Fragile Partnerschaft von Venezuela und Belarus?

Konservativer Kritiker sieht unterschiedliche Vorstellungen der bilateralen Kooperation. Weißrussland werden kurzfristige Absichten unterstellt

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Chávez bei seinem letzten Besuch in Minsk mit Lukaschenko
Chávez bei seinem letzten Besuch in Minsk bei Lukaschenko

Minsk. Die belarussischen Erdölimporte aus Venezuela sind im ersten Halbjahr 2012 um 62,6 Prozent gesunken. Laut dem belarussischen Statistikamt Belstat umfasst das Volumen der Erdöleinführen aus dem südamerikanischen Land nun nur noch rund 330.000 Tonnen. Russland ist mit Abstand weiterhin der wichtigste Lieferer für Erdöl nach Belarus. Experten und Politiker sind sich uneins, ob die belarussisch-venezolanischen Beziehungen eine Zukunft haben.

Erst Ende Juni hatte der belarussische Staatspräsident Alexander Lukaschenko Kuba, Venezuela und Ecuador bereist und dabei verschiedene Verträge abgeschlossen. So einigten sich die Staatsoberhäupter Alexander Lukaschenko und Hugo Chávez unter anderem auf den Bau neuer "Agrarstädte", beispielsweise im venezolanischen Bundesstaat Guarico. Auch ein Kosmodrom im venezolanischen Bundesstaat Aragua wollen die beiden Staaten mithilfe chinesischer Kredite errichten. Die Anlage soll wissenschaftlichen Zwecken dienen und den Start von Satelliten vorbereiten. Insgesamt schlossen Venezuela und Belarus 24 Verträge und betonten die "strategische Partnerschaft" zwischen beiden Staaten.

Ein Autor des in den USA beheimateten neokonservativen Think Tanks Jamestown Foundation, David Marples (Professor an der Universität Alberta), versucht in einem Artikel die unterschiedlichen Interessenlagen herauszuarbeiten. So sei die verstärkte Kooperation Weißrusslands mit Venezuela ein guter Startpunkt für weitere ökonomisch vielsprechende Engagements auf dem lateinamerikanischen Markt, vor allem in Brasilien, Argentinien und Chile. Außerdem betont der Beitrag, dass der belarussische Vizepremier Uladzimir Syamashka am 7. Juni diesen Jahres das Ende der venezolanischen Öllieferungen nach Belarus angekündigt hatte, da sie ökonomisch unsinnig seien.

Doch als Präsident Lukaschenko Ende Juni Richtung Lateinamerika reiste, kündigte der Berater des belarussischen Präsidenten, Viktor Sheiman, wiederum an, dass der GUS-Staat seine Öl-Importe aus Venezuela verfünffachen wolle. Abgesehen von den Widersprüchen ist klar, dass der venezolanische Ölimport nach Osteuropa aus ökonomischer Sicht fraglich ist. Auch arbeitet der Think Tank-Autor Marples heraus, dass die ideologischen Unterschiede zwischen Chávez und Lukaschenko groß sind - der venezolanische Präsident steht etwa in einigen Fragen der russischen Außenpolitik näher als die Regierung des russischen Nachbarlandes Belarus. Weißrusslands Spitzenpolitiker würden wahrscheinlich nur kurzfristige wirtschaftliche Alternativen suchen, bis die Ökonomie des Landes wieder mehr Möglichkeiten hat, so Marples.

In Venezuela sind die Beziehungen zu Belarus ein großer politischer Streitpunkt. So hat die Opposition in ihrem Wahlprogramm für die Präsidentschaftswahlen im Oktober der Regierung vorgeworfen, "traditionelle und geographisch nahe Märkte vernachlässigt zu haben, um sich mit fernen Ländern wie China, Russland und Belarus zu verbinden". Ob die ökonomische Verflechtung Venezuelas mit dem osteuropäischen Staat sowie die Verkündung einer "strategischen Partnerschaft" wirklich eine dauerhafte Basis haben, wird sich zeigen.