Tödliche Gewalt gegen Landbesetzer in Argentinien

Mindestens vier Tote nach Räumungsbefehl im Norden des Landes. Linker Gouverneur vermutet politische Sabotage

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Polizei ging massiv gegen Demonstranten vor
Polizei ging massiv gegen Demonstranten vor (Screenshot)

Buenos Aires. Drei tote Landbesetzer, ein toter Polizist, 50 Verletzte, unter ihnen drei Schwerverletzte in Intensivbehandlung, sind die vorläufige Bilanz einer gewaltsamen Räumungsaktion durch Sicherheitskräfte im Norden Argentiniens. Laut Medienberichten war es in der 50.000-Einwohner-Ortschaft Libertador General San Martín in der an Bolivien und Chile grenzenden Provinz Jujuy am Donnerstagmorgen zu einer vierstündigen Auseinandersetzung zwischen Einheiten der Polizei und Landbesetzer-Familien gekommen.

Mit Tränengas, Schlagstöcken und Gummigeschossen waren 350 Polizisten auf das 15 Hektar große Grundstück vorgedrungen, das von rund 700 Familien besetzt gehalten wird. Kurz zuvor hatte ein Distriktsgericht die sofortige Räumung des Geländes angeordnet, das vom Zucker-Konsortium "Ledesma S.A. I.I." beansprucht wird. Das Unternehmen kontrolliert den gesamten Landbesitz rund um das Stadtzentrum von San Martín.

Unmittelbar nach dem Eindringen der Sicherheitskräfte auf das von Notunterkünfte und Zelte bebaute Areal war es zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Bewohnern gekommen, so Augenzeugen. "Wir wissen noch nicht wie viele Tote es gibt, viele Menschen kämpfen noch um ihr Leben", berichtet Krankenhaus-Direktor Roberto Maizel. "Es ist wie in einem Kriegsgebiet", schilderte der Mediziner gegenüber lokalen Medien.

"Das war ein Massaker", verurteilte Enrique Mosquera, Partei-Chef der linken Strömung für Klasse und Kampf (CCC) die Gewalteskalation gegenüber der Tageszeitung La Razón. Wenig später griffen in der Provinzhauptstadt San Salvador Unbekannte den Sitz der Regierung von Jujuy an. Provinz-Gouverneur Walter Barrionuevo von der sozialdemokratisch-peronistischen "Front für den Sieg" (FPV) verurteilte am Freitag das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte. Kurz zuvor war sein Regierungschefs Pablo La Villa zurückgetreten. Am Freitag forderte eine CCC-Demonstration von der Regierung in Buenos Aires zusammen mit Gewerkschaften und sozialen Organisationen "Aufklärung und exemplarische Bestrafung der Schuldigen für den Gewaltausbruch".

Hinter dem Räumungsbefehl vermutet der linke Gouverneur Barrionuevo angesichts anstehender Provinzwahlen Interessen von Opposition und Unternehmern. Der politische Verbündete der Kirchner-Regierung verurteilt den Abstand zwischen Arm und Reich im Wahlprogramm als "nicht tolerierbar". Die nationale Oppositionspolitikerin Silvana Giudici machte hingegen die "inkompetente Regierung und skandalöse Korruption" der Kirchner-Regierung für die "landesweite Wohnungskrise" verantwortlich.

Vor genau 30 Jahren war eine Landbesetzung in derselben Ortschaft von der damaligen Militär-Diktatur beendet worden, ebenfalls mit vielen Toten und Verschwundenen.