TIPNIS-Konflikt in Bolivien offenbar gelöst

Präsident Morales stoppt Straßenbau. Verhandlungen mit Tiefland-Indigenen bringt Ergebnis in allen 16 strittigen Punkten

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Fernando Vargas
Fernando Vargas, Anführer der TIPNIS-Gemeinden, infomiert über die Gespräche mit dem Präsidenten

La Paz. Der Streit um den Bau einer Nationalstraße in Bolivien scheint beendet. Nachdem Präsident Evo Morales bereits am Sonnabend den endgültigen Baustopp der Straße

durch das "Indigene Territorium Nationalpark Isiboro Sécure" (TIPNIS) verkündet hatte, ergaben die Verhandlungen mit den Protestierenden aus dem Tiefland am gestrigen Sonntag ein Ergebnis in allen strittigen Punkten. Dies berichtet die offizielle Nachrichtenagentur ABI, ohne am späten Abend (Ortszeit) genaue Angaben über die erzielten Vereinbarungen zu machen. Bereits am Vortag hatte Morales sich auf sein bereits bei der Amtseinführung verkündetes Prinzip berufen, er wolle gehorchend regieren. Die Nationalstraße von Cochabamba nach Beni werde nun nicht durch den TIPNIS-Park führen und stattdessen sein Schutz verbessert, so Morales.

Mit dem vom bolivianischen Staatschef angekündigten endgültigen Baustopp und den Verhandlungen mit den indigenen Führern des Tieflandes geht damit offenbar ein Konflikt zu Ende, der das Land für gut zwei Monate in Atem gehalten hat. Mitte August hatte ein Teil der Bewohner des TIPNIS-Parks einen Protestmarsch nach La Paz begonnen und die Verhandlungsangebote der Regierung immer wieder zurückgewiesen. Nachdem der Marsch Ende September durch die Polizei gewaltsam aufgelöst worden war, hatten sich die Spannungen insbesondere zwischen den Indigenen des Tieflands und ihren Organisationen sowie anderen indigenen Organisationen verschärft, die sowohl für die Regierung als auch zumindest teilweise für den Bau der Straße auf die Straße gegangen waren.

Nachdem sich der Marsch Anfang Oktober neu formiert hatte, erreichte er in der vergangenen Woche La Paz und wurde dort begeistert empfangen. Neben den für die Regierung enttäuschenden Wahlergebnissen bei der Richterwahl vor gut einer Woche, als eine Mehrheit ungültige Stimmen abgab, dürfte diese fortdauernde Unterstützung der Proteste durch große Teile der Bevölkerung letztlich den Ausschlag für den nun sehr schnellen Sinneswandel der Regierung gegeben haben.

Nach dem Abschluss der gestrigen Gespräche zeigte sich der Anführer der TIPNIS-Gemeinden zufrieden. Fernando Vargas sprach von sehr fruchtbaren Verhandlungen, bei denen der Präsident großen Wert auf Konsens gelegt hat. Allerdings würden die Marschierer bis zu einer endgültigen Verabschiedung des TIPNIS-Gesetzes auf dem Plaza Murillo bleiben, an dem Parlament und Präsident residieren.

Adolfo Chávez, Präsident des Verbands der Tiefland-Indigenen CIDOB sagte nach der Verkündung des Baustopps, dass der Marsch sinnvoll und die Anstrengung wert gewesen sei. "Jede Regierung, ob indigenen oder nicht, die das Recht der indigenen oder nicht-indigenen Bürger verletzt, wird sehen, dass die Menschen darauf reagieren." Chávez stellte fest, dass sich insbesondere durch die Polizeiaktion von Ende September das Verhältnis zur Regierung geändert habe, die seiner Meinung nach nicht mehr indigen ist.

Nach Feststellung von Adolfo Mendoza, Senator der Regierungspartei MAS, zeigrt die Entscheidung von Morales hingegen, was ein indigener Präsident tun kann. "Vergangene Woche hat der Präsident eine Debatte über ein neues Programm, um die Verfassung umzusetzen", ergänzt Mendoza. "Dieser Konflikt handelt nicht nur über TIPNIS, sondern er öffnet die Debatte für ein neues Programm." Pedro Montes, Chef des Gewerkschaftsdachverbands COB, der die Proteste unterstützt hat und bis zum Ende der Gesetzgebung fortsetzen will, sieht ebenfalls die Notwendigkeit der Debatte. Sie müsse jetzt beginnen, nicht erst im Dezember, wie die Regierung es derzeit vorsieht.