Kuba

Justiz "made in Washington"

Vor 32 Jahren wurde ein kubanisches Zivilflugzeug Ziel eines Terroranschlags. Der Haupttäter genießt bis heute den Schutz der USA

Am 6. Oktober 2008 jährte sich zum 32. Mal der kaltblütige Mord an 73 Passagieren eines Zivilflugzeuges der Linie Cubana de Aviación über den Küstengewässern der Karibikinsel Barbados. Es sind zugleich gut drei Jahrzehnte der Straflosigkeit für Luis Posada Carriles, den geistigen Urheber dieses Terroraktes. Posada Carriles erfreut sich bis heute der Protektion des Weißen Hauses. TRotz der erdrückenden Beweislast und eines von Venezuela vorgelegten Auslieferungsantrages ist er auf freiem Fuß und spaziert durch die Straßen von Miami.

Ein weiterer Jahrestag kommt noch hinzu. Im vergangenen Monat hatten die fünf Kubaner, die in den Vereinigten Staaten die Einzelheiten der von Posada Carriles geleiteten terroristischen Kampagne gegen die Karibikinsel aufgedeckt hatten, zehn Jahre Haft in Hochsicherheitsgefängnissen zugebracht. Die fünf Männer waren in das antikubanische Netzwerk von Miami eingedrungen und hatten Beweismittel gesammelt, damit das FBI die für 1997 in Havanna deponierte Bomben Verantwortlichen in Haft hätte nehmen können. Die kubanische Regierung hatte dem FBI die entsprechenden Unterlagen zukommen lassen. Aber anstatt die Terroristen festzunehmen, nahm die Bundespolizeibehörde am 12. September 1998 die Informanten fest.

Nach einem düsteren Mythos Washingtons sind die fünf Kubaner Spione, Luis Posada Carriles ist ein Patriot und Venezuela gehört zusammen mit Kuba zur "Achse des Bösen". Hierbei handelt es sich um eine unsinnige Verkehrung der Wirklichkeit: Das Weiße Haus verbreitet eine Lügengeschichte.

In unangemessener Weise manipuliert und politisiert haben die US-Staatsanwälte vergessen, dass es ihre Hauptaufgabe ist, für Gerechtigkeit zu sorgen. Das Washingtoner Justizministerium selbst hat erst vor einer Woche festgestellt, dass der Generalprokurator der Regierung (oberster Beamter der Staatsanwaltschaft, d. Red.) während einer Säuberungsaktion im Jahr 2006 auf illegale Weise mehrere Staatsanwälte entlassen hat, weil sich diese geweigert hatten, der politischen Linie ihrer Vorgesetzten zu folgen. Die Fälle der fünf Kubaner und der Fall Posada bilden die Seiten ein und derselben Medaille: hier begehen einige linientreue Staatsanwälte auf Anweisung des Weißen Hauses Verrat an der Justiz, manipulieren den juristischen Prozess und sperren Unschuldige ein, während sie andererseits einen Schuldigen schützen.

In Wirklichkeit gibt es keine Beweise für eine Spionagetätigkeit der fünf Kubaner, während zugleich die terroristischen Aktivitäten Posadas mehr als offensichtlich sind. Die Fernschreiben, die inzwischen von der CIA offen gelegt worden sind, besagen, dass Posada Carriles das Büro der Agentur in Caracas einen Monat vor der Sprengung des Flugzeuges vorinformiert hat. "Wir werden einen Schlag gegen ein kubanisches Flugzeug führen", hieß es damals von ihm. Selbstverständlich hat Washington weder Kuba noch Venezuela vor dem bevorstehenden terroristischen Akt gewarnt. Die beiden ausführenden Täter, Hernán Ricardo y Freddy Lugo, haben ein Geständnis abgelegt: Ricardo hat zugegeben, dass Luis Posada Carriles sein Chef gewesen ist und dass er 25.000 Dollar dafür erhalten hat, das Flugzeug zur Explosion zu bringen. Die Rechnung beträgt also 342,47 Dollars für jedes ausgelöschte Leben.

