Venezuela / Politik

Vor großen Aufgaben

Nach dem Tod von Hugo Chávez steht die venezolanische Linke vor der Herausforderung, den Transformationsprozess ohne seine Integrationskraft fortzusetzen

chavez_1.jpg

Wandbild mit Chávez
Erinnerung an Hugo Chávez in einem Wandbild: "Der Tod kann dir nichts anhaben, du stehst über der Zeit"

Die Erfolge der "bolivarischen Revolution" in Venezuela sind ohne Zweifel kein alleiniges Verdienst von Hugo Chávez. Dennoch ist eine seiner wichtigsten Leistungen, diesen Veränderungsprozess maßgeblich mit initiiert, ihn geführt und mitgestaltet zu haben. Wenn Chávez eine Fähigkeit hatte, dann war es die, zu integrieren. Es gibt wenige historische Beispiele, bei denen eine Person es vermochte, ein solch heterogenes politisches Lager derart zu einen. Ohne die Klammer, die seine Person darstellte, wäre der bolivarische Prozess wohl früh gescheitert.

Repräsentant der Armen

Die Verbindung des linken Ex-Militärs mit der ehemals ausgeschlossenen Bevölkerung war vermutlich das wichtigste Element des Phänomens Chávez. Seit er 1992 die Verantwortung für den gescheiterten zivil-militärischen Aufstand gegen die Regierung von Carlos Andrés Pérez übernahm, wuchs das Bild des bis dahin unbekannten Offiziers zum Repräsentanten der Armen heran, die in Chávez zurecht "einen von ihnen" sahen. In demselben Maße realisierten die Eliten des südamerikanischen Landes spätestens in den Jahren nach seinem Regierungsantritt 1999, dass der Sohn eines Dorfschullehrers Ernst machte und sich nicht ohne weiteres korrumpieren und integrieren ließ. Nach seiner Wahl 1998 löste er das Versprechen ein, das Land durch eine verfassunggebende Versammlung neu zu gründen. Es waren insbesondere Taten wie diese, die dem Präsidenten die Glaubwürdigkeit verschafften, die den traditionellen Eliten Venezuelas im Zuge der wirtschaftlichen Krise der 1980er und der politischen Krise der 1990er Jahre zunehmend abhanden kam. Während sich die Regierungen in dieser Zeit durch neoliberale Maßnahmen und Korruptionsskandale hervortaten, gaben Chávez und seine "Bewegung Fünfte Republik" (MVR) Millionen Menschen eine Stimme. Durch ihn fühlten sie sich repräsentiert und erlangten auf diesem Weg ein Stück Würde und viel Selbstbewusstsein zurück.

Es gibt jedoch auch viele handfeste und spürbare Veränderungen, die ihren Teil zu den vielen Wahlsiegen der zurückliegenden 14 Jahre beigetragen haben. Um nur einige Beispiele zu nennen: Venezuela entwickelte sich von einem der Länder mit der größten Ungleichheit des Kontinents zur Gesellschaft mit der gleichmäßigsten Einkommensverteilung in Lateinamerika. Die Armut wurde halbiert und die extreme Armut schrumpfte auf ein Drittel, während Millionen junger Menschen in das vormals äußerst selektive Bildungssystem integriert wurden. Auf politischer Ebene kam es zu einen Demokratisierungsschub, der sich vor allem in der Einführung vieler direktdemokratischer Elemente und verschiedenen Formen der Partizipation ausdrückt. So sind heute alle gewählten Ämter abwählbar und Referenden ermöglichen der Bevölkerung mehr direkte Mitbestimmung. Hervorzuheben ist die Existenz von etwa 40.000 basisdemokratisch funktionierenden Kommunalen Räten. In den so genannten Consejos Comunales organisieren sich die Bewohnerinnen und Bewohner, um über die Entwicklung ihres direkten Lebensumfeldes zu beraten und Projekte zu entwickeln, die dann vom Staat finanziert werden. Als nächster Schritt sollen sich diese Räte in "Kommunen" (Comunas) gruppieren, um das Wirkungsfeld der per Gesetz basisdemokratisch funktionierenden Organisationen auszuweiten. Das hehre, im Wahlprogramm des Präsidenten festgeschriebene Ziel, bis 2019 im ganzen Land 3.000 solcher Kommunen zu errichten, ist jedoch noch in weiter Ferne.

