Honduras - Frisiert für Democracy

Wir dokumentieren den Blog-Beitrag zu den Wahlen in Honduras von Correos de las Américas des Zentralamerika Sekretariats (Schweiz) in leicht überarbeiteter Form

Der Putsch geht in eine neue Phase, die "demokratische". Auch wenn die Höhe der realen Wahlbeteiligung noch unklar ist, die offiziellen Angaben des putschistischen Wahlgerichts TSE - es spricht von 61.3 Prozent. Beteiligung - können unmöglich stimmen. Sie wäre damit rund 6 Prozent höher als bei den letzten Wahlen im Jahr 2005. Das ist purer Quatsch. Übereinstimmend wird berichtet, dass in den Armenvierteln der Städte eine absolut minimale Wahlbeteiligung herrschte, während die Mittelschicht aufwärts wählen ging. Interessanterweise berichtet die Washington Post heute in einem noch während der Putschwahlen verfassten Bericht von Prognosen des TSE, wonach die Beteiligung 47.6 Prozent erreichen werde.

Der bekannte Jesuit Israel Moreno, Leiter von Radio Progreso, berichtete gestern: "Der Zulauf zu den Wahlurnen war absolut rachitisch, tropfenweise, und derzeit ist aufgrund unserer Beobachtungen an verschiedenen Wahltischen die Wahlabstinenz das bestimmende Element". Moreno beleuchtet auch den Entscheid des TSE vom Nachmittag, die Wahllokale um eine Stunde länger offen zu halten: "Dieser Entscheid belegt die absurde Dynamik, in welche dieser Prozess der Konstruktion und Legitimierung des Staatsstreiches gefallen ist. Denn ohne Zweifel haben sie mit dem, was sie gesagt haben, eine Typ Wahlbetrug eingeführt". Der Pater bezog sich außer auf den Beschluss der späteren Lokalschliessung auf den Nachmittagsentscheid des TSE, dass die fortan die Spezialtinte nicht mehr nötig sei, in welche ein Finger der wählenden Person eingetaucht wird, um sie so an einer weiteren Stimmabgabe zu hindern. Das TSE begründete dies mit der Behauptung, dass die Tinte aufgrund der massiven Wahlbeteiligung ausgegangen sei. Sowohl die verlängerte Öffnungszeit wie auch die Tintensache haben jedoch keine reale Basis bei einer außer in den reichen Stadtteilen minimalen Wahlbeteiligung.

Der Verdacht ist nahe liegend, dass die Gorillas des TSE damit eine Notoperation für eine Beteiligungsfrisierung eingeleitet haben. Zu der Behauptung des Wahlgerichts, bei der Wahlfarce von gestern handle es sich um die am besten beobachteten Wahlen mit der grössten je erreichten Beteiligung meint Moreno: "Man darf bei diesen Behauptungen des Wahlgerichts mit Recht misstrauisch sein, denn unsere Beobachtungen an den Wahltischen gehen in Richtung einer authentischen Abstinenz, diese Behauptungen der Wahlen mit der größten Beteiligung lassen sich nur vor dem Hintergrund einer vorher gefassten Entscheidung verstehen, dass man unabhängig von der Zahl der WählerInnen, um Argumente zu haben, die Bedingung der Tinte aufhebt und die Öffnungszeit um eine Stunde verlängert". Anzufügen wäre noch, dass laut Wahlgesetz das TSE keinerlei Kompetenz besitzt, die Tintenerfordernis aufzuheben.

