Internationale Zusammenarbeit und Süd-Süd-Kooperation

Rede des Präsidenten von Ecuador, Rafael Correa, bei der UN-Versammlung zur Süd-Süd-Kooperation am 27.September 2015 in New York

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Präsident Correa bei seiner Ansprache am 27. September 2015 in New York
Präsident Correa bei seiner Ansprache am 27. September 2015 in New York

Kritik an der Nord-Süd-Kooperation

Kooperieren bedeutet ein Zusammenarbeiten an einem gemeinsamen Ziel. Das Problem der Nord-Süd-Kooperation ist sowohl qualitativ als auch quantitativ zu fassen.

Im Hinblick auf die Quantität setzten sich die Vereinten Nationen 1970 das Ziel, 0,7 Prozent des BIP der wohlhabendsten Länder im Bereich der Kooperation einzusetzen. Trotzdem beträgt dieser Anteil im Jahr 2013 kaum mehr als 0,4 Prozent.

Bezüglich der Qualität: Eine wirkliche internationale Kooperation muss unbedingt gemeinsam mit dem Empfängerstaat erfolgen, seine öffentlichen Einrichtungen stärken und lokale Kräfte der Akkumulation und des Fortschritts generieren. Ziel dieser Zusammenarbeit ist dann das Leben unserer Völker in Würde und Souveränität. Alles andere ist Wohltätigkeit, die Abhängigkeit und mehr Probleme schafft, als sie zu lösen vermag.

Die Rolle der internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGO), insbesondere derer, die vermutlich zum Lancieren internationaler Zusammenarbeit von bestimmten hegemonialen Ländern dienen und den Empfängerstaat weder unterstützen, noch ergänzen, sondern diesen schlichtweg ersetzen, sollte ernsthaft und nüchtern hinterfragt werden. Dies haben wir sehr deutlich und auf tragische Art in Ländern wie Haiti beobachtet.

Wie der bolivianische Vizepräsident Álvaro García Linera zeigt, sind viele NGO keine wirklichen NICHT- Regierungsorganisationen, sondern Organisationen anderer Regierungen auf unserem Staatsgebiet.

Häufig läuft diese "Kooperation" über Stiftungen und Organisationen, die sich als angebliche Vertretung der Zivilgesellschaft gefallen und die eine eindeutig politische Rolle spielen. Es gibt nichts Schädlicheres für eine Demokratie als politische Akteure ohne politische Verantwortung.

Süd-Süd-Kooperation: Integration und Synergien

Die Zusammenarbeit ist ein machtvolles Instrument für die Gestaltung gerechter und egalitärer internationaler Beziehungen. So verstanden, ist die Süd-Süd-Kooperation nicht nur ein geografisches Konzept: Sie reflektiert ein anderes politisches Modell, welches Horizontalität, gerechtem Austausch, Bedingungslosigkeit in der Zusammenarbeit und der Wertschätzung von Diversität sowie dem Respekt vor nationalen Agenden den Vorzug geben.

Zunächst sollte die Süd-Süd-Kooperation ein Zusammenarbeiten sein, bei dem wir unsere eigenen Fähigkeiten bestmöglichst nutzen können. "Auf unseren eigenen Füßen stehen", wie es im 19. Jahrhundert der uruguayische Unabhängigkeitskämpfer José Gervasio Artigas zusammenfasste.

Gemeinsam können wir beispielsweise unsere eigene regionale Finanzarchitektur schaffen, damit die Ersparnisse in unseren Regionen bleiben und nicht die reichsten Länder finanzieren. Unsere Zentralbanken, meist unabhängig und ohne demokratische Kontrolle, sendeten Hunderte von Milliarden unserer Reserven ins Ausland und finanzieren damit nicht nur in die wohlhabendsten Länder, sondern sie verschieben den Reichtum dorthin und erhalten zugleich für diese Reserven niedrigste Renditen. Gleichzeitig leihen diese Banken uns genau dieses Geld zum zehnfachen Zinssatz. Dies ist völlig absurd und wir werden dies niemals technisch oder ethisch rechtfertigen können.

Wir müssen lernen, unsere Ersparnisse und Reichtümer zu nutzen, um sie in unsere eigene Region zu investieren. Aufgrund dessen sind die Gründungen der Bank der Brics- Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika-, sowie der "Banco del Sur" in Südamerika großartige, gute Nachrichten.