Bruch neoliberaler Hegemonie

Die Umverteilungspolitik und die Neudefinition des Staates bedeuteten einen radikalen Bruch der neoliberalen Hegemonie, die das Land zwei Jahrzehnte geprägt hatte. Während die Vorgängerregierungen den Reichtum Venezuelas im Wesentlichen an eine relativ kleine Mittel- und Oberschicht verteilten, hat die Regierung Chávez grundlegend andere Prioritäten gesetzt. Durch eine aktive Politik in der OPEC trug sie dazu bei, die Erdölpreise von unter zehn US-Dollar im Jahr 1998 auf heute relativ stabile 100 US-Dollar pro Barrel zu steigern. Die massiven Einnahmen, die dieser Preisanstieg in die Kassen des Staates spülte, nutzte die Regierung für ihre Sozialpolitik.

Bis heute hat sich diese Entwicklung fortgesetzt, was sich unter anderem darin zeigt, dass mit neoliberaler Politik in Venezuela kein Besenstiel zu gewinnen ist: Selbst die rechte Opposition sieht sich heute gezwungen, den Sozialstaat zu verteidigen. Ein Wahlkampf gegen die zentrale Rolle des Staates als Garant sozialer Gerechtigkeit scheint heute unmöglich, wie sich auch im aktuellen Wahlkampf zeigt.

Die sozialpolitischen Erfolge basieren im Wesentlichen auf den Missionen genannten Sozialprogrammen, die als eine Art Bypass zu bestehenden Institutionen aufgebaut wurden. Sie waren vor allem ab 2003 häufig durch die Einbeziehung der organisierten Bevölkerung in den Armenvierteln entstanden. Sie waren zwar imstande, die dringendsten Probleme vor allem der armen Bevölkerung zu lösen. Dennoch zeigen sich immer wieder die Grenzen des Transformationsprojektes und strukturelle Veränderungen blieben in den meisten Fällen aus. Trotz vieler Reformen und Versuche ist beispielsweise das alte exklusive Gesundheitssystem genauso intakt, wie das Bildungssystem – mit der Veränderung, dass der Staat nun dazu parallele, jedoch teilweise qualitativ minderwertige Strukturen bietet.

Kontinuität

In Anlehnung an Antonio Gramsci beschrieb Hugo Chávez die Situation in Venezuela häufig als einen Zustand, in dem "das Alte nicht aufhört zu sterben und das Neue nicht aufhört, geboren zu werden". Tatsächlich ist dieser Widerspruch zwischen dem "sterbenden" alten Staat und dem Aufbau eines neuen institutionellen Gefüges, eines der wesentlichen Charakteristika des heutigen Venezuela. Trotz des Anspruchs, die Gesellschaft von Grund auf umzukrempeln, ist der Staat der Vierten Republik (1958-1998) noch "lebendig" und Venezuela ein weitgehend "normales" kapitalistisches Land. Obwohl die Regierung zahlreiche Unternehmen verstaatlicht hat, ist der Anteil des öffentlichen Sektors an der Wirtschaftsleistung leicht zurückgegangen und alternative Wirtschaftsformen bleiben marginal. Auch an der Abhängigkeit vom Erdölexport und dem Import von Konsumgütern hat sich trotz des häufig deklarierten Willens, das rentistische1 Wirtschaftssystem zu Überwinden, wenig verändert. Zwar hat es viele und wichtige arbeitsrechtliche Verbesserungen und sozialstaatliche Initiativen gegeben. Strukturell sind die Veränderungen jedoch gering.

