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Schützt Kolumbiens Regierung gesuchten Paramilitär-Chef und Drogenhändler Memo Fantasma?

Einer der mächtigsten kolumbianischen Paramilitärs und Dealer soll aktuell unbehelligt von der Justiz als reicher Geschäftsmann in Madrid leben

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InSight Crime machte jetzt die wahre Identität und den Aufenthaltsort von alias Memo Fantasma öffentlich
InSight Crime machte jetzt die wahre Identität und den Aufenthaltsort von alias Memo Fantasma öffentlich

Gerade mal sechs Wochen ist es her, dass die Audioaufnahmen des ermordeten brasilianischen Drogenbosses, José Guillermo Hernández alias Neñe, bekannt wurden, in denen er darlegt, den Präsidentschaftswahlkampf von Iván Duque und seinem Regierungsbündnis mit Stimmenkauf mitfinanziert zu haben.

Die Nichtregierungsorganisation InSight Crime, die Ermittlungen über "unsichtbare Drogenhändler" führt, machte nun auch noch die wahre Identität und den Aufenthaltsort des niemals verurteilten und "untergetauchten" Ex-Generals des Bloque Central Bolívar (BCB) der paramilitärischen Autodefensas Unidas de Colombia (AUC), Guillermo León Acevedo Giraldo alias Memo Fantasma oder Sebastián Colmenares, öffentlich.

Wie die NGO rekonstruierte, begann Acevedo seine Drogenkarriere als 18-Jähriger im Umfeld von Pablo Escobar in Medellín. Bereits mit 21 Jahren soll er für das Medellín-Kartell den Drogenverkauf in den USA abgewickelt haben. Dabei sei er die ersten Geschäftsbeziehungen zu den mexikanischen Kartellen eingegangen und durch die Ermordung Escobars wohlhabend geworden, da er den Erlös des verkauften Kokains einstecken konnte.

Zurück in Medellín (1995/96) wurde Memo Fantasma laut InSightCrime-Recherche mit gerade mal 24 Jahren noch vor seiner AUC-Rekrutiertung durch Don Berna zu einer der wichtigsten Größen im internationalen Kokaingeschäft. Als paramilitärischer General des BCB (1998-2006) sei er für rund 15.000 Ermordungen sowie gewaltsame Massenvertreibung und Enteignungen verantwortlich.

Der Leiter des Rechercheteams, Jeremy McDermott, Mitgründer von InSight Crime und Ex-Mitarbeiter der US-Regierung, vertritt gegenüber Wradio die Ansicht, dass die USA im Zuge der Demobilisierung der AUC im Jahr 2005 einen Deal mit Acevedo abgeschlossen hätten und dass sowohl US-amerikanische als auch kolumbianische Behörden oder einzelne Behördenvertreter über seine wahre Identität und seinen Wohnort Bescheid wissen müssten. Es sei nicht anzunehmen, dass Acevedo als zweithöchster General und Kassenwart des BCB sowie als Schlüsselfigur im AUC-Kokaingeschäft (die Paramilitärs waren zu jener Zeit die Hauptlieferanten weltweit) sich unentdeckt dem AUC-Demobilisierungsprozess und seiner Bestrafung entziehen konnte, sagt McDermott.

So hat die NGO im Rahmen der noch laufenden Ermittlungen bereits herausgefunden, dass das Immobilienunternehmen der kolumbianischen Vizepräsidentin Martha Lucía Ramírez, Hitos Urbanos, das von ihrem Ehemann Álvaro Rincón geführt wird, 2006 ein Immobiliengeschäft mit Acevedo abschloss.

Acevedo, der seit 2005/2006 als reicher Geschäftsmann mit seiner Familie in der High Society von Bogotá unterwegs war, hatte sich jedoch – wie so oft – eine falschen Identität zugelegt, sodass Ramírez und ihr Ehemann Rincón von Täuschung sprechen und jegliche Beziehung zu ihm zurückweisen.

Nach Bekanntwerden des InSight Crime-Berichts machte zudem die Nueva prensa publik, dass Jorge Humberto Uribe Escobar, der am 22. Oktober 2008 von seinem Cousin, dem Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, zum Notar bestellt wurde, seither der rechtliche Beistand Acevedos ist. Auch sollen Uribe und Acevedo vom selben Rechtsanwalt vertreten werden.

Dass das Onlineportal den Ex-Präsidenten ins Spiel bringt, kommt nicht überraschend. Denn gegen Uribe, der ebenfalls aus Antioquia kommt und in seiner präsidialen Amtszeit die Demobilisierung der AUC organisierte, wird seit Jahren sowohl wegen Verwicklungen in Drogengeschäfte mit denselben kolumbianischen und mexikanischen Kartellen, mit denen Momo Fantasma Geschäfte macht, als auch wegen Paramilitarismus ermittelt.

Der Endvierziger Guillermo León Acevedo Giraldo, der aktuell als reicher Geschäftsmann in Madrid (Spanien) lebt, habe nach drei Jahrzehnten als einer der mächtigsten Paramilitärs und Drogenhändler auch nach Bekanntgeben seiner Identität und persönlichem Besuch durch InSight Crime nichts zu befürchten, zeigt sich McDermott überzeugt: Behördliche Ermittlungen wurden auch jetzt nicht gegen ihn eingeleitet.