Geschäftsanbahnungsreise nach El Salvador: IHK Pfalz blendet katastrophale Menschenrechtslage aus

IHK wirbt für Geschäftsreise nach EL Salvador - Das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit warnt vor den Menschenrechtsverletzungen, der Umweltzerstörung und der Korruption im Land

München, 23.10.2025. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Pfalz in Ludwigshafen bewirbt aktuell eine Geschäftsanbahnungsreise der AHK El Salvador (6.–9. November) als "einzigartige Plattform für Networking, Geschäftsanbahnung und kulturellen Austausch". Während die IHK ein "dynamisches Wachstum in Schlüsselbranchen wie Tourismus, Infrastruktur, Bauwesen, erneuerbaren Energien, Fintech und Start-ups" in dem zentralamerikanischen Land lobt, bleibt ein zentraler Aspekt unerwähnt: die massiven Menschenrechtsverletzungen und die Aushöhlung des Rechtsstaats unter dem autokratischen Regime von Nayib Bukele.

Ein Land ohne rechtsstaatliche Garantien

Seit der Einführung des Ausnahmezustands und der Aussetzung von Grundrechten in El Salvador im März 2022 wurden nach Angaben internationaler Menschenrechtsorganisationen knapp 90.000 Menschen willkürlich verhaftet. Rund 2 Prozent der Bevölkerung befinden sich inzwischen in den extrem überfüllten Gefängnissen. Schätzungen zufolge sind zwischen 20 und 50 Prozent der Inhaftierten, also mehrere zehntausend Menschen, unschuldig im Gefängnis und stehen nicht mit den zu bekämpfenden kriminellen Banden in Verbindung. Es gibt keinerlei rechtsstaatliche Garantien für sie. Folter, Misshandlungen und hunderte Todesfälle in Haft sind keine Ausnahme und hinreichend dokumentiert.

Die Verhaftungen prominenter Menschenrechtsverteidiger*innen wie Fidel Zavala, Ruth López und Alejandro Henríquez im Mai 2025 zeigen, wie repressiv das Regime gegen kritische Stimmen vorgeht. Zahlreiche kritische Journalist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen sahen sich gezwungen, das Land zu verlassen. Zivilgesellschaftliche Organisationen stehen unter massivem Druck. Dieser hat sich noch verstärkt, seit im Mai 2025 das Gesetz über "ausländische Agenten" (RAEX) in Kraft getreten ist. Davon sind auch die internationale Entwicklungszusammenarbeit, deutsche Nichtregierungsorganisationen und kirchliche Hilfswerke betroffen.

Hohe Risiken für Umweltzerstörung und Korruption

"Die Darstellung El Salvadors als attraktiver Investitionsstandort ignoriert die Realität vor Ort", warnt Andrea Lammers vom Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit. "Tourismus- und Infrastrukturprojekte führen bereits jetzt zu Zwangsvertreibungen, Umweltzerstörung und sozialer Spaltung. Die Korruptionsrisiken sind hoch, während lokale Gemeinden kaum Möglichkeiten haben, ihre Rechte geltend zu machen."

Mitgliedern des Familienclans um Präsident Bukele und ihm nahestehenden Personen und Unternehmen wird vorgeworfen, in Korruption- und Drogenhandel verwickelt zu sein. Im Mai 2025 hatte das Online-Magazin El Faro Informationen über jahrelange Absprachen Bukeles mit kriminellen Banden veröffentlicht.

Recherchen internationaler Medien belegen zudem mehrere Fälle von Landenteignungen zugunsten dem Regime nahestehenden Unternehmen.

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"Gerade deutsche Institutionen wie die Handelskammern tragen Verantwortung für die Folgen wirtschaftlicher Aktivitäten vor Ort", so Lammers weiter. "Wer Geschäftsreisen in autoritäre Staaten organisiert, darf die Menschenrechtslage nicht ignorieren. Profit darf nicht über Menschenrechten stehen. Wir fordern, potentielle Kooperationen in El Salvador so lange auszusetzen, bis grundlegende rechtsstaatliche und menschenrechtliche Standards in El Salvador wiederhergestellt sind. Wer unter einem autoritären Regime Geschäfte macht, macht sich mitschuldig an Repression, Korruption und Umweltzerstörung. Wir verlangen Transparenz, Verantwortung und eine klare Abkehr von Projekten, die schwerste soziale und ökologische Schäden verursachen."

Hintergrund:

El Salvador kämpft seit Jahren mit enormen Wasser- und weiteren ökologischen Problemen. Deshalb wurde der metallische Bergbau 2017 nach jahrelangem Widerstand der Bevölkerung landesweit verboten. Seit der Aufhebung des Bergbauverbots Ende 2024 ist die Biodiversität des kleinen Landes erneut stark bedroht. Präsident Bukele hat zudem zahlreiche Schutzgebiete privatisiert und plant neben dem hochproblematischen Abbau von Gold und Silber auch die Ausbeutung von Thorium und den Bau von Kernreaktoren.

Ökonomisch ist El Salvador keineswegs stabil: Das von Bukele propagierte Bitcoin-Experiment gilt als gescheitert – mit massiven Verlusten für den Staatshaushalt und einer sinkenden Investitionssicherheit. Armut, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit und hohe Preise prägen den Alltag der Menschen. Nach Jahren des Rückgangs stieg die extreme Armut seit 2019 wieder an. 2023 lebten fast zehn Prozent der Bevölkerung – rund 600.000 Menschen – in extremer Armut.

Im Mai 2025 erschütterte die Verhaftung der renommierten Menschenrechtsanwältin Ruth López die Öffentlichkeit. López leitete die Abteilung für Korruptionsbekämpfung und Justiz der renommierten Menschenrechtsorganisation CRISTOSAL. Sie war, so CRISTOSAL, federführend an Ermittlungen in 15 Fällen von schwerer Korruption durch die Bukele-Regierung beteiligt. So reichte sie beispielsweise Strafanzeigen wegen mutmaßlichen Betrugs im Zusammenhang mit der Chivo Wallet ein, der gescheiterten digitalen Geldbörse, die die Regierung für den Handel mit Kryptowährungen geschaffen hatte; außerdem zeigte sie unrechtmäßige Immobilientransfers, Scheinarbeitsplätze in staatlichen Institutionen und illegale Bereicherung von Staatsbediensteten an.

Am 10. Oktober 2025 wurde ein neues Geldwäschegesetz verabschiedet, das wesentlich laxere Regelungen vorsieht und zahlreiche Sektoren der Wirtschaft der notwendigen Kontrolle entzieht.

Das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V. arbeitet seit über 30 Jahren zu El Salvador und mit lokalen Partnerorganisationen aus dem Bereichen Menschenrechte, Umweltschutz und Agrarökologie zusammen. Wir organisieren regelmäßig Speakerstours mit Referent*innen aus El Salvador in Deutschland und sind Mitglied des Runden Tisches Zentralamerika und des Dachverbandes kritische Aktionärinnen und Aktionäre.