Venezuela / Politik

Finanzhilfen für Opposition in Venezuela

Eva Golinger: NED-Report enthüllt massive Unterstützung der venezolanische Opposition aus dem Ausland

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Eva Golinger in TV-Debatte
Eva Golinger in TV-Debatte

Im Mai 2010 veröffentlichte das spanische FRIDE Institut einen entlarvenden Bericht: Mittel der so genannten Weltbewegung für Demokratie, eines Projekts des National Endowment for Democracy (NED), werden verwendet, um die venezolanische Opposition jedes Jahr mit der sagenhaften Summe von 40-50 Millionen US-Dollar zu unterstützen. 

Diese exorbitante Höhe liegt weit über den rund 15 Millionen US-Dollar, mit denen die Fraktionen zuvor regulär unterstützt werden sollten. Als Hauptgeber gilt hierbei die USA – als Quelle die Agency for International Development (USAID) sowie die NED. Nach dem FRIDE-Bericht, der die Auswirkungen dieser Mittel in Venezuela analysiert, wird gefolgert, dass die etablierte Weltpolitik ein starkes Interesse daran hat, die „demokratische Opposition“ massiv zu stärken. So sollen die politischen Aktivitäten Venezuelas, aber auch Südamerikas, von den USA und Europa stark beeinflusst und gelenkt werden.

Der größte Teil der finanziellen Mittel wird wohl von US- und europäischen Agenturen und Stiftungen gespendet, um den Oppositionsparteien Venezuelas, die sich dem rechten Flügel zuordnen, an die Macht zu helfen. Dadurch soll auch die Partei Primero Justicia (Zuerst Gerechtigkeit) gesteuert werden. Zu den Geldgebern zählen Un Nuevo Tiempo (Eine Neue Zeit), COPEI (christdemokratische, ultra-konservative Partei), zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, Studentengruppen und -organisationen sowie Medien.

Die Regierung von Chávez wird häufig als semi-autoritär beschrieben, wie auch aus dem Bericht der FRIDE hervorgeht. Gebraucht wird diese Bezeichnung meist von der NED sowie von Freedom House, einem rechtsgerichteten US-Spender und Think Tank. Der Bericht konstatiert, dass in Venezuela Wahlen „die wichtigste Verbindung zwischen Demokratie und Diktatur“ seien. Die Spenden an die Opposition sollen hingegen dazu führen, in Venezuela wieder die repräsentative Demokratie herzustellen. Damit soll auch eine US-freundliche Regierung an die Macht kommen.

Die Autoren des Berichts erklärten, dass die internationale Unterstützung der Fraktionen in Venezuela erst im Jahre 2002 begann– also erst, nachdem die Regierung Chávez eine Reihe wichtiger Reformen umsetzte. Die Präsenz der großen internationalen Spender soll der Förderung der Demokratie dienen. Aus diesem Grund engagieren sich die USA (einschließlich des Carter Center), das International Republican Institute (IRI), die NDI, die NDE und viele andere Organisationen besonders stark. Dieses Engagement hängt mit den Nachwirkungen der neuen bolivarischen Verfassung zusammen. Genehmigt wurde der Einsatz bei einer Anhörung im Jahr 1999, bei der die Chávez-Revolution sowie der Sozialismus des 21. Jahrhunderts im Zentrum standen.

Nach dem FRIDE-Dokument kann auswärtige Hilfe vor allem durch kleine Institutionen kanalisiert werden. In Venezuela sitzen alle diese kleinen Institutionen in Caracas. Neue politische Akteure, wie die Studentenbewegung oder andere Gruppen, die eher sporadisch von Spendern angesprochen wurden, werden hauptsächlich aus den USA unterstützt. In den letzten Jahren bildete sich eine weitere Gegenbewegung aus den Hochschulen heraus. Diese erfährt nicht nur von Washington große Unterstützung, sondern auch von einigen europäischen Stiftungen, besonders aus Spanien. Diese Schüler- und Jugendgruppen haben versucht, ein "frisches" Bild von den traditionellen politischen Parteien zu vermitteln, die während der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts weitgehend von den Regierungsgeschäften ausgeschlossen wurden. Schließlich werden diese meist als korrupt und elitär angesehen.

Aber durch den Empfang von vielen ausländischen Finanzmitteln sowie der Hilfe für die Anti-Chávez-Kampagne zeigten die Schüler- und Jugendgruppen, dass ihre Prioritäten auch von externen Kräften unterstützt werden. Allerdings ging durch Vorwürfe, sie seien Agenten der US-Regierung, auch ein Teil der Glaubwürdigkeit verloren.

Der Hauptgeber: USA

US-Behörden sind diewichtigsten Geber. Die jährliche Unterstützung beläuft sich auf etwa sechs Millionen US-Dollar. Laut dem Bericht von FRIDE zielen diese Multi-Millionen-Dollar-Beihilfen darauf ab, die Chávez-Präsidentschaft zu untergraben. Zu den Organisationen, die von den USA aus aktiv sind, zählen Development Alternatives, Inc DAI (seit 2002), die Pan-American Development Foundation PADF (seit 2005), das International Republican Institute IRI (seit 2002), das National Democratic Institute NDI (seit 2002), Freedom House (seit 2004), USAID (seit 2002), NED und dem Open Society Institute (seit 2006).

