizierter in einem Land, in dem die Behandlung eigentlich garantiert sein sollte – , ohne freie Plätze in den Unterkünften, auch wenn man in diese Einrichtungen gehen möchte", zählt Di Iorio auf. Das Versäumnis des Ministeriums für Humankapital, Suppenküchen und Essensplätze mit Lebensmitteln und Decken zu versorgen, trägt ebenfalls dazu bei.
Von diesen 135 untersuchten Todesfällen ereigneten sich die meisten in der Stadt Buenos Aires (33), gefolgt vom Bundesdistrikt Buenos Aires und Salta (jeweils 19) und Santa Fe (elf). Von den Todesopfern sind nur die Vor- und Nachnamen von 82 Personen bekannt. "Auch das ist Gewalt", heißt es in dem Bericht in Bezug auf diese Unsichtbarmachung.
Diese 82 Namen wurden in das Dokument aufgenommen, um ihr Andenken zu bewahren.
Angesichts der unzureichenden Erfassung von LGBTQ+-Identitäten wurde auch versucht, geschlechtsspezifische Daten zu sammeln. Ein konkretes Beispiel: Carolina Machado, eine Transfrau und Migrantin, die auf der Straße starb und in den offiziellen Berichten als Mann gezählt wurde.
Es gibt verschiedene Berichte mit unterschiedlichen Erfassungsmethoden zur Zählung der wohnungslosen Bevölkerung im Land. Laut dem von verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen durchgeführten Relevamiento Nacional de Personas en Situación de Calle (ReNaCalle) lebten im Dezember 2023 im Bundesdistrikt Buenos Aires 8.028 Menschen auf der Straße. "Die nationale Volkszählung spricht von fast 3.000, bei der Regierung von Buenos Aires sind es offiziell etwa 4.000. Bei so vielen Unterschieden in der Art der Erhebung ist es schwierig, einen Vergleich anzustellen. Was ich sagen kann, ist, dass 135 eine hohe Zahl ist", schließt die Wissenschaftlerin.
Sogar ihre Personalausweise werden ihnen abgenommen
Die zunehmende Gewalt gegen Obdachlose wird für die Nachbarn und Aktivisten von Proyecto Boedo, die sich täglich um diese Menschen kümmern und ihre Aussagen erhalten, immer deutlicher spürbar. In diesem Jahr beschlossen sie angesichts dieses besorgniserregenden und wachsenden Phänomens, die Situation durch einen Podcast Sin Reparo mit den Stimmen der Betroffenen sichtbar zu machen.
"Es begann mit einer Idee, die sich zunächst auf Cartoneros und Cartoneras konzentrierte, denn sie begannen uns zu erzählen, dass sie von der Polizei oder dem Ordnungsamt angehalten wurden, dass sie lange festgehalten wurden, manchmal in Handschellen, in der Kälte, dass man ihnen Scheren, Arbeitswerkzeuge, Messer wegnahm, die sie zum Essen benutzten", sagt Ana Laura López, eine der Podcast-Macherinnen.
"Wir begannen zu recherchieren, und nachdem Diego Kravetz, der Sicherheitsminister und Chef der Polizei von Buenos Aires, im Mai Erklärungen abgegeben hatte, begann eine Eskalation der Gewalt und der Vertreibungen. Die Videos gingen ins Internet. Daraufhin haben wir beschlossen, den Fokus zu erweitern und das gesamte Problem zu behandeln." Kravetz hatte gesagt: "Für die Nachbarn ist ihre Gegend bereits unbewohnbar." Die Wohnungslosen hätten "die Möglichkeit, in einer Unterkunft zu schlafen oder woanders hinzugehen, auf der Straße zu schlafen ist keine Option".
Proyecto Boedo arbeitet seit 2017 mit Menschen in gefährdeten Situationen in der Gegend. Die Aussagen von Männern und Frauen, die oft Angst haben, sich zu äußern, wurden über diesen Link eingeholt. "Während wir an der Produktion des Podcasts arbeiteten, mussten wir hinausgehen und Lobbyarbeit beim Ordnungsamt leisten, um sie davon abzuhalten, Menschen zu vertreiben, die auf der Straße lebten und die in der Nachbarschaft viel Unterstützung hatten. Ein Ehepaar erzählte uns, dass es zwei Räumungsversuche über sich ergehen lassen musste und ein Nachbar ihnen vor den Beamten sein Auto anbot, um dort zu schlafen", berichtet López.
"Die positive Folge ist die Reaktion der Nachbarn, zumindest in Boedo, aber die Überfälle und Verfolgungen gehen weiter. Ihre Sachen werden ihnen genommen. Das betonen sie uns gegenüber immer: 'Die Stadtregierung bestiehlt uns'. Sie nehmen ihnen Utensilien, Werkzeuge und Dokumente weg. Das ist ein wichtiger Punkt, betont sie. "Um in die Unterkünfte zu gehen ‒ was ihnen als Lösung von der Stadtregierung angeblich angeboten wird ‒ müssen sie Personalausweise haben. Aber die Regierung selbst nimmt sie ihnen weg, wirft sie in den Müll oder verbrennt sie, wenn die Menschen vertrieben werden. Das wird ständig berichtet".
- 1. Das Programm Buenos Aires Presente (BAP) sollte als Soforthilfe für wohnungslose Menschen dienen
- 2. Cartoneros sammeln Kartons, aber auch alle anderen Arten von recyclebaren Gütern und verdienen damit ihren Lebensunterhalt