Fossile Brennstoffe nicht fördern

Interview mit Dr. Carlos Larrea zur Yasuní-ITT-Initiative von Februar 2011

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Yasuni Nationalpark
Yasuni Nationalpark

Das folgende Interview führte Marco Rieckmann am 10. Februar 2011 in Quito. Amerika21.de dokumentiert das Gespräch als Hintergrund zum Scheitern der Verhandlungen über eine weitere Unterstützung durch Deutschland.


Könntest du mir bitte zuerst erklären, welche Rolle du in der Yasuní-ITT-Initiative spielst?

Carlos Larrea: Zurzeit bin ich der technische Direktor der Yasuní-ITT-Initiative, und ich bin an der Initiative schon seit ihrer Konzeption beteiligt, seitdem im Frühjahr 2007 begonnen wurde, sie zu formulieren. Ich habe die Initiative in verschiedenen Bereichen unterstützt: vor allem bei der Gestaltung ihrer finanziellen und konzeptionellen Struktur. Ich war aktiv an den Vorüberlegungen zur Definition der Initiative beteiligt und habe für die Formulierung und Unterstützung der Initiative eng mit den Organisationen der Zivilgesellschaft zusammengearbeitet. In manchen Fällen war ich auch für den Staat an internationalen Verhandlungen und der Förderung der Initiative beteiligt.

Wenn wir über das Projekt selbst reden: Wie ist die aktuelle Situation der Yasuní-ITT-Initiative?

Carlos Larrea: Erstens war die Unterzeichnung der Treuhänderischen Übereignung mit den Vereinten Nationen eine sehr positive Wendung in der Entwicklung der Initiative. Der Vorschlag wurde von der ecuadorianischen Regierung vorangetrieben. Seit 2008 zählen wir auf eine sehr wichtige Unterstützung des deutschen Bundestages. Danach bekamen wir einen Finanzierungsvorschlag von der deutschen Regierung, der die Notwendigkeit vorsieht, ein internationales Abkommen zu gründen. Dieses Abkommen soll den Fonds verwalten, um die Hilfe konkretisieren zu können. Das haben wir schon im August 2010 erreicht, vor ungefähr sechs Monaten.

Dieses Abkommen ist eine Vereinbarung mit den Vereinten Nationen bzw. mit UNDP, dem Programm der Vereinten Nationen für Entwicklung, in der Ecuador sich für eine unbegrenzte Zeit verpflichtet, die Ölreserven aus dem ITT-Feld innerhalb des Nationalparks Yasuní nicht zu fördern, wenn es gelingt bis Dezember 2011 einen Fonds einzurichten, der einen Wert von mindestens 100 Millionen US-Dollar hat. Außerdem soll der Fonds in 13 Jahren mindestens die Hälfte des Betrags erreichen, den Ecuador durch die Ölförderung einnehmen würde. Dies wären nach Schätzungen ca. 3.600 Millionen US Dollar. Dies ist die Idee dieses Projekts. Die UNO gibt die Garantie, dass der Fonds ausschließlich für die Ziele des Projekts verwendet wird.

Die Ziele sind die Förderung sauberer und erneuerbarer Energien in Ecuador: Wasserkraft, Solarenergie, Windkraft und Erdwärme. Es ist ein Prozess, um die Abholzung zu stoppen und das gesamte Nationalparksystem zu erhalten. Ungefähr 40 Prozent der ecuadorianischen Gebiete sind unberührte Systeme und Urwald. Die Idee ist, dass der Fonds eine wirksame Erhaltung dieses Gebietes ermöglicht. An dritter Stelle steht das Programm zur Wiederaufforstung der degradierten Gebiete, insbesondere die von kleinen Produzenten. Das letzte Ziel ist eine soziale Entwicklung in den betroffenen Sektoren mit einer langfristigen Schaffung neuer Arbeitsplätze, außerdem die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Technologien. Diese sind die Ziele, und es ist die Aufgabe der Vereinten Nationen, dafür zu sorgen, dass die Mittel auf effiziente und transparente Weise eingesetzt werden.

