Chile / Menschenrechte

Anklage wegen US-Opfers während Pinochet-Diktatur in Chile

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Boris Weisfeiler 1976
Boris Weisfeiler 1976

Santiago de Chile. Der chilenische Untersuchungsrichter Jorge Zepeda  hat am Dienstag Anklage gegen acht ehemalige Militär- und Polizeiangehörige wegen der Entführung eines US-Amerikaners im Jahr 1985 erhoben. Zugleich ordnete er die Festnahme der Angeklagten an. Der russischstämmige Mathematikprofessor Boris Weisfeiler war von einer Wanderung in der Nähe der berüchtigten Deutschen-Siedlung "Colonia Dignidad" im Januar 1985 nicht zurückgekehrt und gilt seitdem als "verschwunden".

Der Anklageschrift zufolge wurde Weisfeiler von Polizei- und Militärangehörigen verhaftet und verschleppt. Die Entführer hatten, um die Tat zu verschleiern, angegeben, Weisfeiler sei vermutlich im Rio Nuble ertrunken. Einem Zeugen zufolge soll Weisfeiler jedoch für einen "Extremisten" gehalten worden sein, der im militärischen Sperrgebiet um die Colonia Dignidad – nahe der argentinischen Grenze – spionieren wollte. 


Richter Zepeda berichtet in seinem Anklagetext auch von einem mysteriösen anonymen Informanten. Dieser soll gegenüber der US-Botschaft ausgesagt haben, Teil einer Militärpatrouille gewesen zu sein, die Weisfeiler nach seiner Verhaftung in die Colonia Dignidad gebracht habe. Dort sei der US-Bürger hingerichtet worden. Die Identität dieses Informanten ist bislang jedoch ungeklärt.


Die Ermittlungen im  Fall Weisfeiler waren einige Jahre nach seinem Verschwinden von der chilenischen Justiz eingestellt worden. Nach der Freigabe umfangreicher Aktenbestände zur chilenischen Militärdiktatur seitens US-Regierungsbehörden im Jahr 2000 waren die Ermittlungen jedoch wieder aufgenommen worden.

Boris Weisfeiler ist der einzige US-Staatsbürger, der zu den "Verhaftet-Verschwundenen" der chilenischen Militärdiktatur zählt. Seine Schwester, Olga Weisfeiler, setzt sich seit vielen Jahren für eine Aufklärung des Falles ein und dokumentiert ihre Bemühungen auf einer eigenen Webseite. Sie äußerte gegenüber der New York Times Hoffnung, dass die Angeklagten in der Untersuchungshaft ihr Schweigen brechen, damit die Todesumstände ihres Bruders ans Licht kommen.