Andauernde Massenproteste in Chile für Bildung

Neuer Haushaltsentwurf sorgt für Empörung. Senatsbesetzung während der Haushaltsberatungen

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Proteste in Santiago: Bildung ist keine Ware
Die chilenische Studenten- und Schülerbewegung protestiert seit 2011 gegen das großteils privatisierte Bildungssystem in Chile

Santiago de Chile. Am Dienstag und Mittwoch mobilisierte die Bildungsprotestbewegung in Chile erneut hunderttausende Menschen. Es gab heftige Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei und massiven Einsatz von Polizeigewalt. Hunderte wurden verhaftet. Wie auch bei den Protesten zuvor, gingen anschließend abends tausende Menschen auf Töpfe und Pfannen schlagend auf die Straße, um gegen die Polizeirepression zu protestieren.

In Chiles Hauptstadt Santiago wurde am Donnerstagabend der Senatssitz im ehemaligen Kongressgebäude während einer Haushaltsberatungssitzung mit Bildungsminister Felipe Bulnes besetzt. Senatspräsident Guido Girardi hatte es abgelehnt, das Gebäude polizeilich räumen zu lassen und vereinbarte mit den Protestierenden eine freiwillige Räumung. Auch wenn keine Anzeige erstattet wurde, wurden alle verhaftet, aber nach einigen Stunden wieder freigelassen. Unterstützerinnen und Unterstützer vor dem Gebäude wurden gewaltsam von der Polizei mit Wasserwerfern vertrieben. Girardi wurde nach seiner Entscheidung heftig von Seiten der rechten Regierungsparteien attackiert, die mit einer amtlichen Rüge drohten. Die Besetzer forderten die Durchführung eines Plebiszites - eine Forderung, die schon seit Monaten breit öffentlich artikuliert wird und breite Unterstützung in der Bevölkerung findet.

Eine weitere Besetzung gab es in der Abgeordnetenkammer im Kongressgebäude in der Küstenstadt Valparaíso, die von Carabineros geräumt wurde. Dabei kam es zu massivem Einsatz von Polizeigewalt, wie beispielsweise die Vizepräsidentin des Gewerkschaftsverbandes ANEF, Mabel Zúñiga, beklagte.

Seitens der Regierung ist weiterhin kein Entgegenkommen im Bildungskonflikt erkennbar: Anfang der Woche präsentierte sie ihren Haushaltsentwurf für das nächste Jahr, der gerade einmal eine kleine Anhebung des ohnehin schon niedrigen Bildungsetats von sieben Prozent vorsieht. Der Haushaltsentwurf trifft deswegen auf breite Ablehnung und Kritik. Der Rektor der Universidad de Chile und Vizepräsident des Rektorenrats Víctor Pérez empörte sich öffentlich, dass der Haushalt nicht einmal die Grundförderung für die Universitäten erhöhe und keine wirkliche Anhebung der Stipendien und Hilfen für Studierende aus armen Familien vorsehe. Das wäre ein erneutes Zeichen fehlender Regierungsfähigkeit im Bildungssektor. Auch nach fünf Monaten Protest gäbe es keinerlei Bewegung der Regierung in Richtung einer Verbesserung der öffentlichen Hochschulbildung. Bildungsminister Bulnes wehrte die Kritik mit der Begründung ab, sie beruhe auf "Desinformation". Kritik kam aber nicht nur aus den Reihen der Opposition, sondern sogar auch von Vertretern der Regierungsparteien, vor allem wegen der mangelnden Unterstützung armer Studierender.

Die Studierenden- und Schülerverbände gaben indes öffentlich bekannt, dass sie in Erwägung ziehen die UNO um Unterstützung bei der Konfliktvermittlung zu bitten. Der Vertreter des Studierendenverbandes CONFECH José Ankalao dazu: "Da wir uns einer unfähigen Regierung gegenüber sehen, kommt aus vielen Teilen der CONFECH die Forderung dass die UNO in diesem Konflikt vermitteln sollte, um in diesem Konflikt zu irgendeiner Lösung zu kommen."

Regierungssprecher Andres Chadwick wies die Forderung rundweg ab und verwies darauf, dass die Regierung an Lösungen arbeite. Deshalb widerspräche es dem "gesunden Menschenverstand" jetzt die UNO hinzuzuziehen.

Für die Protestierenden sind die "Lösungen" der Regierung aber weiterhin nur Hohn auf die Forderungen als ernsthafte Bemühung diesen entgegen zu kommen.