Haiti / Politik

Regierungsloser haitianischer Präsident auf Europareise

Port-au-Prince. Der haitianische Präsident Michel Martelly hat seine geplante Staatsreise durch Europa nach massiver Kritik der parlamentarischen Opposition verkürzt. Nach knapp sechs Wochen im Amt, hatte Martelly eine zehntägige Reise durch verschiedene europäische Länder angekündigt um das Image seines Landes zu verbessern und Investoren anzulocken. Nach massiver Kritik aus den Reihen des Parlaments musste er nun seine geplante Rundreise durch Spanien, Frankreich, Großbritannien und Belgien auf eine Stipvisite in Spanien reduzieren. Dort wird er heute (6. Juli) eintreffen und bereits am kommenden Wochenende wieder den Heimflug antreten.

Der Vorgang wirft ein Licht auf ein grundsätzliches Dilemma, in dem sich der frisch gebackene Präsident befindet. Noch gibt es nämlich keine neue Regierung in dem nach wie vor zerrütteten Land. Da er weder im haitianischen Parlament noch im Senat über eine eigene Hausmacht verfügt, ist absehbar, daß ihm das Regieren äußerst schwer gemacht werden wird. So ist der von ihm den beiden Kammern vorgeschlagene Kandidat für den Posten des Premierministers, Daniel Rouzier, an der oppositionellen Parlamentsmehrheit gescheitert. Ähnlich wird es ihm voraussichtlich auch mit der nächsten Option, dem früheren Justizminister Bernard Gousse (2004-2006), ergehen. Die parlamentarische Mehrheit aus ehemaligen Parteigängern des Ex-Präsidenten Préval und Abgeordneten der OPL (Organisation Peuple en Lutte) wird alles daran setzen, einen ihr genehmen Regierungschef in den Sattel zu setzen. Damit von einer weitgehenden Lähmung des staatlichen Regierungshandelns auszugehen, da der politisch unerfahrene Martelly bei geltender Verfassung es kaum schaffen wird, weitreichende Entscheidungen gegen den Willen der parlamentarischen Mehrheit zu treffen.

Ein weiterer Grund für die Verkürzung seiner Reise liegt darin, dass in einigen der für den Staatsbesuch geplanten Ländern noch keine neuen Botschafter ernannt wurden. Ob der in Deutschland amtierende Botschafter Jean Robert Saget seinen Posten behält, ist noch nicht entschieden.