Später haben wir die Unterstützung weiterer Länder bekommen. Wir haben von Chile eine kleine, aber symbolische finanzielle Hilfe bekommen. Zum ersten Mal haben wir auch von Spanien eine finanzielle Unterstützung von 1 Million Euro. Spanien hat sich verpflichtet, dass diese Hilfe nur der erste Teil einer jährlichen Unterstützung ist, die aber noch definiert werden muss. Auch haben wir mit Italien einen Schuldenerlass (Debt Swaps) in der Höhe von 35 Millionen US-Dollar, der sich in der letzten Phase der Bearbeitung befindet. Der Rahmen dieses Schuldenerlasses wurde aber schon von der italienischen Regierung definiert.

Wir haben auch eine wichtige Zusammenarbeit mit der französisch sprechenden Region in Belgien. Diese regionale Regierung hat in diesem Sinne ihren Beitrag geleistet. Wir haben auch viele Beiträge von der Zivilgesellschaft, wie zum Beispiel von der internationalen Institution AVINA, die ein Bündnis von Unternehmer/innen ist, die sich für die Umwelt engagieren. Es gibt auch weitere Beiträge, aber dies sind die Beiträge, die wir auf jeden Fall schon haben. Wir haben große Hoffnung, dass Deutschland die Förderung für das Projekt bestätigt. Leider hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Niebel zunächst gesagt, dass einige Punkte der Initiative noch nicht klar sind. Darum kann Deutschland die Förderung für die Initiative noch nicht versprechen. Unsere Ministerin für Kulturerbe hat Minister Niebel einen ausführlichen Brief übergeben, in der alle Erklärungen, die von der deutschen Regierung gefordert wurden, gegeben werden.

Der Minister antwortete im November, dass er generell mit den Ergebnissen zufrieden sei, aber noch zwei Punkte zu klären seien: zum einen in Bezug auf die Partizipation der Zivilgesellschaft und zum anderen bezüglich des Unterschieds zwischen diesem Projekt und dem REDD-Mechanismus. Aber die deutsche Regierung sympathisiert mit diesem Projekt und sucht nach weiteren Unterstützungsmöglichkeiten. Wir haben an Minister Niebel einen neuen Brief geschrieben und warten auf eine Antwort. Auf jeden Fall haben wir die Möglichkeit gehabt, den deutschen Bundestag im September zu besuchen. Wir waren sehr zufrieden, als wir erfuhren, dass die fünf Parteien, die im Parlament vertreten sind, das Projekt weiterhin unterstützen.

Also wir hoffen, dass die Probleme irgendwie überwunden werden können. Wie Sie wissen, wurde dieses Thema oft im Bundestag diskutiert. Die deutsche Unterstützung war und wird absolut wesentlich für die Erlangung der internationalen Hilfe sein. Wir sprechen hier von einer Unterstützung von ungefähr 50 Millionen Euro pro Jahr für einen Zeitraum von 13 Jahren. In diesem Sinne glaube ich, dass die Position, die Deutschland zu dem Projekt haben wird, von substanzieller Bedeutung sein kann. Außerdem sollte man auch verstehen, dass der Grund, warum die Initiative so viel internationale Unterstützung bekommen hat, ihr innovativer Charakter ist. Wir glauben, dass die Folgen des Klimawandels wirklich immer stärker sind, und es ist notwendig, neue Mechanismen zu finden.

Vor allem in einem Kontext, wo die Nach-Kyoto-Verhandlungen, Cancún und Kopenhagen im letzten Jahr, stagniert haben. Insofern, wenn die Welt diese neuen Mechanismen in diesem Moment nicht sucht, dann konfrontieren wir uns mit einer sehr gravierenden nicht-nachhaltigen Thematik für unseren Planeten. Ecuador ist das einzige Land auf der Welt, das einen konkreten Vorschlag gemacht hat, mit dem es sich verpflichtet, 20  Prozent seiner Ölreserven nicht zu fördern. So werden 400 Millionen Tonnen CO2 gespart. Dieser Wert repräsentiert mehr als den jährlichen CO2-Ausstoß von Frankreich oder Brasilien. So finde ich, dass die Initiative ein großer Beitrag von einem kleinen Land ist, der den Weg für andere Länder öffnen kann, um ähnliche Mechanismen zu finden, fossile Brennstoffe nicht zu fördern.