Ähnliches gilt für die Form der Organisation des Staatsapparates. Trotz aller Ankündigungen und Bemühungen, Korruption, Klientelstrukturen und übermäßige Bürokratisierung zurückzudrängen, haben sich staatliche Verwaltung, Ministerialbürokratie und Justiz in dieser Hinsicht wenig verändert. Die Kontinuität der Praktiken, die an der Vierten Republik zurecht gegeißelt werden, ist in vielen Bereichen unverkennbar. Auch in der PSUV lässt sich eine vergleichbare Entwicklung feststellen. Die Partei war 2007 mit dem Anspruch gegründet worden, die "einzige wirklich demokratische Partei Venezuelas" zu sein. Tatsächlich wurden zunächst interne Prozesse demokratisch gestaltet, von dieser Praxis ist aber inzwischen wenig übrig geblieben. Und obwohl die PSUV nach eigenen Angaben über sieben Millionen Mitglieder hat – dies entspricht fast einem Viertel der venezolanischen Bevölkerung – existieren bis heute kaum lokale Strukturen, die kontinuierlich arbeiten und in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Stattdessen werden Posten in der Partei und Kandidaturen weitgehend intransparent von oben bestimmt und die Basis im Wesentlichen zur Wahlmobilisierung aktiviert.

Venezuela ohne Chávez

Durch den Tod von Hugo Chávez steht die venezolanische Linke nun vor der enormen Herausforderung, das Erreichte zu sichern und den begonnenen Transformationsprozess weiterzuführen, ohne auf die Integrationskraft des ehemaligen Präsidenten zählen zu können. Kurzfristig bedeutet dies, dass eine weitere Wahl bevorsteht. Zum ersten Mal seit 1998 wird sich bei den Präsidentschaftswahlen am 14. April mit Nicolás Maduro ein Kandidat mit der Opposition messen, der nicht Hugo Chávez heißt. Kurz vor der Abreise zu seiner letzten Operation in Kuba Anfang Dezember hatte der Präsident klar gemacht, dass er den ehemaligen Außenminister als seinen Nachfolger favorisierte.

Diese Aussage hat mit dafür gesorgt, dass das chavistische Lager in den vergangenen Monaten in eiserner Einigkeit aufgetreten ist. Während die oppositionellen Medien eine Spaltung zwischen verschiedenen Strömungen des Chavismus herbei zu schreiben versuchten, war bei den Unterstützern des bolivarischen Prozesses keinerlei Zweifel an der Unterstützung Maduros zu hören. Hinzu kommt, dass die Opposition durch zwei deutlich verlorene Wahlen demoralisiert ist. Im Oktober unterlag ihr Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen2 und im Dezember verlor sie bei den Regionalwahlen deutlich3. Der Ausgang der Wahlen scheint deshalb, sollten sie ohne Zwischenfälle ablaufen, relativ klar auf einen Wahlsieg des Chávez-Nachfolgers hinaus zu laufen. Umfragen bescheinigen Maduro derzeit einen Vorsprung von 15 bis 20 Prozentpunkten.4

Innerhalb des Chavismus existiert eine Vielzahl von - in der Regel nicht formalisierten - "Strömungen" und Partikularinteressen. Angesichts der unzweideutigen Entscheidung von Hugo Chávez für Nicolás Maduro wird es sich in absehbarer Zeit niemand aus dem chavistischen Lager leisten können, diese Entscheidung in Frage zu stellen und eigene Führungsansprüche anzumelden. Unter der Oberfläche bleiben aber natürlich die teilweise großen Differenzen bestehen.

Vom Busfahrer zum Präsidenten: Nicolás Maduro

Nicolás Maduro hat eine lange Geschichte innerhalb der Linken Venezuelas. Der ehemalige Busfahrer und Gewerkschafter bei der Metro von Caracas war schon seit den 1970er Jahren politisch aktiv und Mitglied der maoistischen Liga Socialista. In den 1990er Jahren kam er mit der MVR von Hugo Chávez zusammen, die als Massenpartei aus der konspirativ vor allem im Militär agierenden "Revolutionären Bolivarischen Bewegung" (MBR-200) hervorgegangen war. Nach dem Wahlsieg Chávez' 1998 wurde Maduro zwei Mal als Abgeordneter in die Nationalversammlung gewählt, bis er 2006 Außenminister wurde. In dieser Position blieb er einer der wenigen Minister der Chávez-Regierung, die über viele Jahre dieselbe Funktion ausübten. Ende vergangenen Jahres ernannte ihn Chávez zum Vizepräsidenten und bereitete damit die Entscheidung vor, ihn als seinen Nachfolger zu etablieren.

