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Konflikte durch Freihandel mit Peru und Kolumbien

Brüssel ratifiziert Freihandelsabkommen. NGOs kritisieren "rein neoliberales Vertragswerk". Wie wird EU-Parlament entscheiden?

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Demonstration gegen Freihandelsabkommen in Madrid im Mai 2010
Demonstration gegen Freihandelsabkommen in Madrid im Mai 2010

Brüssel. Der Rat der Europäischen Union (EU) hat am 31. Mai das Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru ratifiziert. Mit der vorzeitigen Implementierung will man die Abstimmung des Europäischen Parlaments abwarten. Diese ist Mitte September geplant.

Hanni Gramann vom bundesweiten Koordinierungskreis des globalisierungskritischen Netzwerks Attac sagt zu den wahrscheinlichen Auswirkungen: "Das Abkommen fördert ein ökonomisches Modell, das auf den unbegrenzten Verbrauch von Ressourcen setzt und soziale und ökologische Konflikte verschärft." Attac, PowerShift e.V., Seattle-2-Brussels Network und viele weitere Nichtregierungsorganisationen ebenso wie Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen wie Kolko kritisieren das Abkommen seit Beginn der Verhandlungen im Jahr 2009.

Ihre Gründe für eine Ablehnung sind vielfältig: Statt des geplanten Assoziationsabkommens mit der Andengemeinschaft (CAN), das politischen Dialog und Entwicklungszusammenarbeit umfassen sollte, liege ein rein neoliberales Handelsabkommen mit nur zwei der vier Länder auf dem Tisch. Damit werde der regionale Integrationsprozess behindert und Spannungen zwischen den Mitgliedsländern der CAN würden verstärkt. Die Asymmetrien zwischen der EU auf der einen und Kolumbien und Peru auf der anderen Seite seien ohnehin groß. Mechanismen des Vertrages drohen diese noch zu vertiefen, fürchten die Kritiker.

Die vereinbarten Liberalisierungen der natürlichen Ressourcen und anderer strategischer Sektoren wie Öffentliche Beschaffung und (Finanz-)Dienstleistungen schränken nach Ansicht von Beobachtern die politischen Gestaltungsmöglichkeiten zur Entwicklung ein und untergraben die Souveränität der Staaten. Zollsenkungen führten zu Einnahmeverlusten. Die Verträge begünstigten die kommerziellen Interessen (multinationaler) Großkonzerne etwa durch weitgehende Patentrechte und Marktöffnungen und schreiben dadurch die Rolle Kolumbiens und Perus als Rohstoffexporteure fest. Warum Geschäftsinteressen nicht vor Mensch und Umwelt stehen sollten, erklärten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Diskussionsforums in Berlin in Videobeiträgen.

Während Unternehmen beteiligt würden, sei die Zivilgesellschaft weitgehend ausgeschlossen - sowohl während der Verhandlungen als auch der Implementierung. Auch die Ergebnisse über negative soziale und Umwelt-Auswirkungen einer EU-eigenen Nachhaltigkeitsuntersuchung werden ignoriert, kritisieren die Gegner des Abkommen. Darin wird davor gewarnt, dass sich soziale Konflikte zum Beispiel um Land zusätzlich verschärfen und die Umweltzerstörung weiter forciert werden kann.

Darüber hinaus gibt es nach nach einem Gutachten der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung keinen wirksamen Mechanismus, um die desaströse menschenrechtliche und arbeitsrechtliche Situation zu verbessern. Selbst das derzeitig gültige Abkommen GSP+ bietet demnach mehr Eingriffsmöglichkeiten bei der Missachtung internationaler Standards. Über 150 Organisationen sprechen sich aus diesen Gründen unter dem Titel "Nicht mehr Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten" in einer gemeinsamen Erklärung gegen das Abkommen aus.

Nach Meinung der Nichtregierungsorganisationen muss sich die europäische Handelspolitik wandeln, um menschenrechtlichen und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen und ökologischen Herausforderungen gerecht zu werden. Wie das aussehen könnte, entwickeln Aktivisten aus aller Welt derzeit in einem alternativen Handelsmandat, das den Rahmen für alle zukünftigen Handelsabkommen der EU skizzieren soll.