Dokumente und Anträge, die unter dem US-amerikanischen Informationsfreiheitsgesetz (FOIA) freigegeben wurden, zeigen die Tätigkeiten dieser Agenturen in Venezuela. Daraus lässt sich ein schockierender Einblick in die tatsächliche Förderung der USA gewinnen, denn die Multi-Millionen-Dollar-Finanzierung der USA wird zu einem großen Anteil für antidemokratische Aktivitäten investiert. Als Beispiel dient der Staatsstreich gegen die Chávez-Regierung im April 2002. Ebenso lassen sich die anschließenden Streiks, Sabotagen sowie Versuche, ein wirtschaftliches Ungleichgewicht herzustellen, erwähnen. Allerdings wurden die Förderungen auch für die Wahlkämpfe der Oppositionsparteien während der letzten acht Jahre ausgegeben. Zudem flossen Sachleistungen, Parteien und Wahlen wurden unterstützt, Konzepte zu Kommunikationsstrategien wurden ermöglicht sowie politische Plattformen und Tagesordnungen für oppositionelle Gruppen entwickelt. Eine solche Unterstützung geht allerdings weit über Spenden hinaus. Deshalb wird der USA nun eine direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas vorgeworfen.

Die andere Quelle für finanzielle Hilfen: Europa

Nicht nur die Millionen der US-Einrichtungen schüren den politischen Konflikt in Venezuela immer mehr an. Der FRIDE-Bericht zeigt, dass auch die Europäische Kommission jedes Jahr sechs bis sieben Millionen US-Dollar für Oppositionsparteien und Nichtregierungsorganisationen in dem südamerikanischen Land zur Verfügung stellt. Der größte Teil dieser Summe fließt in Organisationen der Zivilgesellschaft sowie in Organisationen, die sich vorgeblich für Menschenrechte einsetzen.

Außerdem zeigt der FRIDE-Bericht die EU als einen Kanal für die US-Finanzierung von Gruppen in Venezuela. So soll vermieden werden, dass Washington bei dieser Finanzierung Venezuelas allein da steht. Mehrere deutsche Stiftungen, darunter die Konrad Adenauer Stiftung (KAS) und die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), beteiligen sich direkt an der Finanzierung der politischen Parteien in Venezuela. Die KAS investiert rund 500.000 Euro jährlich in Projekte mit den rechten Parteien wie COPEI und Primero Justicia. Zusätzlich unterstützt die Konrad-Adenauer-Stiftung jährlich mit 70.000 Euro Programme der konservativen Katholischen Universität „Andrés Bello“ (UCAB), einer Hochburg der oppositionellen Studentengruppen.

Die Regierungen von Kanada und Spanien gelten ebenfalls als Finanzier politischer Oppositionsgruppen und -programme in Venezuela, allerdings mit einer viel niedrigeren Beteiligung, so dass keine diplomatischen Beziehungen beeinträchtigt werden.

Laut dem FRIDE-Bericht sind eine Mehrheit der Nichtregierungsorganisationen, die eine Multi-Millionen-Dollar-Finanzierung erhalten, im Grunde virtuelle Organisationen ohne Mitarbeiter oder Büros. Somit umgehen oder verletzen die internationalen Geldgeber also sogar die venezolanischen Gesetze. Um die Kapitalflucht zu verhindern, existieren in Venezuela etwa Beschränkungen für den Fluss ausländischer Währungen in und aus dem Land. Der Staat setzte auch einen festen Zinssatz für die venezolanische Währung fest – nun wird aber eine Zunahme des illegalen Handels regelrecht provoziert. Der FRIDE-Bericht bestätigt, dass mehrere internationale Organisationen, insbesondere diejenigen aus den USA, ihre Währungen auf dem Schwarzmarkt tauschen und das venezolanische Recht damit ganz klar verletzen. Für die Organisationen der Zivilgesellschaft ist ein weiteres Problem die doppelte Währung: Auch nach der Abwertung des Bolívar ist der inoffizielle Wechselkurs höher als der offizielle. Einige Geber lösten dieses Problem, indem sie in harter Währung bezahlten. So spendeten sie die finanziellen Mittel entweder mit ausländischen Bankkonten oder wendeten einen semi-offiziellen Wechselkurs an.

Der FRIDE-Bericht über die Verhältnisse um und in Venezuela ist Teil einer Reihe von Studien in 14 Ländern, in denen internationale Organisationen aktiv an der Finanzierung politischer Gruppen zu Gunsten der US-Politik beteiligt sind. Neben Venezuela, wurden andere Fallstudien in Belarus, China, Georgien, Ägypten, Ukraine, Nigeria, Bosnien, Ghana, Indonesien, Kenia, Marokko, Jemen und der Demokratischen Republik Kongo durchgeführt. Geheimnisvoll ist das kürzliche Verschwinden des Berichts sowie der Beweise für seine Existenz von der FRIDE-Website. Der Text wurde von der Seite genommen, nachdem ein Autor in die spanische Sprache übersetzte. Dennoch sind weitere Quellen existent, wie http://centrodealerta.org/documentos_desclasificados/fride_report_on_funding_in_.pdf


Eva Golinger, Trägerin des Mexiko 2009 International Journalism Award arbeitet als Rechtsanwältin und Autorin in Mexiko. Ihr erstes Buch, Chávez-Code, das die US-Beteiligung am Putsch 2002 in Venezuela aufdeckt, wurde in sechs Sprachen übersetzt und wird derzeit in einem Spielfilm abgehandelt.