Den heute 50-jährigen Maduro politisch einzuordnen fällt unterdessen nicht leicht. Von seiner Rhetorik her lag er stets voll auf der Linie des Präsidenten und ließ in der Regel wenig eigene Profilierung erkennen, auch wenn er vor allem bei der regionalen Integration der Staaten Lateinamerikas einen großen Beitrag geleistet haben dürfte. Dies hat dazu geführt, dass er eher "blass" erscheint und vor allem im Schatten von Hugo Chávez gesehen wird. Aus diesem heraus zu treten wird sicher eine schwere Aufgabe für den eher uncharismatischen aber durchaus redegewandten Mann sein. Seine Auftritte seit dem Tod seines Vorgängers lassen vor allem den Versuch erkennen, die Einheit des chavistischen Lagers zu bewahren.

Chavistischer als Chávez: Diosdado Cabello

Die größte Gefahr einer Spaltung dürfte hingegen von dessen Verhältnis zu Diosdado Cabello ausgehen. Der ehemalige Militär, Unternehmer und Chávez-Treue gilt als einer der mächtigsten Politiker innerhalb des Chavismus. Organisationen an der Basis sehen in ihm oft den Inbegriff der so genannten "Boli-Bourgeoisie", jener Gruppe von Chavisten, die im vergangenen Jahrzehnt zu Macht und Reichtum gelangt sind und denen Korruption, Machtmissbrauch und Opportunismus nachgesagt wird. Cabello, der bis 2008 Gouverneur des Bundesstaates Miranda war und schon zahlreiche Ministerposten innehatte, ist aktuell Präsident der Nationalversammlung und Vize-Vorsitzender der sozialistischen Partei PSUV. Innerhalb der Partei hat er schon länger großen Einfluss gehabt, der sich nach dem Tod Chávez', der Vorsitzender der PSUV war, noch vergrößern dürfte.

Auch wenn er im Moment nach außen hin hundertprozentige Einigkeit mit Maduro demonstriert, dürfte die Situation nach Innen wesentlich komplexer und angespannter sein. Allerdings weiß auch Cabello, dass weder sein Flügel noch der andere Teil des Chavismus allein an den Wahlurnen überleben könnten. Insofern ist das Verhältnis dieser beiden Blöcke von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt, die wohl kurzfristig nicht aufbrechen wird. An der strategischen Frage, in welche Richtung sich der Prozess entwickeln soll, können sich aber durchaus Spaltungen auftun. Auch wenn Cabello diskursiv "chavistischer als Chávez" auftritt und insofern auch zum Hassobjekt der Rechten wurde, ist ihm wesentlich eher als Maduro zuzutrauen, im Zweifel zu weiteren Kompromissen mit den alten Eliten bereit zu sein.

Bewegungsnaher Soziologe: Elías Jaua

Neben Maduro und Cabello war im zurückliegenden Jahr noch ein weiterer Politiker Gegenstand von Spekulationen über eine mögliche Nachfolge des Präsidenten: Elías Jaua. Der 43-jährige Soziologe war ebenfalls lange Jahre Mitglied der Regierung Chávez, unter anderem als Landwirtschaftsminister und als Vizepräsident. Er gilt als eher bewegungsnaher Vertreter des Chavismus, der in seinen Ämtern dazu beigetragen hat, der Basis Räume zu eröffnen, um ihre Interessen gegenüber der Regierung zu artikulieren. In Umfragen lange vor der Entscheidung von Chávez, sich für Maduro auszusprechen, hatte er sich durchaus gegenüber den anderen beiden behaupten können.

Allerdings dürfte Maduro ihm eine bessere Verankerung im institutionellen Gefüge Venezuelas voraus haben. Denn, auch wenn der Basis die Bewegungsnähe zurecht als wichtiges Kriterium gilt: Um eine Regierung zu führen und im komplizierten Machtgeflecht von Partei und Staat zu bestehen, bedarf es vor allem auch Erfahrung, Netzwerken und Akzeptanz beispielsweise im Militär. Es ist durchaus zu erwarten, dass sich der Diplomatie-erfahrene Maduro hier besser durchsetzen kann.

