Venezuela / USA

US-Gericht folgt dubiosen Beweisen

Venezolaner in den USA wegen angeblicher Agententätigkeit verurteilt. FBI will Geschäftsmann als Spion enttarnt haben

Im so genannten Geldkoffer-Skandal hat ein Geschworenengericht in Miami (USA) Anfang November 2008 den venezolanischen Geschäftsmann Franklin Durán für schuldig befunden, als nichtregistrierter Geheimagent der venezolanischen Regierung in den USA agiert zu haben. Bei dem Fall geht es um die Behauptung von obskuren Zeugen und US-Geheimdiensten, Venezuelas Regierungschef Hugo Chávez habe den US-amerikanischen Geschäftsmann Guido Antonini Wilson mit einem Koffer mit 800.000 US-Dollar Schwarzgeld zur Unterstützung des Wahlkampfs der heutigen argentinischen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner nach Argentinien geschickt.

Unbestrittener Kern des Skandals ist, dass der argentinische Zoll im August 2007 diese Summe bei Antonini beschlagnahmte. Ob das Geld von der staatlichen venezolanischen Ölfirma PDVSA, von US-Geheimdiensten oder aus anderen dunklen Kanälen kam, ist unklar. Trotz aller Unklarheiten wird der Skandal aber für eine Kampagne vor allem rechter Medien gegen die linken Politiker Chávez und Fernández benutzt, sowohl in den USA wie in Venezuela und Argentinien.

Der bisherige Verlauf des Geldkoffer-Skandals ist durch die undurchsichtige Beteiligung von US-Regierungsstellen gekennzeichnet. Sie beschäftigen sich mit dem Fall, obwohl bei der zuständigen argentinischen Justiz ein Ermittlungsverfahren samt Haftbefehl gegen Antonini läuft. Einem argentinischen Auslieferungsbegehren haben die USA nicht entsprochen. Stattdessen versuchte die US-Bundespolizei FBI die argentinische Zoll-Beamtin, die den Geldkoffer im August 2007 im Flughafen von Buenos Aires beschlagnahmte, gegen Bestechungsgeld zu bestimmten Aussagen zu bringen.

Kronzeuge Antonini, geborener Venezolaner und heute US-Staatsbürger mit Wohnsitz in Miami, arbeitet zumindest seit 2007 eng mit dem FBI zusammen. Während des Prozesses gegen Durán kam ans Licht, dass das FBI dem Kronzeugen 30.000 US-Dollar gezahlt hat. Außerdem formulierte das FBI einen Brief Antoninis an den venezolanischen Präsidenten Chávez. In diesem Brief bot der Kronzeuge sein Schweigen über die angebliche Quelle und den Verwendungszweck der 800.000 US-Dollar an, wenn ihm 2 Mio. USD gezahlt würden.

Antoninis Rolle ist auch unklar, weil er in der Vergangenheit enge Beziehungen zu rechten Politikern in Venezuela unterhielt. Er arbeitete von 2000 bis 2002 für den venezolanischen Motoröl-Hersteller Veneco, an dem damals Pedro Carmona beteiligt war. Der Arbeitgeber-Präsident Carmona hatte sich beim gescheiterten Rechts-Putsch in Venezuela im April 2002 für 2 Tage zum Präsidenten erklärt. Mehrheitseigentümer von Veneco war damals Isaac Perez Recao. Recao trat zusammen mit Angestellten der ihm damals gehörenden Security-Firma Wackenhut ebenfalls beim Putsch auf und wird verdächtigt, an dem tödlichen Bombenattentat auf den venezolanischen Staatsanwalt Danilo Anderson 2004 beteiligt gewesen zu sein.

Veneco ist auch ein Bindeglied zwischen dem jetzt verurteilten Franklin Durán, dem ursprünglich in Miami mitangeklagten Venezolaner Carlos Kauffman und Antonini. Durán und Kauffman sind heute Eigentümer von Veneco.

Durán, Kauffman, der venezolanische Rechtsanwalt Moisés Maionica und der uruguayische Staatsbürger Rodolfo Wanseele waren im Dezember 2007 nach Miami geflogen, um mit Antonini über den Geldkoffer-Skandal und mögliche Verteidigungsstrategien Antoninis gegenüber der argentinischen Justiz zu reden. Vor dem Treffen ließ sich Antonini als eine Art Kronzeuge vom FBI mit einem verborgenen Mikrofon ausstatten, so dass die Unterhaltung mitgeschnitten werden konnte. Nach dem Gespräch nahm das FBI Antoninis drei Gesprächspartner fest.

Ursprünglich wurden alle vier Männer wegen geheimdienstlicher Tätigkeit in den USA angeklagt - nach dem Gesetz 18 USC § 951 ist das mit 15 Jahren Gefängnis als Höchststrafe bedroht. Direkt nach Eröffnung des Verfahrens bezeichneten sich alle vier Angeklagten als unschuldig. Doch kurz danach ließ die US-Staatsanwaltschaft das Verfahren für mehrere Wochen unterbrechen, setzte die Angeklagten unter Druck und bot gleichzeitig Geld für kooperative Aussagen.

Kauffman, Maionica und Wanseele ließen sich auf entsprechende gerichtliche Deals ein. Danach erklärten sich Kauffman und Maionica wunschgemäß zu venezolanischen Agenten und belasteten Durán. Antonini und Kauffman sagten vor dem Gericht in Miami weiterhin im Sinne der Anklage aus, dass die 800.000 US-Dollar aus dem Besitz der staatlichen venezolanische Ölgesellschaft PDVSA stammen würden und im Auftrag von Präsident Chávez für die Finanzierung des Fernández-Wahlkampfs gedacht gewesen seien. Vor allem Kauffman beschrieb darüber hinaus vor dem US-Gericht Kickback-Zahlungen, die Durán im Anschluss an lukrative Ölgeschäfte an PDVSA-Manager geleistet habe.

Duráns Anwalt Edward Shohat nannte das Gerichtsverfahren einen "politischen Zirkus" und kündigte Revision an. Die Geschworenen hatten sieben Tage um eine Mehrheitsentscheidung gerungen und im Lauf dieser Woche bereits einmal ein Abstimmungs-Patt gemeldet, bis sich dann doch eine Mehrheit für den Schuldspruch fand.

Shohat bewertete die Aussagen der Kronzeugen und den ganzen Prozess als Versuch der US-Regierung, die beiden linken Regierungen in Venezuela und Argentinien zu diskreditieren. Die vor dem Gericht in Miami verhandelten Vorwürfe hätten nichts mit der von der Anklage behaupteten Bedrohung der Sicherheit der USA zu tun. Deshalb sei die Anwendung des bewusst unpräzise gehaltenen Anti-Spionage-Paragraphen 18 USC § 951 in dem Verfahren ein Bruch der US-Verfassung. Der Gesetzesparagraph war ursprünglich während des Ersten Weltkriegs zur Verfolgung deutscher Spione verabschiedet worden.


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