Gefängnisrevolte in Venezuela beendet

Bandenchefs geben Widerstand auf und ergeben sich den Sicherheitskräften. Vier Tote bei Fluchtversuch

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Sicherheitskräfte bei einer Inspektion des eingenommenen Gefängnisses El Rodeo II
Sicherheitskräfte bei einer Inspektion des eingenommenen Gefängnisses El Rodeo II

Caracas. Knapp einem Monat nach Beginn einer Gefängnisrevolte in der Haftanstalt El Rodeo östlich der venezolanischen Hauptstadt Caracas haben sich die Gefangenen den Sicherheitskräften ergeben. Am Dienstag hatten die Köpfe der Aufständischen telefonisch gegenüber Medien angekündigt, ihren Widerstand aufzugeben. Am Mittwochmorgen verließen dann insgesamt 831 die Häftlinge das Gefängnis und ergaben sich der Nationalgarde. Einer Gruppe unbekannter Größe war zuvor teilweise ein Fluchtversuch gelungen, bei dem vier Menschen erschossen wurden. Unter den Geflohenen befindet sich auch einer der so genannten Pranes des Gefängnisses mit dem Spitznamen "Oriente". Die "Pranes" sollen die Köpfe bewaffneter Banden sein, welche in den Gefängnissen die Kontrolle ausüben.

Die Gefängnisunruhe begann am 12. Juni, als mindestens 23 Menschen das Leben verloren. Daraufhin nahmen staatliche Sicherheitskräfte am 17. Juni den ersten Gebäudekomplex ein, während sich schwer bewaffnete Insassen im zweiten Komplex verschanzten. Nach Regierungsangaben befanden sich dort etwa 1.000 Häftlinge in der Gewalt der Aufständischen. Diese weigerten sich, aufzugeben und sich durchsuchen zu lassen, berichteten lokale Medien. In der vergangenen Woche wurden jedoch zunächst 148 und dann weitere 29 Insassen aus dem Gefängnis gelassen. Im Gegenzug sollen staatliche Stellen Lebensmittel geliefert haben. Nun erklärten die rebellischen Insassen jedoch, die Regierung habe den "Erschöpfungskrieg" gewonnen, weil im Gefängnis kein Wasser und keine Lebensmittel mehr vorhanden gewesen seien.

Bis zuletzt hatte die Regierung auf eine friedliche Lösung des Konflikts beharrt. Seit Beginn der Unruhen Mitte Juni war es wiederholt zu Verhandlungen zwischen den Insassen und der Regierung unter Beteiligung von Familienangehörigen gekommen. Erst jetzt führten sie zu einem Ergebnis. Während Angehörige der Gefangenen und Oppositionspolitiker der Regierung teilweise vorgeworfen hatten, ein "Massaker" anrichten zu wollen, hatte diese immer wieder betont, den Menschenrechten der Gefangenen Priorität einzuräumen.

Im Zuge der Gefängniskrise hat Innenminister Tareck El Aissami verschiedene Maßnahmen angekündigt, um den Strafvollzug zu "humanisieren". Ende Juni waren mehrere Funktionäre der Nationalgarde festgenommen worden, die im Zusammenhang mit der Bewachung der Gefängnisse in Korruption und Waffenhandel verwickelt gewesen sein sollen. In Zukunft soll das Personal der Nationalgarde, welches für die Bewachung der Außenbereiche verantwortlich ist, alle drei Monate rotieren, um Korruption zu erschweren. Dies erklärte am Montag der Kommandant der Truppe, Luis Motta Domínguez. Darüber hinaus hat der Präsident des südamerikanischen Landes ein neues Ministerium für den Strafvollzug gegründet, welches sich der teilweise völlig überfüllten Gefängnisse annehmen soll.

Dass in diesem Bereich noch extrem viel Arbeit vor der Regierung liegt, bestätigte der Vizeminister für Prävention und Bürgersicherheit, Néstor Reverol, am Dienstag unfreiwillig. In einem Interview erklärte er, dass der Staat die Kontrolle über den Innenbereich der Haftanstalten zurückgewinnen müsse, um eine "Humanisierung" möglich zu machen. Damit gestand er indirekt ein, dass auch nach zwölf Jahren Chávez-Regierung in diesem Bereich kaum Veränderungen stattgefunden haben und weiter teilweise katastrophale Haftbedingungen vorherrschen.