Jan Pehrke betreibt Demokratieabbau

Absicht oder Ahnungslosigkeit?

Im Online-Magazin telepolis, normalerweise einem der wenigen mit einer qualifizierten Berichterstattung zu Lateinamerika, veröffentlichte Jan Pehrke einen Artikel zum Thema Demokratie-Abbau. Unter dem Titel "Weniger Demokratie wagen" erklärt er, warum es mit der Demokratie nicht zum Besten steht. Doch bereits in der Einleitung bietet sich Wunderliches:

"In Europa ist sie (die Demokratie) auch noch kaum angekommen, und mit dem Export in ferne Länder hapert es beträchtlich."

Jan Pehrke scheint der Meinung zu sein, dass die europäischen Länder ihre Politikmodelle anderen Ländern anbieten sollten. Ob dieser Vorgang an sich etwas mit Demokratie zu tun hat? Man könnte sich die Länder ansehen, deren formale Struktur sich an den Vorgaben "der westlichen Welt" orientiert - etwa Mexiko, Kolumbien und Peru. Oder auch die Philippinen und Pakistan. Oder gleich Afghanistan und den Irak, wo eine sehr unmittelbare "Demokratie-Implementierung" durch den Westen erfolgte. Alles Länder mit den jeweils höchsten Zahlen an Menschenrechtsverbrechen ihrer Region.

Aber das macht Jan Pehrke nicht. Er gibt seine Meinung über Bolivien, Ecuador und Venezuela zum Besten - Länder die gerade ohne seine oder sonstige westliche Beratung ihre politischen Modellen transformieren. Auch hier verzichtet Pehrke auf irgendeine Recherche.

Der Demokratie-Abbau drücke sich in einer Zunahme präsidialer Macht aus, findet Jan Pehrke und ignoriert, dass die neuen Verfassungen in allen drei Ländern vielfältige Elemente der direkten Demokratie einführen, von denen die Bevölkerung auch lebhaften Gebrauch macht. Dass etwa alle Amtsträger - auch die Präsidenten - nach der Hälfte ihrer Amtszeit per Referendum abgewählt werden können, ignoriert Pehrke. Ob in diesen Ländern die Umfragewerte der Demokratie und die Wahlbeteiligung sinken, hat er gar nicht erst geprüft. Beide Werte steigen in diesen drei Ländern. Das Umfrage-Institut Latinobarometro fand die größte Zufriedenheit mit der Demokratie in Venezuela, wo 57 Prozent der Bevölkerung angaben, sie seien "sehr zufrieden" mit ihren Mitbestimmungsmöglichkeiten.

Nun weiß man bei derartigen Auslassungen nie, wie sie motiviert sind. Bei Jan Pehrke scheint es sich nicht um Absicht sondern um Unfähigkeit zu handeln. Wenn Jan Pehrke schreibt, dass Rafael Correa Genpflanzen zulassen würde, oder dass das oberste Wahlgericht Boliviens eine Volksabstimmung unterbunden hätte, legt das nahe, dass der Autor einfach keine Ahnung hat. "Das oberste Wahlgericht" in Bolivien - damit meint er den Obersten Gerichtshof des Landes - arbeitet überhaupt nicht, weil die Opposition die Neubesetzung blockiert hat. Er bezieht sich auf eine Meinungsäußerung eines Mitgliedes dieses nicht beschlussfähigen Gremiums. Noch einfacher hätte er herausfinden können, dass alle drei Länder den Anbau transgener Pflanzen verbieten.

Der Gipfel ist, dass Jan Pehrke den "Sozialwissenschaftler" Norberto Ceresole zitiert und vergisst, zu erwähnen, dass der Mann wegen seiner rechtsradikalen und antisemitischen Ansichten in Venezuela ausgewiesen wurde bis zu seinem Tod ein Einreiseverbot hatte. Bei Pehrke wird er uns als "zeitweiliger Chavez-Berater" präsentiert und Ceresoles Ansichten will Pehrke hier als Aussage aus dem politischen System Venezuelas missverstanden wissen. Wie ist so etwas motiviert? Sicher nicht durch fehlende Recherche....


Artikel:

Weniger Demokratie wagen Jan Pehrke am 03.11.2008 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29012/1.html