Venezuela / Soziales

Venezuela will intensiver Verbrechen bekämpfen

Neues Sozialprogramm soll bestehende Initiativen koordinieren. Präsenz der Nationalpolizei wird ausgeweitet. Hohe Mordrate bleibt das Hauptproblem

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Angehörige der Bolivarischen Nationalpolizei (PNB)
Angehörige der Bolivarischen Nationalpolizei (PNB)

Caracas. Mit einem neuen Sozialprogramm will die Regierung Venezuelas bestehende Initiativen der Verbrechensbekämpfung besser koordinieren. Die "Große Mission Sicherheit" (Gran Misión Seguridad) soll vor allem dazu beitragen, die Zusammenarbeit der zahlreichen verschiedenen Polizeieinheiten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu verbessern. Dies kündigte der venezolanische Präsident Hugo Chávez in seinem Rechenschaftsbericht in der Nationalversammlung vor gut einer Woche an. Er beauftragte Vizepräsident Elías Jaua damit, die Mission aufzubauen.

Neben der Koordination der Polizeieinheiten sei ein weiterer Pfeiler des geplanten Programms die Prävention sowie die Einbindung von Nachbarschaftsorganisationen, ergänzte Innenminister Tareck El Aissami am Freitag. Es gehe auch darum, eine "neue Kultur des Friedens" zu etablieren. Ein erstes Arbeitstreffen fand nur wenige Tage nach der Ankündigung statt. Dabei traf sich Jaua mit Vertretern der Präsidialkommission zur Entwaffnung. Weitere Sitzungen sollen folgen, um im Februar konkrete Vorschläge für die Arbeit des Programms vorzulegen, sagte Jaua gegenüber venezolanischen Medien.

Die Initiative des Präsidenten traf unterdessen auf sehr unterschiedliche Reaktionen. So sah Soraya El Achkar in der Ankündigung einen "großen Fortschritt" im Kampf gegen Verbrechen. Sie ist die Vorsitzende des Nationalen Polizeirates, der seit 2006 eine Polizeireform koordiniert. Zudem ist sie Rektorin der neu gegründeten Universität der Sicherheit (Unes), die für die Ausbildung von Polizisten zuständig ist. "Es gibt einen klaren politischen Willen, bei Sicherheitsthemen voran zu kommen", sagte El Achkar in einem Interview mit dem Radiosender Unión Radio. Dies sei nicht allein eine Aufgabe der Polizei und der Bundesregierung. Deshalb forderte sie Bürgermeister und Gouverneure "aller politischer Farben" auf, die Polizeireform zu unterstützen. Auch die Generalstaatsanwältin, Luisa Ortega Díaz, äußerte sich erfreut über die neue Initiative.

Kritische Stimmen kamen hingegen aus dem rechten Lager. Der Koordinator der Kommission für Bürgersicherheit des oppositionellen Bündnisses "Tisch der demokratischen Einheit" (MUD), Luis Izquiel, warf der Regierung vor, das Thema auch weiterhin "improvisiert" zu behandeln. Dies sei "wenig professionell" und er glaube nicht, dass "diese Art von Politik Verbesserungen für die Realität der Unsicherheit" bringe, sagte Izquiel. Jedes Jahr steige die Kriminalität und es gebe keine neuen Pläne gegen die Gewalt.

Tatsächlich ist gerade die Frage des Ausmaßes der Kriminalität umstritten. Politiker der Opposition und regierungskritische Organisationen sprechen von steigenden Zahlen, insbesondere bei den Morden. Die Regierung hält Statistiken in der Regel zurück, dementiert jedoch die Zahlen der Opposition. So stellte erst im Dezember das "Venezolanische Gewaltobservatorium" (OVV) Berechnungen vor, nach denen im Jahr 2011 in Venezuela 19.336 Morde verübt wurden. "Offiziellen Zahlen" zufolge habe es bis November 15.360 Morde gegeben. Diese habe man "konservativ" hochgerechnet auf 17.336 bis zum Ende des Jahres. Darüber hinaus gebe es noch 4.000 Fälle von Ermittlungen in Todesfällen, die nicht sicher als Morde eingestuft werden könnten. Von diesen rechnet das OVV die Hälfte als Mordopfer und gelangt somit zu einer Mordrate von 67 pro 100.000 Einwohner. Das Jahr 2011 sei damit das gewalttätigste Jahr in der Geschichte des Landes gewesen.

Diesen Berechnungen widerspricht Innenminister El Aissami klar, ohne jedoch offizielle Zahlen zu nennen. Zuletzt hatte die Regierung Anfang 2011 eine Mordrate von 48 pro 100.000 eingestanden. Dieses hohe Niveau habe man auch 2011 nicht durchbrechen können, gestand El Aissami nun ein. Man habe durch die Maßnahmen der Regierung die "Kurve der Gewalt" jedoch nach unten zeigen lassen. Der Direktor der neu geschaffenen Bolivarischen Nationalpolizei (PNB), Luis Fernández, sprach hingegen von 13 Prozent weniger Morden im vergangenen Jahr. Gewaltverbrechen ohne Todesfolge seien auf die Hälfte zurückgegangen.