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Rafael Correa über die neue Linke

Ecuadors Präsident spricht über den Umbruch in Lateinamerika: "Wir hatten sogar Angst davor, eigenständig zu denken"

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Ignacio Ramonet und Rafael Correa
Beim Interview: Ramonet und Correa

Quito. Ecuadors Präsident Rafael Correa hat sich in einem Interview mit dem hispano-französischen Journalisten Ignacio Ramonet für weitere Reformen und eine Stärkung der Autonomie der Staaten Lateinamerikas ausgesprochen. "Eine der großen Krisen Lateinamerikas war, dass wir sogar Angst davor hatten, eigenständig zu denken", sagte der Staatschef in dem ausführlichen Gespräch, das in der ecuadorianischen Regierungszeitung El Ciudadano (Der Bürger) erschien.

Die Staaten Lateinamerikas und der Karibik seien von einer Politik dominiert worden, die auf einen angeblichen Konsens basierte, "dabei wurden wir Lateinamerikanerinnen und Lateinamerikaner nicht einmal gefragt", so Correa in Anspielung auf den "Washington Consensus". Dieses von den USA vorgegebene Konzept beschreibt die neoliberale Strategie, mit der in den 1990er Jahren in Lateinamerika in großem Maße das neoliberale Wirtschaftssystem eingeführt wurde.

Nun sei die Zeit gekommen, "ohne Angst nachzudenken", sagte Correa weiter, denn Lateinamerika könne der Welt viele Vorschlägen anbieten.

Zugleich äußerte sich der Staatschef über die neue Linke in der Region: "Im Rahmen unserer linke Vision, der einer modernen Linken, müssen wir uns ohne Angst auch den Fehlern der Vergangenheit stellen. Was der Linken am meisten schadet, das sind die Dogmen, das Leben in ideologischen Fesseln".

Vorrangiges Ziel für die lateinamerikanische Linke müsse weiter sein, Antworten auf die Bedürfnisse der Armen und der großen Mehrheiten zu geben. "Wir können uns viele Gedanken machen und viel Selbstkritik schaffen. Vielleicht war es das, was der orthodoxen Linken fehlte", so Correa weiter.

Eine klare Absage erteilte Ecuadors Präsident den Gegnern der anti-neoliberalen Regierungen. Für die lateinamerikanische Oberschicht und die rechten Hardliner in den USA sei die Demokratie in Lateinamerika nur so lange gut, wie sie ihren Zielen diene. "Die Demokratie interessiert diese Gruppen nicht das Geringste. Was sie interessiert, das ist die Beibehaltung ihrer Privilegien, ihrer Machtpositionen, weshalb die fortschrittlichen Länder der Region ständig Verschwörungen ertragen müssen".
 Er erinnerte an die Staatsstreiche und Putschversuche in Venezuela (2002), Bolivien (2008), Honduras (2009), Ecuador (2010).

"Früher wurden die Staatsstreiche durchgeführt, indem ein General mit seiner Streitmacht auftauchte, den Präsidenten stürzte und die Macht an sich riss. Das ist heute nicht mehr möglich, zumindest nicht in Lateinamerika", sagte Correa. Deswegen würden "neuen Formen von Putschversuche" entstehen, gegen die sich die demokratischen Staaten der Region wappnen müssten.