Von der Washington Post bis zur Widerstandsfront ist man sich einig: In den armen Stadtteilen wurde kaum gewählt. Doch dies kümmert das Putschlager nicht. CNN sprach schon gestern Abend (Ortszeit) von 70 Prozent Wahlbeteiligung. Mit dissidenten Ansichten wird man auf erprobte Weise fertig. Als gestern im Hotel, in dem das TSE seine Resultate bekannt gab, eine Gruppe internationaler Putschfans, die sich als "Wahlbeobachter" deklarieren, von einer enthusiastischen Wahlbeteiligung fabulierten, intervenierte eine Journalistin von al-Jazeera mit dem Hinweis auf die enorm tiefe reale Quote. Das war falsch. Die "Wahlbeobachter" drängten sie physisch zum Raum hinaus, darunter aktiv der frühere salvadorianische Staatspräsident Calderón Sol. Hillary Clintons Mann kündigte heute im Präsidentenpalast von Costa Rica an, die neu gewählte demokratische Regierung anzuerkennen; Hugo Llorens, der US-Botschafter in Tegucigalpa, wiederholte, ebenso wie ein Sprecher des State Departments, die seit Tagen verwandte Formel: "Die Wahlen sind ein notwendiger, aber nicht hinreichender Schritt" zurück zu volldemokratischen Verhältnissen (El Tiempo, 30.11.09). Washington meint damit, jetzt solle das honduranische Parlament eine Art Regierung der "nationalen Einheit" unter - why not? - einem wieder eingesetzten Präsidenten Zelaya befürworten, damit dieser auch geziemende Übergabefeiern an die Regierung von Putschist Pepe Lobo organisieren könne.

Im Zusammenhang mit der Operation von gestern von Demokratie zu reden, ist natürlich zynisch. Nicht nur die frisierten Wahlzahlen verbieten das, sondern auch die von zahlreichen internationalen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und der CIDH (OAS) konstatierten systematischen Verletzungen bei den Voraussetzungen für halbwegs plausible Wahlvorgänge (Armeeterror, Mediengleichschaltung, Folter von Oppositionellen etc.). Natürlich wird nichtsdestotrotz Washington, ergo die "internationale Gemeinschaft", mehrheitlich auf business as usual einschwenken. Und dafür eine merkliche Verschärfung auf dem Kontinent ernten - und in Honduras, wo die Leute die Wahrheit wissen.

In den hiesigen Medien wird die Putschversion übernommen werden, da und dort mit ein paar vornehmen Worten angereichert, die seelische Distanz zu den doch etwas sehr ruppigen Gorillas transportieren sollen. Viele AuslandkorrespondentInnen vor Ort werden schon gar nicht auf die Idee gekommen sein, zur Abwechslung mal aus einem Wahllokal in einer Armutszone zu berichten, und können sich so noch einreden, "ehrlich" zu sein - im Upperclass-Wahlzentrum war die Beteiligung ja gar nicht schlecht. Die vielen Menschenrechtsverletzungen vor, während und nach der Wahlfarce sind so gut wie kein Thema.

Was kümmert etwa schon die Nachricht, dass 15 Menschen aus der nahe zu El Salvador gelegenen Gemeinde Santa Elena im Department La Paz nach el Salvador geflüchtet sind. Aus guten Gründen, wie die Geschichte des sich darunter befindenden Campesino José Asunción Martínez zeigt. Letzten Freitag machte die Polizei bei ihm nachts eine Hausdurchsuchung, es gelang ihm, durch ein Fenster zu entkommen. Um 1 Uhr nachts erwischen ihn aber mehrere Polizisten einer Spezialeinheit und verprügelten ihn so, dass er einige Stunden bewusstlos liegen blieb - mit einem gebrochenen Arm. Er sei für einen Anschlag auf einen Sendemast eines Radios verantwortlich, brüllten sie ihn an. Sie schossen in die Luft, drohten ihn zu erschiessen und rückten auch mit dem wahreren Grund ihres Terrors heraus: Martínez sei Mitglied der indigenen und Campesinaorganisation COPINH. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch Leute, die in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit Aktionen des Widerstands verhaftet worden waren und jetzt um ihr Leben fürchten. Sie teilen damit das Los all jener, die von der Armee als AktivistInnen des Widerstands identifiziert worden sind. Unvergessen ist das Zirkular der Armeespitze an alle BürgermeisterInnen des Landes, Mitglieder der Resistencia zu denunzieren. Democracy eben - ein grosses Aufatmen in den freien Medien, dass in Honduras Chávez gestoppt werden konnte.


Originalbeitrag auf ZAS Correos de las Américas