Aber es gibt ein paar Voraussetzungen für diese Länder: Es sollten Entwicklungsländer sein, die eine sehr hohe biologische Vielfalt haben. In diesem Sinne ist die ecuadorianische Stellung ganz anders als die von Saudi Arabien. Zum Beispiel hat Saudi Arabien einmal um eine Kompensation gebeten, weil klimatische Änderungen die Ölpreise betroffen haben, aber darum geht es nicht. Es gibt wenige Länder, wo diese Initiative auch umgesetzt werden könnte – zum Beispiel Länder am Amazonas wie Brasilien, Kolumbien, Peru oder Bolivien, die seitens ihrer Regierungen und der Zivilgesellschaft eine große Sympathie für die Initiative bekundet haben. Die Presse, die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft aus Deutschland haben sich immer sehr offen und sehr positiv zu der Initiative geäußert.

Ja, und in Deutschland gab es auch das Gerücht, dass das ganze Projekt gebremst werden könnte, als die deutsche Regierung ihre Meinung geändert hat. Aber jetzt sieht es so aus, dass sich die ganze Situation schon ein bisschen gebessert hat.

Carlos Larrea: Wir sind sehr bemüht, dass sowohl Deutschland, als auch andere Länder, die ein großes Unterstützungspotential sind, uns irgendwie weiter unterstützen können. Natürlich weil Deutschland das Land mit der größten Wirtschaft Europas ist und außerdem führend im Bereich von Umweltbewusstsein und Umweltpolitik ist, glaube ich, dass – außerdem mit der politischen Unterstützung, die die Initiative nicht nur von den ihr nahe stehenden Parteien wie der Grünen Partei bekommt, sondern auch von fast dem gesamten deutschen politischen Spektrum, und wir haben wirklich große Hoffnung, dass die entstandenen Probleme gelöst werden können und dadurch ermöglicht wird, die Konkretisierung und damit auch die Ziele der Initiative zu erreichen.

Was werden die nächsten Schritte sein? Sicherlich mehr Unterstützung aus verschieden Ländern zu suchen, aber wie wird die Initiative genau umgesetzt werden?

Carlo Larrea: An erster Stelle werden wir weiter die bilateralen Verhandlungen mit den Regierungen befreundeter Länder fortsetzen. Wir versuchen Unterstützung von der norwegischen Regierung für das spezielle Ziel der Verminderung der Entwaldung zu bekommen. Norwegen ist ein Land, das manche lateinamerikanischen Länder sehr stark unterstützt hat. Im Fall von Brasilien wurde ein Projekt von 1.000 Millionen US-Dollar finanziert, um die Abholzung des Amazonas zu stoppen. Im Falle Guyanas, einem Land, das viel kleiner als Ecuador ist, waren es 200 Millionen Dollar, um ähnliche Ziele zu erreichen. Ähnliche Unterstützungen gibt es auch für Indonesien und Mexiko. Wenn wir berücksichtigen, dass Ecuador eine sehr stabile Umweltpolitik hat, dass zum ersten Mal in seiner Verfassung die Rechte der Natur anerkannt werden und dass es ein Programm für die Verminderung der Entwaldung – Socio Bosque – gibt, das nur aus nationalen Mitteln finanziert wird, ist Ecuador wahrscheinlich das ideale Land, damit dieses norwegische Programm zur Unterstützung der Verhinderung der Abholzung hier umgesetzt wird.

Wenn wir die norwegische und die deutsche Unterstützung bekommen würden, wären wir natürlich in einer viel besseren Situation. So könnten wir weitere Unterstützungen von anderen europäischen Ländern bekommen. In Frankreich wurde vor nicht langer Zeit eine starke politische Unterstützung von der Regierung bekräftigt. Wir haben noch kein finanzielles Angebot, aber wir glauben, dass Frankreich eines der Länder sein könnte, das die Initiative unterstützen kann.

