Haiti / Politik

Haitis 17-Prozent-Präsident

Die Wahlen in Haiti sind relativ ruhig über die Bühne gegangen. Doch die Passivität der Bevölkerung stellt Sieger Martelly auch vor Probleme

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Michel Martelly in Wahlkampagne
Das Regieren wird weniger lustig: Michel Martelly während Wahlkampagne

Port-au-Prince. In ungewohnt ruhiger Atmosphäre wurde in Haiti am Sonntag der Musiker Michel Martelly in der Stichwahl zum Präsidenten gewählt. Entgegen anders lautenden Befürchtungen verlief der Urnengang im gesamten Land beinahe reibungslos. Ein sichtlich erleichterter UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon fand inmitten der Wirren um die Libyen-Resolution des Sicherheitsrates auch noch Zeit, die Haitianer zu der "gelungenen Wahl" zu beglückwünschen. Positive Reaktionen kamen auch von der Außenbeauftragten der EU, Cathrine Ashton, dem Chef der Beobachtermission aus Organisation Amerikanischer Staaten und CARICOM, Colin Granderson, dem Chef der MINUSTAH, Eduardo Mulet, sowie den Botschaftern der USA, Kanadas und Frankreichs.

Sie alle hatten noch wenige Tage zuvor ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, dass die Ankunft des Ex-Präsidenten Jean Bertrand Aristide aus dem südafrikanischen Exil den geordneten Ablauf der Wahlen stören könne.

Am 18. März, kurz vor der Wahl, war Aristide auf dem internationalen Flughafen "Toussaint Louverture" gelandet. Dort erklärte er, dass die Zeit der Ausgrenzung der Mehrheiten in Haiti vorbei sein müsse. Als "Resident", nicht als Präsident, wolle er nun daran mitwirken eine Politik der Inklusion zu betreiben. Das bedeute auch, dass seine Partei, die von den Wahlen ausgeschlossene Fanmi Lavalas, wieder in das politische Leben Haitis einbezogen werden müsse.

Aristide legte damit seinen Finger in eine offene Wunde, denn die jüngsten Wahlgänge in Haiti haben massive Legitimitätsprobleme. Die Wahlbeteiligung am Sonntag lag nach bisherigen Erkenntnissen nur unwesentlich höher als bei der ersten Runde, in der sie mit 23 Prozent angegeben wurde. Von knapp vier Millionen Wahlberechtigten haben damit nur etwas mehr als eine Million eine gültige Stimme abgegeben. Für Martelly stimmten demnach gerade einmal 17 Prozent der Wahlberechtigten.

Dabei erreicht Martelly zumindest prozentual einen vergleichbaren Sieg wie 20 Jahre zuvor der erste nach der Duvalier-Diktatur demokratisch gewählte Präsident Aristide, der allerdings bereits im ersten Wahlgang 67 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte. Damals lag die Wahlbeteiligung zudem bei 80 Prozent.

Die Anhängerschaft des selbsternannten "Königs des Compas" (eine sehr populäre Musikrichtung in Haiti) feierte den Wahlsieg mit lauten Hupkonzerten und einem Autokorso um den St.-Pierre-Platz in Petionville, wo die Wahlbehörde CEP ihren Sitz hat. Der Platz liegt vor einer der wenigen Kirchen, die das Erdbeben einigermaßen unbeschadet überstanden haben. Er wird nach wie vor von einigen hundert Familien in notdürftigen Zelten bevölkert. Man darf gespannt sein, mit welchen Lösungen der neue Präsident, der sein Amt am 14. Mai antreten wird, gegenüber den rund 800.000 Obdachlosen aufwarten wird.

Der zukünftige Präsident wird nicht nur gegen eine deutliche parlamentarische Mehrheit der früheren Regierungspartei "Inite", sondern auch gegen eine große skeptische Mehrheit Nichtwähler regieren müssen. Über die politische Rolle von Aristide und seiner Partei "Fanmi Lavalas" lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur so viel sagen, dass mit ihm wieder ein politisches Schwergewicht die haitianische Bühne betreten hat.