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Ende der Eiszeit zwischen Kuba und USA sowie EU?

"Grundlegender Wandel": Mehrheit in USA wünscht Tauwetter in den Beziehungen zu Kuba

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Schlägt hohe Wellen: die Meinungsumfrage der Denkfabrik "Atlantic Council"
Schlägt hohe Wellen: die Meinungsumfrage der Denkfabrik "Atlantic Council"

Mehrere Neuigkeiten und Entwicklungen lassen erahnen, dass sich die Beziehungen zwischen Kuba und den USA sowie der EU bald ändern können. Gleichwohl kann beispielsweise der medial um die Welt gegangene Schnappschuss des Händeschüttelns zwischen Kubas Präsident Raúl Castro und dem US-Präsidenten Barack Obama bei den Trauerfeierlichkeiten für Nelson Mandela in Südafrika nicht darüber hinwegtäuschen, dass die grundsätzlichen Standpunkte und Interessen sich kaum schnell ändern dürften.

Besonders bemerkenswert sind zum Einen die Ergebnisse einer vor wenigen Tagen in den USA veröffentlichten Meinungsumfrage der Denkfabrik "Atlantic Council", die hohe Wellen schlägt. Über 63 Prozent der Einwohner Floridas wünschen sich demnach ein Tauwetter in den Beziehungen zu Kuba, während 30 Prozent dagegen sind. US-weit sind immerhin 56 Prozent für eine Annäherung an Kuba und 35 dagegen.

Die Verantwortlichen der Umfrage, Peter Schechter und Jason Marczak sagten dazu: "Dies ist ein grundlegender Wandel gegenüber früher: Kuba verhielt sich hartnäckig, weil Florida hartnäckig agierte. Diese Umfrageergebnisse beweisen, dass dies nicht länger zutrifft." Überraschend ist auch, dass die Einwohner kubanischer Abstammung sehr deutlich für eine Normalisierung bzw. Annäherung votierten: 79 gegen 21 Prozent in Florida und 73 gegen 26 Prozent landesweit.

Schon zeichnet sich ab, dass Befürworter einer neuen Kubapolitik der USA sich verstärkt zu Wort melden. Dazu gehören liberale aber auch republikanische Abgeordnete. So hat sich in Florida der Kandidat für den Gouverneursposten, Charlie Crist, öffentlich für eine Beendigung des "Embargos" gegen Kuba ausgesprochen – eine vor wenigen Jahren noch unmöglich erscheinende Haltung. Zudem haben sich zwei einflussreiche Senatoren deutlich für eine Änderung der Kubapolitik ausgesprochen: Senator Patrick Leahy und Senator Jeff Flake. Letzterer tritt schon seit langem für eine andere Kubapolitik ein – vor allem aus ökonomischen Gründen.

Nun dürfte es zu neuen Gesetzesinitiativen im Kongress kommen, um Schritte zu einer Verständigung mit Kuba zu starten, denn wenn nun auch Florida, wo die Anti-Castro-Hardliner bisher das Sagen hatten, für eine Annäherung an die sozialistische Insel eintritt, ist damit eine Schwelle überschritten und dies könnte Präsident Obama unter Druck setzen.

Besonders bemerkenswert ist zum Zweiten auch der lange schon vorbereitete und kürzlich ergangene Auftrag der Außenminister der 28 EU-Mitgliedsstaaten an die Europäische Kommission und an die Außenbeauftragte, Catherine Ashton, mit der kubanischen Regierung einen Dialog zu beginnen. Dabei wird es vor allem um Handelsbeziehungen, Investitionen und Menschenrechte gehen.

Die seit 2003 eingefrorenen Beziehungen waren 2008 formal wieder aufgenommen worden und entspannten sich seither. Schrittweise schlossen bisher bereits 18 EU-Staaten bilaterale Verträge mit Kuba und unterhöhlten somit den "Gemeinsamen Standpunkt" der EU, mit dem Bedingungen an die Aufnahme von Beziehungen geknüpft wurden, darunter auch die Forderung nach einem Systemwechsel auf der sozialistischen Karibikinsel – eine für jeden souveränen Staat inakzeptable Anmaßung. Bislang hatten Polen und Tschechien eine Annäherung blockiert sowie mit provokanten Einzelaktionen die bilaterale Atmosphäre verschlechtert. Demgegenüber traten Regierungen aus Spanien, Großbritannien, Belgien und jüngst den Niederlanden für eine Verbesserung der Beziehungen und eine Abschaffung des "Gemeinsamen Standpunktes" ein. Und obwohl die Bundesregierung seit langem schon den Entwurf eines Kulturabkommens vorbereitet hat, gehörte sie zu den Bremsern einer Annäherung. So forderte sie beispielsweise in solchen Verträgen eine Klausel, in der der EU das unilaterale Recht zugesprochen werden sollte, bei Vorgängen in Kuba, die als negativ bewertet würden, die Beziehungen umgehend einzufrieren.

