Lehrergewerkschaft nach Entführung im Aufruhr

Mexikanischer Grundschullehrer seit Mitte März vermisst. Gewerkschaft fordert Rückkehr des Kollegen und Protestiert gegen Repression

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Ein Wandbild fordert die lebendige Rückkehr des entführten Lehrers Carlos René Román Salazar
Ein Wandbild fordert die lebendige Rückkehr des entführten Lehrers Carlos René Román Salazar

Oaxaca. Starke Proteste gehen zur Zeit von der mexikanischen Lehrergewerkschaft SNTE aus. Hintergrund ist, dass seit dem 14. März vom mexikanischen Grundschullehrer Carlos René Román Salazar jede Spur fehlt. Sein Auto wurde in einem Außenbezirk von Oaxaca Stadt gefunden. Seine Habseligkeiten befanden sich unberührt im Innenraum. Der Verdacht, dass es um ein gewaltsames Verschwindenlassen handelt und nicht etwa um eine Entführung zwecks Lösegelderpressung, erhärtet sich zunehmend. Román Salazar gehört einer libertären Strömung innerhalb der SNTE an und arbeitete zuletzt intensiv an der alternativen Schulreform. Diese erkämpfte sich die lokale Sektion 22 der Lehrergewerkschaft in Oaxaca, die ganz im Gegensatz zur neoliberalen Reform namens "Allianz zur Qualitätssteigerung der Erziehung" im übrigen Mexiko steht.

Die Lehrergewerkschaft reagierte auf das Verschwinden ihres Führungsmitglieds mit massiven Mobilisierungen, welche zunehmenden Druck auf die Behörden aufbauen sollen, damit diese das Verbrechen aufklären. So blockierten sie am vergangenen Dienstag 42 neuralgische Verkehrsknoten und legten so den gesamten Bundesstaat lahm. Azael Santiago Chepi, Generalsekretär der Sektion 22 der Lehrergewerkschaft, verurteilte die Untätigkeit der neuen Regierung bei der Aufarbeitung der Staatsverbrechen der Vergangenheit genauso wie im aktuellen Fall des verschwundenen Lehrers. Die Regierung besteht aus linken Parteien und der rechten PAN.

Die ehemalige Staatspartei PRI hat großes Interesse an der Destabilisierung von Oaxaca. Einige Vertreter des alten Machtapparates sitzen auch in der neuen Administration an Schlüsselpositionen. "Wir schließen nicht aus, dass innerhalb der Regierung Dinge ohne Wissen des Gouverneurs Gabino Cué geschehen, mit dem Ziel, den Bundesstaat zu destabilisieren", warnte Chepi. Doch die Lehrerinnen und Lehrer seien nicht bereit, sich für solche Zwecke instrumentalisieren zu lassen.

Wie wenig es braucht, dass die Situation ähnlich wie beim Aufstand im 2006 eskaliert, zeigte der Besuch des Präsidenten Calderón am 15. Februar. Wie sich im Nachhinein erwies, wurde die Eskalation von Einheiten aus der militärischen Präsidentenschutzeinheit und von PRI-Militanten geschürt. Den politischen Schaden der mehrstündigen Auseinandersetzungen trägt insbesondere die Lehrergewerkschaft. Die PRI und Teile der PAN haben großes Interesse daran, die soziale Bewegung und die Regierung Cué gegeneinander aufzubringen.

Auch Präsident Calderón (PAN) fährt eine aggressive Strategie gegen die Gewerkschaften. Er will zusammen mit der PRI durch eine Reform der Arbeitsgesetzgebung die Rechte der Arbeitnehmer massiv einschränken. Die PRI spielt ihr eigenes Spiel, hat sie doch ein großes Interesse daran, dass die Links-Rechts-Koalition von Oaxaca für die Präsidentschaftswahlen von 2012 nicht Schule macht.

Aktuell befindet sich die "Arbeitsgruppe über erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwinden" der UNO auf Arbeitsvisite in Mexiko, um die Situation der unzähligen Fälle von Verschwundenen im Norden des Landes zu dokumentieren. Aber auch in südlichen Bundesstaaten wie Guerrero und Oaxaca wird die Praxis des Verschwindenlassens, bekannt aus dem schmutzigen Krieg gegen die Guerillabewegungen der siebziger Jahre, weiter zur Terrorisierung der sozialen Bewegungen eingesetzt.