Wir müssen auch andere Alternativen erkunden, wie die Unterstützung von der Zivilgesellschaft oder die Unterstützung regionaler Regierungen. Ich finde, dass der Fall mit Wallonien ein interessantes Beispiel ist. Ich glaube, dass auch in Deutschland mehrere Bundesländer die Initiative unterstützen könnten, so wie die Region Wallonien. Wir könnten sagen, dass es mit Spanien ähnlich ist. Katalonien, eine subnationale Regierung zeigt zum Beispiel Interesse an der Initiative. Das gleiche erwarten wir im Fall der Vereinigten Staaten, mit Kalifornien zum Beispiel, das ein Staat ist, der innerhalb der nordamerikanischen Politik, die im allgemeinen sehr konservativ in Bezug auf den Klimawandel ist, eine sehr konsistente Politik sowohl bei der Gesetzgebung als auch bei Umweltschutzaktivitäten gezeigt hat.

Dies sind einige der Bereiche, in denen wir sehr interessiert sind, weiter zu kommen. Ich glaube, dass dieses Jahr ein sehr wichtiges Jahr ist, in dem die Durchführbarkeit der Initiative definiert wird. Insofern ist jeder Beitrag in diesem Sinne strategisch und ist jetzt strategisch.

Sobald es also genug Unterstützung gibt, wäre dann der nächste Schritt, Projekte mit den Mitteln umzusetzen?

Carlos Larrea: So ist es. Ich glaube, das ist die nächste Phase. Aber in diesem Moment ist für die Initiative ihre Konsolidierung grundlegend. Deswegen ist also die Unterstützung jeder Art, nicht nur auf staatlicher Ebene, aus Deutschland so wichtig, damit die Initiative konkretisiert werden kann.

Versteht ihr diese Initiative auch als ein Modell, dem andere Länder folgen sollten?

Carlo Larrea: Ja, genau das ist die Idee. Wir denken, dass für Länder mit einer sehr hohen biologischen Vielfalt, von denen es, glaube ich, gemäß der Klassifikation der UNEP, dem Umwelt-Programm der UNO, 13 oder 17 Länder gibt, Entwicklungsländer und Länder in der tropischen Zone, aber auch Länder, die nicht in den Tropen, also zwischen den Wendekreisen liegen, wo es die größte biologische Vielfalt gibt, und die außerdem natürlich Vorkommen von fossilen Brennstoffen haben, diese Initiative auch anwendbar ist. Ich glaube zum Beispiel, dass Bolivien ein Land ist, das Interesse an der Initiative gezeigt hat. Guatemala hat ein ähnliches Projekt, das, soweit ich es verstehe, sogar in einigen Kommissionen des deutschen Bundestags diskutiert wurde. Der deutsche Bundestag wäre interessiert, dass Guatemala ein ähnliches Projekt wie unseres formuliert. Es gibt auch andere Länder wie Papua, Indonesien oder Brasilien, wo es möglich wäre, diese Initiative zu wiederholen. Wo könnte diese Initiative nicht nachgemacht werden? Zum Beispiel in Saudi Arabien. Warum? Weil sie zum Beispiel das Öl in der Wüste fördern, genau wie im Jemen oder anderen Ländern aus dem Nahen Osten. Natürlich sind die Effekte auf die Biodiversität dort nicht Null, aber auf jeden Fall viel geringer als in tropischen Zonen.

Was wir wollen, ist, dass wenn weltweit einige Reserven fossiler Brennstoffe nicht angetastet werden sollen, um den Klimawandel auf 2 Grad Celsius zu begrenzen – was wissenschaftlich gezeigt wurde, dass wenn alle Vorräte fossiler Brennstoffe in diesem Jahrhundert verbrannt werden, wird das 2 Grad-Ziel nicht zu erreichen sein. Also, wenn wir einen Teil der Vorräte unter der Erde lassen, dann wäre es logisch, in den Gebieten fossile Brennstoffe nicht zu fördern, wo die Umweltauswirkungen der Förderung am stärksten sind. Und natürlich sind die tropischen Wälder von großer Bedeutung wegen ihrer Biodiversität und wie im Fall Ecuadors auch als Kohlenstoffsenke. Es gibt auch kulturelle Effekte: Wenn wir das Öl fördern, werden wir zwei noch isolierte indigene Völker verlieren, die es im Land gibt. Aus all diesen Gründen sind die Unterstützung der Initiative und auch die spätere Wiederholung in anderen Gebieten sehr wichtig.

Vielen Dank.