Außerdem müssen wir alternative Austauschmechanismen schaffen, um die Nutzung außerregionaler Währungen, die unser Schwachstellen-Risiko erhöhen sowie den Emittenten dieser Währung den Reichtum übertragen, zu verringern.

Die beste Form der Süd-Süd-Kooperation ist es, uns zu vereinen, um den Missbrauch von außen zu verhindern. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Gründung regionaler Schiedsgerichtshöfe, um Attentate auf unsere Souveränität durch Bilaterale Investitionsabkommen (BIT) zu unterbinden.

Lateinamerika und die Karibik brauchen Auslandsinvestitionen. Wir müssen jedoch gerechtere und ausgeglichenere Rahmenbedingungen für die transnationale Beziehung zwischen Staaten schaffen, die beiderseitigen Nutzen ermöglichen sowie die Menschenrechte wahren und die Rechte der Natur berücksichtigen.

Wenn wir einzeln handeln, ist es das Kapital, welches uns seine Bedingungen auferlegt. Nur gemeinsam können wir die Bedingungen des Kapitals für das Wohlsein unserer Völker festlegen.

Der Fall Celac

In der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac) sind wir ungefähr 600 Millionen Menschen auf mehr als 20 Millionen Quadratkilometern. Zusammen würden wir die drittgrößte Wirtschaftskraft der Welt bilden mit einem Anteil von neun Prozent am weltweiten BIP, einem Drittel aller Süßwasserquellen dieses Planeten, auf Platz eins der weltweiten Lebensmittelproduktion und auf dem dritten Platz in Stromerzeugung. In der Entwicklungsphase, in der sich die Länder Lateinamerikas und der Karibik, mehrheitlich Länder der mittleren Einkommensgruppe, befinden, brauchen wir keine als Kooperation verkleideten Spenden ohne jegliche strukturelle Wirkung.

Die Art der erfordertlichen Kooperation muss die Nachwuchsförderung, den Wissenschafts- sowie Technologietransfer und den Zugang zu Finanzierungsquellen anstreben. Dazu dienen uns die zahlreichen natürlichen Ressourcen und Reichtümer als erste Stütze, um den Extraktivismus zu überwinden und um eine nachhaltige Wissensgeselllschaft aufzubauen, die auf der Produktion hochwertiger Güter beruht.

In diesem Sinne haben wir den Kooperationsplan 2015-2019 zwischen Celac und China vorgeschlagen. Eine Zusammenarbeit in Richtung Wissensaustausch für die Entwicklung, die Transformation der Produktionsstrukturen, des Schutzes und der Erneuerung von Umweltgütern.

Schlussfolgerungen

Vom globalen Norden erfordert es statt dem, was zuvor als "Kooperation" galt, eher die Aufhebung von externen Beschränkungen, die uns der lateinamerikanische Strukturalismus sowie die Dependenztheorie darlegen: die ungerechte internationale Arbeitsteilung sowie ungleiche Handelsbedingungen.

So waren wir früher diejenigen, die die Primärgüter produzierten, während die hegemonialen Länder Industriegüter mit hoher Wertschöpfung herstellten.

Heutzutage besteht die ungleiche internationale Arbeitsteilung darin, dass diese Länder Fachwissen, das privatisiert wird, erzeugen und wir Umweltgüter, die weiterhin globale öffentlich zugängliche und kostenlose Güter bleiben.

Würden allein diese zur Verfügung gestellten Umweltgüter kompensiert werden, wäre die Notwendigkeit der Suche nach weiteren Finanzquellen für unsere Entwicklung schon hinfällig.

Wir wissen, dass Menschlichkeit unter den aktuellen Bedingungen nur eine Utopie ist. Aus diesem Grund müssen wir, die souveränen Länder des Südens, unsere eigene Kooperation suchen. Diese impliziert einen Austausch, welcher auf Solidarität, Gleichheit, Respekt, Mitverantwortlichkeit und Gerechtigkeit beruht.

Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass die Hauptaufgabe der Süd-Süd-Kooperation das "gemeinsame arbeiten" ist, um die absolute globale ungerechte Ordnung zu überwinden.