Wesentliche Motive für diesen Sinneswandel in den USA (allerdings bisher nur in der Bevölkerung) und der EU dürften ökonomischer Natur sein. Dies spiegelt sich in der genannten Meinungsumfrage wieder, aber auch bei Betrachtung der Gesamtlage und der Äußerungen von Experten. Die von westlichen Staaten initiierten Versuche, in Kuba einen "Regimewechsel" zu provozieren, scheiterten bisher allesamt – wenngleich sie zusammen mit der Blockadepolitik immense Schäden und Negativfolgen für die kubanische Bevölkerung und die Entwicklung des Landes mit sich brachten.

Die extraterritorialen Auswirkungen der US-Blockade schädigen immer häufiger Finanztransaktionen zwischen ausländischen Unternehmen und Banken und sorgen für Mißstimmung auch bei Freunden der USA. Das US-Finanzministerium hat unter der Regierung Obama seine Anstrengungen spürbar intensiviert, Wirtschaftsbeziehungen mit Kuba zu unterbinden und zu stören – auch deutsche Banken sind hiervon betroffen und zahlen hohe Strafgelder. Das zuständige Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen (OFAC - Office of Foreign Assets Control) hat in Obamas bisheriger Amtszeit "Bußgelder" in Höhe von mehr als zwei Milliarden US-Dollar gegen Banken, Firmen und Einzelpersonen verhängt, die Wirtschaftskontakte zu Kuba gepflegt haben. Diese Abschreckungsmaßnahmen des OFAC betrafen z.B. im Juni 2013 die italienische Bank Intesa Sanpaolo: sie musste 3 Mio. US-Dollar an die USA zahlen, weil sie 2004 – 2008 insgesamt 53 Geldüberweisungen für Kuba vorgenommen hatte. In Deutschland blockiert der Online-Zahldienst PayPal immer mehr Onlinehändlern ihren Service, weil sie mit kubanischen Waren (wie Rum, Zigarren, Kunsthandwerk etc.) handeln.

Kuba hat in den vergangenen Jahren seine Beziehungen vor allem zu lateinamerikanischen Ländern auszubauen vermocht und starke regionale Netzwerke mitgeschaffen, wie die Bolivarische Allianz ALBA und die Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten Celac. Und Anfang dieses Monats erklärte die Regierung von China, dass sie mit CELAC an der Einrichtung eines Forums arbeiten würde, um die Kontakte zu intensivieren. Das soll noch im Jahr 2014 erreicht werden. Schließlich setzte Kuba mit der Eröffnung des vergrößerten und modernisierten Hafens von Mariel (westlich von Havanna) und der dortigen neuen Sonderwirtschaftszone ein deutliches Zeichen, welche Handelswege künftig bedeutsam werden könnten.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass die Europäische Union und der "Exportweltmeister" Deutschland diese Gelegenheit des Mitwirkens nicht verpassen möchten. Genauso argumentieren auch Unternehmen in den USA, die vor ihrer Haustüre Gewinnmöglichkeiten sehen, die bislang aber vor allem von Unternehmen anderer Nationen genutzt werden. Für die BRD kommt noch hinzu, dass sie von vielen lateinamerikanischen Regierungen deutlich darauf hingewiesen wurde, dass ohne eine Normalisierung der Beziehungen zu Kuba keine weiteren Intensivierungen der Beziehungen zu ihren Ländern stattfinden können. Der Zugang zu den wachsenden lateinamerikanischen Märkten lockt sehr.

Umgekehrt ist Kuba nicht zuletzt aufgrund der US-Blockade und ihrer extraterritorialen Wirkungen sehr an ausländischen Investitionen und Technologietransfer interessiert. Im Zuge der seit dem Amtsantritt von Raúl Castro intensivierten Anstrengungen einer Modernisierung der Wirtschaft und der Aktualisierung des kubanischen Sozialismus wurden immense Änderungen vorgenommen, doch jüngste Zahlen bestätigen, dass die Umsetzung in manchen Bereichen noch zu langsam vor sich geht und dringend zusätzlicher Impulse bedarf.

Bereits jetzt ist die EU der größte Auslandsinvestor in Kuba und nach Venezuela der zweitwichtigste Handelspartner des Landes. Eine Annäherung und mittelfristige Normalisierung der Beziehungen dürfte die wirtschaftliche Entwicklung beeinflussen. Ob dies immer im Sinne des sozialistischen Kuba sein wird, bleibt fraglich, vor allem auch dann, wenn Kontakte mit den USA erleichtert werden sollten. Denn neben unmittelbar wirtschaftlichen "Vorteilen" möchten die USA wie auch die neoliberal dominierte EU unmittelbaren Einfluss auf die weitere Entwicklung in Kuba nehmen.

Einige politische Stiftungen, Wirtschaftsverbände und andere "vorpolitische" Organisationen haben damit Erfahrungen aus anderen Ländern wie Polen und Ukraine. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die Kubaner die marktwirtschaftlichen und politischen Einflussversuche und etwaige Provokationen mit "Dissidenten" sowie entsprechende Inszenierungen bieten lassen werden. Sollte es zu einem langsamen Ende der Eiszeit Kubas mit der EU und den USA kommen, heißt dies nicht, dass die Versuche zu einem "Regimewechsel" aufgegeben werden, sondern im Gegenteil intensiviert werden dürften.