SOS Amazonia: "Kauft keine brasilianischen Produkte"

Zum Boykott der brasilianischen Soja- und Fleischindustrie hat die Aktivistin Alessandra Korap von der indigenen Gruppe der Munduruku in Berlin aufgerufen

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Die Aktivistin Alessandra Korap von der indigenen Gruppe der Munduruku aus Brasilien beim Klimastreik vor dem Brandenburger Tor
Die Aktivistin Alessandra Korap von der indigenen Gruppe der Munduruku aus Brasilien beim Klimastreik vor dem Brandenburger Tor

"Soja tötet und vergiftet uns. Viehzucht tötet und vertreibt uns", hat beim Klimastreik letzten Freitag die indigene Aktivistin Alessandra Korap erklärt. Auf der Fridays for Future-Kundgebung hat die Brasilianerin zum Boykott von Produkten der brasilianischen Soja- und Fleischindustrie aufgerufen: "Kauft keine brasilianischen Produkte, an denen indigenes Blut klebt". Die Frau vom Volk der Munduruku steht barfuß, in T-Shirt und Jeans auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor. Sie erläutert, wie die brasilianische Regierung ihrer Meinung nach tickt: "Präsident Bolsonaro mag keine Indigenen, er mag keinen Urwald und keine Flüsse. Er weigert sich unsere Schutzgebiete auszuweisen, stattdessen will er Land an die USA verkaufen."

Auf Einladung der Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt und dem Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) berichtet die Aktivistin der indigenen Frauenrechtsbewegung über die Ursachen für die Bedrohung der Amazonas-Region und über den befürchteten Genozid an den "Völkern des Waldes". Ihre Befürchtung: Wenn der Mercosur-Vertrag, das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den Mercosur-Staaten Südamerikas ratifiziert wird, wird das brasilianische Agrobusiness noch rasanter wachsen. Amerika21 hat die kämpferische indigene Aktivistin gesprochen.
 

Die Welt sieht, dass Amazonien brennt. Sie erleben in Brasilien die Folgen der Entwaldung.

Die Amazonas-Region ist krank. Der Urwald und die Menschen werden vergiftet mit Ackergiften, Quecksilber und Müll. Amazonien ist jeden Tag und jede Minute bedroht. Wenn Wald abbrennt, verlieren wir indigenen Gruppen die Basis unseres Lebens. Der Wald und die Flüsse geben uns alles, auch Medizin und Lebensmittel. Wir sehen den Urwald als unseren Supermarkt und unsere Kirche.

Sie haben zu Fridays for Future-Teilnehmern in Berlin gesprochen. Wie empfinden Sie die Bewegung in Deutschland?

Ich bin dankbar, dass so eine große Menschenmenge, darunter so viele junge Leute, Kinder und auch alte Menschen, sich Sorgen machen um den Planeten. Aber die Deutschen wissen nicht so genau, was in Brasilien passiert. Ich bin hier um das Publik zu machen. In Berlin konnte ich die Botschaft meiner Leute überbringen und habe gespürt: Wir sind nicht allein.

4.500 brasilianische Ureinwohner haben im April einen Protestmarsch auf die Hauptstadt Brasilia inszeniert und Landrechte eingefordert.

Die Entwaldung zerstört unsere Heiligen Orte. Für alle Arten von wirtschaftlicher Aktivität wird Wald vernichtet: Für die Gewinnung von Holz, für den Soja- und Maisanbau, für Rinderweiden, für die Gewinnung von Bodenschätzen, für Verladehäfen, für Wasserkraftwerke, für eine neue Bahnstrecke.

Sie haben ihr Dorf verlassen, um Jura zu studieren in Santarém. Nur 20 Kilometer vor der Stadt liegt der große Flusshafen des Rio Tapajós, an dem Fischer Seltsames beobachten.

Wenn die Ernte an Sojabohnen dort auf Riesen-Schiffe verladen wird, gibt es eine große Soja-Staubwolke. Der Sojastaub fällt ins Flusswasser, wo Fische die Körnchen fressen. Die Partikel sind aber so stark mit Ackergift belastet, dass Fische davon krank werden. Sie leben zwar, sind aber im Inneren faulig und ungenießbar. Fischer erzählen immer öfter von solchen Fängen. Ich habe diese verseuchten Fische ebenfalls gesehen.

36 neue Verladehäfen für Soja und Mais sind von der Regierung in Ihrer Region Pará vorgesehen…

Sechs von diesen Flusshäfen sind schon gebaut. Denn der Rio Tapajós ist der wichtigste Zufluss des Amazonas. Der Amazonas mündet in den Atlantik, von wo aus die gewaltige Soja-Ernte in die ganze Welt exportiert werden kann.

Das Wasserkraftwerk São Luiz do Tapajós hat der Protest der Munduruku zusammen mit Greenpeace 2016 erfolgreich verhindert. Doch insgesamt sind in Brasilien 43 neue Wasserkraftwerke geplant, vier schon gebaut. Das nächste umstrittene Infrastrukturprojekt der Regierung ist eine über 1.000 Kilometer lange Zugstrecke für den Transport der Sojaernte aus Mato Grosso zum Flusshafen bei Santarém in der Amazonas-Region, die indigene Gebiete antastet und einen Nationalpark quert.

Wir kämpfen gegen den Bau der Eisenbahnstrecke Ferrogrão, die allein dem Agrobusiness dient. Wenn die Sojaproduktion expandiert, wird das in der völligen Zerstörung vieler indigener Gebiete münden.

Munduruku-Krieger haben im Juli 100 Kilometer in ihrem Territorium zu Fuß zurückgelegt, um illegale Holzfäller zu verjagen.

Wir Indigene leisten seit 519 Jahren Widerstand. Aber Brasilien badet im Blut indigener Völker. Häuptlinge und indigene Führer werden ermordet. Unsere Kinder sterben wegen dem Kapitalismus. Wenn das Mercosur-EU-Handelsabkommen in Kraft tritt, wird noch mehr Regenwald vernichtet – und zwar für den Export: Das Land wird noch stärker ausgebeutet. Es wird um noch mehr Geld gehen. Der Kapitalismus kümmert sich nicht um den Nächsten, nur um den eigenen Profit. Wir sind hier um unsere Zukunft zu verteidigen. Hört auf Rindfleisch und Soja aus Brasilien zu konsumieren. Wir brauchen eure Hilfe.
 

Alessandra Korap (35) lebt in Santarém. Am Dienstag, 24. September, nahm sie vor der EU-Vertretung in Berlin an der Kundgebung teil: „Klima und Menschenrechte schützen! Das EU-Mercosur-Abkommen muss gestoppt werden!“