Kritiker auf der Linken, die Chávez häufig fehlenden Willen vorgeworfen haben, und auf der Rechten, die Chávez unbegrenzte Macht unterstellten, haben sich interessanterweise oft in einer falschen Analyse getroffen: Dass Chávez alles kontrollierte. Er war die mächtigste Person in Staat und Partei und hatte große Gestaltungsmöglichkeiten. Doch auch er war eingebunden in ein Machtgeflecht, in dem es gilt, verschiedenste Interessen zumindest so weit zu befriedigen, dass sie nicht gegen die eigenen Ziele stehen. In diesem Sinn war auch Chávez ein, wenn auch geschickter, Kompromissler: Zwischen Militärs und Zivilen, zwischen verschiedenen Strömungen und Personen der Partei, zwischen der PSUV und den verbündeten Parteien, zwischen gewollter Umstrukturierung der Wirtschaft und realer Macht der alten wirtschaftlichen Eliten. Dass er nun nicht mehr diese Rolle spielen kann, wird zweifelsohne zu Verschiebungen in der Kräftekonstellation des Chavismus führen. Wie genau sich diese Veränderung aber ausdrücken wird, ist schwer zu sagen.

Militär als Machtfaktor

Für den Moment lässt sich festhalten, dass Chávez durch die Entscheidung für Maduro seine politische Nachfolge auf die zivile Linke ausgerichtet hat. Dies ist eine durchaus neue Situation, denn der Transformationsprozess und insbesondere die politische Karriere von Hugo Chávez selbst sind ganz wesentlich von der Beteiligung progressiver Militärs geprägt. Den Rebellionen von 1992 war in den 1980ern die konspirative Organisierung im Innern der Streitkräfte vorangegangen und schon früh suchte Chávez als Kopf der MBR-200 den Kontakt zur zivilen Linken. Die Verankerung im Militär war insofern auch ein wichtiger Machtfaktor auf den Chávez zählen konnte.

Heute ist die "zivil-militärische Einheit" aus den Diskursen der venezolanischen Linken kaum noch wegzudenken und wird als Grundlage für die Verteidigung des Transformationsprozesses gesehen. Somit wird es in der Regel auch nicht als Widerspruch gesehen, dass viele ehemalige Militärs Minister- und Gouverneursposten einnehmen. Dadurch, dass nun kein Ex-Militär mehr an der Spitze des Staates steht, könnte sich diese Beziehung aber durchaus verändern und es ist schwer einzuschätzen, welche Stellung Maduro dort genießt. Seinem internen Widersacher Diosdado Cabello zumindest werden nach wie vor beste Beziehungen in die Streitkräfte nachgesagt.

Kollektive Führung?

Gleichzeitig drängen nun Basisorganisationen, Teile der PSUV und manche alliierte Parteien auf eine Radikalisierung des Prozesses, strukturelle Veränderungen im Gesellschaftsgefüge, in der Wirtschaft und auf politischer Ebene. Ihnen stehen jene Teile des Chavismus entgegen, die zwar für die Aufrechterhaltung der wohlfahrtsstaatlichen Elemente sind, grundlegenden Umstrukturierungen aber zumindest im Verborgenen entgegenwirken.

An der Basis inner- wie außerhalb der PSUV wird häufig die Forderung nach einer "kollektiven Führung" des Prozesses hervorgebracht. Auch wenn in der Regel nicht konkretisiert wird, wie eine solche Führung organisiert werden kann, könnte sie den einzigen gangbaren Weg für die kommende Zeit darstellen. Denn eine personalisierte Führung, wie sie unter Chávez Realität war, wird weder Nicolás Maduro noch eine andere Einzelperson durchsetzen können.

Allerdings würde auch eine kollektivere Führung nicht notwendigerweise zu einer Radikalisierung führen. Auch sie bedeutet, die verschiedenen und teilweise weit auseinander liegenden Positionen in Kompromissen zu versöhnen. Die Alternative wäre das Auseinanderbrechen des Chavismus und das vorläufige Ende linker Regierungstätigkeit in Venezuela. In jedem Fall wird der Entwicklung der Basisbewegung eine wichtige Rolle zufallen. Dadurch, dass die Regierung auf viele ihrer traditionellen Forderungen eingegangen ist und ihre Vertreter in Teilen integriert hat, ist ihre Aktivität teilweise zurückgegangen. Ein Wiedererstarken dieser Bewegung würde wichtige Impulse geben, die für die weitere Entwicklung des Prozesses entscheidend sein können.


Eine gekürzte Version dieses Artikels erscheint in Marx21 Nummer 30 vom 15. April 2013.