Guatemala: Gedenken an den "Bischof des Volkes" Juan José Gerardi

Verschiedene Aktivitäten und Veranstaltungen zum 25. Jahrestag des Mordes an Gerardi

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Eine von vielen Aktivitäten: Ausstellung von Postern zu Bischof Gerardi
Eine von vielen Aktivitäten: Ausstellung von Postern zu Bischof Gerardi

Es war ein einschneidender Moment in der jüngsten Geschichte Guatemalas. Die Veröffentlichung des Berichts "Guatemala – Nunca Más" (Guatemala – Nie Wieder) am 24. April 1998 in der Kathedrale der Hauptstadt des Landes war das erste Mal, dass die Gesellschaft explizit von den begangenen Gräueltaten des guatemaltekischen Bürgerkrieges zwischen 1960 und 1996 erfuhr.

Unter dem ersten Koordinator des Menschenrechtsbüros des Erzbistums von Guatemala (ODHAG), Bischof Juan José Gerardi, sammelten mehr als 600 Frauen und Männern im ganzen Land über 5.000 Zeugenaussagen zu den Morden und Massakern, die zu 92 Prozent von den staatlichen Sicherheitskräften verübt wurden.

Zwei Tage nach der Veröffentlichung des Berichts wurde der katholische Geistliche in seinem Haus in der Pfarrei San Sebastian im historischen Viertel der Hauptstadt Guatemalas brutal ermordet. Obwohl die damals wie heute herrschende politisch-militärische Machtelite versuchte, die Aufmerksamkeit von dem Verbrechen auf unpolitische Motive zu lenken, gab es im Jahr 2001 Verurteilungen von Militärangehörigen, die den politischen Charakter dieses Mordes zweifelsfrei bestätigen. Es war ein Verbrechen des Staates.

"Als Priester sah Bischof Gerardi die großen Ungerechtigkeiten, denen die Mehrheit der Guatemalteken bis heute ausgesetzt ist. Er wies immer wieder auf die Missstände im Land hin und verlangte Reformen, was ihn unter den verschiedenen zivilen und militärischen Machthabern zu einem wahren Staatsfeind machte. Einschüchterungen und Morddrohungen begleiteten ihn permanent. Während seiner Arbeit in der Diözese El Quiché konnte er nur durch vorherige Warnungen einem Attentat entgehen.

Nach einem Besuch im Vatikan und einem Treffen mit Papst Johannes Paul II 1980 ermutigte dieser ihn, seine Arbeit für die am meisten Benachteiligten und Ausgegrenzten fortzusetzen. Bei seiner Rückkehr aus Rom verweigerte ihm die damalige Militärregierung unter Fernando Romeo Lucas García die Einreise in das mittelamerikanische Land, so dass Bischof Gerardi ins Exil nach Costa Rica gehen musste. Als er fast zwei Jahre später zurückkehrte, nahm er seine Arbeit für ein gerechteres Guatemala wieder auf", sagt Nery Rodenas, Geschäftsführer der ODHAG.

Anlässlich des 25. Jahrestages seines Martyriums und der Veröffentlichung des "Guatemala – Nie Wieder"- Berichtes hat das Menschenrechtsbüro des Erzbistums von Guatemala (ODHAG) im April und für den Rest des Jahres mehrere Aktivitäten und Veranstaltungen zum Gedenken an diesen geplant, der nicht nur in Guatemala, sondern auch in ganz Lateinamerika bis heute bewundert wird. Wandgemälde, eine Fotoausstellung zum Gedenken an den Theologen, eine Route der Erinnerung, eine Forschungspräsentation unter dem Titel "Unsere Mission war es, dem Volk zuzuhören" zur Würdigung der Männer und Frauen, die am Bericht über die Gräueltaten des guatemaltekischen Bürgerkrieges mitwirkten und eine Messe unter dem Vorsitz von Erzbischof Gonzalo de Villa, sind nur einige der Aktivitäten und Veranstaltungen zum Gedenken an den Bischof des Volkes.

Bei der historischen Veröffentlichung der vier Bände von "Guatemala – Nie Wieder" vor einem immensen Publikum innerhalb und außerhalb der Kathedrale sagte Gerardi: "Frieden ist möglich, ein Frieden, der aus der Wahrheit eines jeden von uns geboren wird. Die schmerzhafte Wahrheit, die Erinnerung an die tiefen und blutigen Wunden des Landes; die personifizierende und befreiende Wahrheit, die es jedem Mann und jeder Frau ermöglicht, sich selbst zu finden und seine/ihre Geschichte anzunehmen; die Wahrheit, die uns alle auffordert, die individuelle und kollektive Verantwortung zu erkennen und uns zu verpflichten, dafür zu sorgen, dass sich diese abscheulichen Taten niemals wiederholen."

Bis zum heutigen Tag hat es der guatemaltekische Staat versäumt, die vielen Verantwortlichen für das Verschwindenlassen von Menschen, die Massaker und den Völkermord vor Gericht zu bringen und zu verurteilen. Es ist die Zivilgesellschaft, die auf juristische Prozesse drängt, um die Wahrheit zu erfahren und die Schuldigen endlich vor Gericht zu stellen. Die seit dem Endes des Bürgerkrieges im Jahre 1996 auferlegte Staatsdoktrin, die horrenden Taten einfach zu leugnen, zielt auf eine Geschichtsrevidierung ab und spricht einer fast Viertelmillion Toten und Verschwundenen des Bürgerkrieges die Würde ab.

Bischof Gerardi glaubte an ein anderes, an ein gerechteres Guatemala. Mit den Aktivitäten und Veranstaltungen erinnert das Menschenrechtsbüro des Erzbistums von Guatemala nicht nur an den 25. Jahrestag des Martyriums dieses großen Theologen, sondern zeigt Guatemala und der ganzen Welt, dass Bischof Gerardi weiterlebt, und das mehr denn je.