Streit um Wahrheitskommission zur Militärdiktatur

Militärs in Brasilien wollen Gesetz zur Aufklärung der Menschenrechtsverbrechen der Militärdiktatur verhindern

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Gegen die Militärdikatur
"Nieder mit der Diktatur". Historisches Foto aus der Zeit der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985)

Brasília. Kongressabgeordnete der Regierungsallianz haben Ende April gemeinsam mit Parlamentariern von oppositionellen Parteien im brasilianischen Abgeordnetenhaus die zügige Verabschiedung des Gesetzes 7.376 gefordert. Es sieht die Einrichtung einer Wahrheitskommission vor, welche die Verbrechen aus der Zeit der Militärdiktatur (1964-1985) untersuchen soll.

Die Gesetzesvorlage war noch im vergangenen Jahr unter dem damaligen Präsidenten Lula in den Kongress eingebracht worden, wird aber vom Militär und etlichen Abgeordneten rechter Parteien abgelehnt. Auch Verteidigungsminister Nelson Jobim wandte sich gegen die Einrichtung einer Wahrheitskommission, bevor er diese dann doch befürwortete, allerdings unter der Vorgabe, dass nur untersucht, es aber nicht zu Bestrafungen der Täter kommen dürfe.

Für die Ministerin des Sondersekretariats für Menschenrechte, Maria do Rosário, wäre die Einrichtung einer solchen Kommission zur Aufklärung der begangenen Verbrechen der Militärdiktatur ein Zeichen für das "Recht auf Erinnerung". Auch der neue Justizminister José Eduardo Cardozo hatte sich vehement für die Einrichtung einer Wahrheitskommission ausgesprochen. "Die Wahrheitskommission, die zur Zeit im Nationalkongress diskutiert wird, ist eine Pflicht des brasilianischen Staates. Das Recht auf Aufklärung der Fakten ist eine historische und demokratische Verpflichtung", erklärte Minister Cardozo. "Wer sich der Suche nach Wahrheit widersetzen möchte, kann dies im Rahmen demokratischer Meinungsäußerung, die wir heute haben, tun. Was ich sagen kann, ist, dass das, was die brasilianische Gesellschaft heute will, die Wahrheit ist."

Führende Militärangehörige hatten zuvor in einem Brief an das Verteidigungsministerium damit gedroht, dass die Einrichtung einer Wahrheitskommission "Spannungen und ernsten Zwist" hervorrufen könnte. Mitte April hatten Militärangehörige eine juristische Schlappe hinnehmen müssen, als sie mit ihrer Verbotsklage gegen eine aktuell laufende Telenovela im Abendprogramm gescheitert waren. Die Telenovela "Amor e Revolução" hatte sich kritisch mit der Militärdiktatur auseinandergesetzt.

In Brasilien gilt nach wie vor ein von der Militärdiktatur erlassenes Amnestiegesetz von 1979, das strafrechtliche Anklagen gegen Militärs verhindert. Im Jahre 2008 gelang es Opfern der Militärdiktatur erstmals, einen Folterer vor Gericht zu bringen. Der Prozess gegen den ehemaligen Chef des in den 1970er Jahren berüchtigten Folterzentrums DOI-CODI in São Paulo war von den fünf Mitgliedern der Familie Teles als zivilrechtliche Feststellungsklage gegen Oberst Carlos Alberto Brilhante Ustra seit 2006 angestrengt worden. Vor Gericht ging es ausschließlich um das Recht, den Folterer als Folterer bezeichnen zu dürfen. Eine Bestrafung Ustras oder eine Entschädigung der Familie war in der Klage nie vorgesehen. Ustra hatte Mitglieder der Familie Ende 1972 im DOI-CODI gefoltert. Die Kläger gewannen den Prozess: Sie dürfen Ustra einen Folterer nennen.