Ein Aufruf an die älteren Menschen, Zeugen und Überlebende der Geschichte; an die Arbeiterinnen und Arbeiter, die unseren täglichen Reichtum schaffen, an die Frauen und an die chilenische Jugend, Erbauerin der Gegenwart und der Zukunft. An sie alle richtet sich dieser Aufruf.
Vor 50 Jahren ging der Regierungspalast Moneda in Flammen auf, mit Maschinengewehren beschossen von niederträchtigen Händen, bombardiert aus der Luft und vom Boden aus, dank der Aktion der Militärs, die ihren Eid verrieten und den Putsch an jenem Morgen des 11. September 1973 heraufbeschworen
Im Palast bemühte sich der Präsident, dem Aufstand entgegenzutreten. Über das Radio wendet er sich an alle Chilenen und bestätigt, dass der Putsch im Gange ist.
Der Präsident und eine Handvoll seiner Mitarbeiter versuchen, den kriminellen Aufstand zu stoppen.
Der Präsident und seine loyalen Berater widerstehen der unerbittlichen Bombardierung der Moneda.
Der Präsident hält seine letzte Rede, die sich für immer in die Seelen von Abermillionen Chilenen und Bürgern auf der ganzen Welt einprägen wird.
Der Präsident opfert sein Leben inmitten eines Palastes, der völlig in Flammen steht. Der Präsident ist in der Moneda gestorben und er ist auch in jedem Haus gestorben, das den ruhigen Klang seiner Stimme im Radio hörte und er starb zusammen mit all denen, die an diesem Tag und in den Tagen danach fielen.
Allende starb während der 17 Jahre der Diktatur. Er verschwand zusammen mit den verschwundenen Genossen. Er wurde zusammen mit allen hingerichteten Genossen erschossen. Er war Gefangener und wurde gefoltert.
Allende erwachte eines Morgens und schloss sich jedem einzelnen der Proteste an. Er nahm an jedem Hungerstreik, an jeder Versammlung und an jedem klandestinen Treffen teil. Er stand an der Seite unserer Künstler, sang mit ihnen und bemalte die Wände der Stadt.
Und Allende ist wieder unter uns. Denn sein Vermächtnis, die Gültigkeit seines Denkens und das Projekt der Volksregierung behalten auch heute ihre volle Bedeutung und Kohärenz.
Am 50. Jahrestag des Militärputsches rufen wir von jetzt an bis zum September dazu auf, überall in unserem Land dieses historischen Datums zu gedenken, das schmerzhaft ist, aber bedeutsam und notwendig für den Aufbau der Zukunft.
Dieser Aufruf ist auch ein Gebot der Erinnerung. Wir werden uns an die Hingerichteten erinnern. An die Verschwundenen. Wir werden ihre Namen wieder und wieder wiederholen und wir werden antworten: ¡presente! Ihre Gesichter werden uns überallhin begleiten. Wir werden uns an die Großtaten des chilenischen Volkes erinnern, um dem Schrecken und dem Elend ein Ende zu setzen und dem es dank seiner Kreativität und Unbeirrbarkeit gelang, der Diktatur ein Ende zu setzen und die Demokratie wiederzuerlangen.
Es ist an der Zeit, an den Wert und die Gültigkeit des Programms der Unidad Popular zu erinnern; die ersten 40 Maßnahmen und den Verfassungsvorschlag für einen demokratischen und souveränen Staat.
Es ist an der Zeit, Einheit und Demokratie in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist die Formel, die uns Hoffnung geben wird; die uns einen Ausblick auf eine bessere Zukunft geben wird, in einer Welt, die vom Neoliberalismus verwüstet, von einer sterbenden Umwelt und von dem Hunger, der die Migration antreibt, ausgeplündert ist.
Die Stunde ist gekommen, unseren Kindern in die Augen zu schauen und ihnen mit Gewissheit zu sagen, dass eine bessere Welt immer noch möglich ist. Ja, denn wir haben Träume und wir haben eine Zukunft.
Allende bekräftigte das in seiner Rede vor den Vereinten Nationen: "Es ist unser Vertrauen in uns selbst, das unseren Glauben an die großen Werte der Menschheit stärkt, an die Gewissheit, dass diese Werte sich durchsetzen müssen. Sie können nicht zerstört werden!"
Wir rufen dazu auf, Komitees von Volksinitiativen zu bilden und dass in jedem Viertel, in jeder Gewerkschaft und Universität, in jedem Kultur- und Nachbarschaftszentrum dieses historische Datum nicht übersehen wird und dass das Gedenken an den 50. Jahrestag des Staatsstreichs, der den Prozess der sozialen und demokratischen Umgestaltung unter der Führung unseres Genossen Präsidenten unterbrochen hat, in allen Ecken Chiles präsent ist.
Ja, dieser Aufruf ist an dich gerichtet. An uns alle. Dieser Aufruf ist blau, rot und weiß gefärbt; er glänzt wie Kupfer und hat einen Bergarbeiterhelm; er schmeckt nach Maqui und nach Quinoa; er ist still wie der Puma; tost wie das Meer; hat Fischernetze; ist von Bauernhänden bearbeitet; ist ein Gedicht und eine bemalte Leinwand; er ist wie ein Klassenzimmer mit Kindern und Lehrern; er hat die Höhe der Anden; er ist riesig wie die Wüste; hat den Flug des Kondors; trägt eine Kittelschürze wie der Arzt und der Bäcker; ist edel wie der Huemul; ist mutig und verliebt sich wie die Jugend; erreicht jeden Winkel des Landes, wie die alte Eisenbahn; ist weise wie unsere Alten; steigt auf wie ein Drachen; ist aus Lehm gemacht, hat die Neugier des Wissenschaftlers; sie ist alt wie ein Araukarienbaum und hat eine hoffnungsvolle Stimme.
Ja, es besteht kein Zweifel: Es ist die Stimme von Allende, die uns aufruft und uns daran erinnert: "Die Geschichte gehört uns und es sind die Völker, die sie machen!"