Die fünf Kubaner wurden Jahre später hingegen in Miami abgeurteilt. Ohne Beweise für den Versuch, geheime Regierungsinformationen zu erlangen, verurteilte dort ein Gericht drei von ihnen wegen "Verschwörung zur Spionage". Gerardo Hernández erhielt eine doppelte lebenslängliche Strafe; außerdem wurde ihm Verschwörung zum Mord zur Last gelegt, obwohl die Staatsanwaltschaft selbst gefordert hatte, diese Anschuldigung wegen des Fehlens von Beweisen fallen zu lassen. Antonio Guerrero und Ramón Labañino wurden ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilt, Fernando González erhielt 19 und René González 15 Jahre. Miami ist so voller Vorurteile gegen die kubanische Revolution, dass nur dort ein Gericht in der Lage ist, fünf unschuldige Menschen ohne jeden Beweis zu verurteilen.

Die Staatsanwaltschaft und der Richter wissen dies und weigerten sich daher standhaft, den Gerichtsort zu verlegen. Dies ist der Hauptgesichtspunkt, den die Verteidigung in den nächsten Tagen dem Obersten Gerichtshof zur Revision vorlegen wird. In der Zwischenzeit bleiben die Fünf ungerechterweise in Haft, während Posada sich auf freiem Fuß befindet.

Der Terrorist verhält sich in Miami nicht etwa still und leise. Er stachelt seine Anhänger stattdessen dazu an, "die Klinge der Machete" gegen Kuba zu erheben. Die Behörden unternehmen natürlich nichts gegen diese Aufrufe zur Gewalt.

Um die Auslieferung an Venezuela zu hintertreiben, macht ihm die Staatsanwaltschaft wegen Falschaussage den Prozess und nicht etwa wegen Mordes oder Terrorismus. Die gesetzliche Strategie läuft darauf hinaus, ein schmutziges Spiel zu spielen, um der 73fachen Mordanklage aus dem Wege zu gehen, die in Caracas gegen ihn anhängig ist. Die Staatsanwälte wissen, dass die Höchststrafe, die die Richterin im Falle einer Verurteilung wegen Einwanderungsbetruges gegen ihn verhängen kann, zwölf Monate Gefängnis beträgt. Auf Grund dessen, dass Posada im Vorfeld 18 Monate lang eingesessen hat, würde ihn die Regierung nicht erneut einsperren können. Er ist und bleibt der Lieblingsterrorist des Weißen Hauses. Die CIA hat ihn ausgebildet, ihn gesteuert, ihn bezahlt und nun schützt sie ihn.

In seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen vor zwei Wochen sagte Präsident George W. Bush, dass keine Sache der Welt die Rechtfertigung dafür bieten könne, unschuldigen Menschen das Leben zu nehmen und dass die zivilisierten Nationen Terroristen keinen Schutz bieten dürften.

Dessen ungeachtet entspricht das Handeln Washingtons nicht den Worten des Präsidenten. Es gibt keine guten Terroristen und schlechten Terroristen.

Mit der Nichtbeachtung des Auslieferungsersuchens zu Luis Posada Carriles verletzt Washington internationales Recht: das Auslieferungsabkommen mit Venezuela, die Konvention über Terrorakte gegen die zivile Luftfahrt und die Resolution 1373 der Vereinten Nationen, die es einem nationalen Staat verbietet, einem Terroristen Unterschlupf zu gewähren.

Mit der Verurteilung der fünf Kubaner in Miami, ohne Beweis vorzulegen, haben die Vereinigten Staaten ihre eigene Verfassung, sowie die zivilen Rechte dieser Menschen verletzt. Wegen ihres mutigen Kampfes gegen den Terrorismus verdienen es die Fünf ausgezeichnet und nicht verurteilt zu werden. Posada dagegen sollte vor dem Hintergrund seines von Feigheit geprägten Werdeganges nicht geschützt, sondern ausgeliefert und abgeurteilt werden.

Venezuela wird indessen in diesem Kampf keine Ruhe geben bis die Vereinigten Staaten die Fünf in die Freiheit entlassen und Posada an Caracas ausliefern, bis sie internationales Recht und die nationale Souveränität der übrigen Länder respektieren, bis sie ihre Philosophie von Ausbeutung, Krieg und Terror beenden, bis sie diesem perversen Theater ein Ende bereiten.

José Pertierra ist Anwalt in Washington D.C. und vertritt die Bolivarische Republik Venezuela Übersetzung: Klaus E. Lehmann


Den Originaltext finden Sie hier.