Venezuela

Engel im Fall

Exgeneral Baduel muss sich wegen Verschwendung öffentlicher Gelder vorm Militärgericht verantworten

Als Raúl Baduel noch aktiver General war, achtete er sehr auf die äußere Form: Die Uniform saß immer perfekt und in seinem Büro roch es nach Weihrauch. Aus dem Radio klang Kirchenmusik und ein Heer von Madonnen- und Jesusstatuen umgaben seinen Schreibtisch, neben dem eine aufgeschlagene Bibel auf einem Stehpult lag. Der Soldat war bekennender Katholik und praktizierender Anhänger des Taoismus. Und Baduel spielte lange Zeit die Rolle des "Schutzengels", der im April 2002 den Präsidenten und Oberbefehlshaber Hugo Chávez aus den Händen der Putschisten befreit hatte.

Damals organisierte der General den militärischen Widerstand gegen die Umstürzler. Seine Männer holten Chávez aus dem Gefängnis ab und brachten ihn zurück in Amt und Würden. Aber Selbstbeherrschung, Disziplin und Takt, die er beispielsweise 2003 bei einem Gespräch mit internationalen Wahlbeobachtern an den Tag legte, waren am vergangenen Freitag verflogen, wie man sich anhand der Fernsehbilder von seiner Festnahme auf offener Straße in Maracay überzeugen kann. Ein Oberst musste sich wüste Beschimpfungen anhören, als er am letzten Freitag Baduel die sofortige Vorladung vor ein Militärgericht überbrachte. Damit nicht genug: Der Exgeneral widersetzte sich lautstark und gewaltsam der Aufforderung mitzukommen und musste von Beamten des militärischen Geheimdienstes DIM unsanft in den bereitstehenden Wagen bugsiert werden. Selbstverständlich fehlten die Kameras des regierungsfeindlichen Fernsehsenders Globovisión nicht, um die Szenen einzufangen.

Anlass für die Aktion war, dass Baduel in den vergangenen sechs Monaten vier Vorladungen der Militärstaatsanwaltschaft ignoriert hatte. Die Justiz ermittelt gegen ihn und zwei weitere hochrangige Offiziere wegen des ungeklärten Verbleibs von 31 Millionen Bolívares Fuertes (elf Millionen Euro).

Das Geld verschwand, als Baduel Verteidigungsminister (2005-2007) war. Von seinem Posten wurde er im Sommer 2007 entbunden. Im Dezember, kurz vor dem Referendum über die Verfassungsreform, wechselte Baduel ins Lager der Opposition. Den Seitenwechsel vollzog er, als er das Vorhaben seines langjährigen Weg- und Waffengefährten Chávez, die Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten auf zwei Legislaturperioden aufzuheben, einen "Putsch" nannte. Nach der gescheiterten Verfassungsreform triumphierte Baduel: "Wir haben erneut das Gespenst des Staatsstreichs besiegt." Im Anschluss versuchte die europäische Presse, allen voran die spanische Tageszeitung El País, den Exmilitär als die Galionsfigur eines "Chavismus ohne Chávez" aufzubauen. In einem Interview mit dem Blatt ließ der General a.D. im Mai 2008 durchblicken, er sei bereit, 2010 bei einem Abwahlreferendum gegen den Präsidenten anzutreten. Zuvor hatten Exilkubaner von der Nationalistischen Demokratischen Partei Kubas (PNDC) den "Verräter" (Chávez über Baduel) in Miami für seine antichavistische Haltung geehrt. Diese Geste sollte wohl helfen, den abtrünnigen Militär in den Reihen der heillos zerstrittenen venezolanischen Opposition salonfähig zu machen. In dem El País-Interview schürte Baduel auch die Angst vor einem Putsch, über den einige Offiziere nachdächten. Im September flog dann tatsächlich eine Militärverschwörung auf. Der Name Baduel fiel aber in diesem Zusammenhang nicht.


Den Originalartikel der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.