Mexiko / Politik

Mexiko erlaubt unabhängige Kandidaten

Nach einer Verfassungsreform sollen Bürger sich auch ohne Parteimitgliedschaft zur Wahl stellen können. Zudem wird eine Volksbefragung eingeführt

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Für manche ein Verbrecher: Der mexikanische Präsident Felipe Calderón Hinojosa
Für manche ein Verbrecher: Der mexikanische Präsident Felipe Calderón Hinojosa

Mexiko-Stadt. Am 8. August hat Mexikos Präsident Felipe Calderón eine Verfassungsreform unterschrieben, die das politische System Mexikos in einigen Bereichen verändern wird. Die Verfassungsnovelle war von Calderón im Dezember 2009 eingebracht worden, etwas mehr als zweieinhalb Jahre wurde an ihr gearbeitet, jetzt ist sie in Kraft getreten.

Demnach steht künftig allen Bürgern Mexikos die Möglichkeit offen, sich für ein politisches Amt (einschließlich dem des Präsidenten) zur Wahl zu stellen, ohne einer Partei angehören zu müssen. Bisher war dies das Monopol der politischen Parteien. Zudem können nun von der Bevölkerung Gesetzesvorschläge eingebracht werden. Dies war vor der Reform den Senatoren und Abgeordneten sowie dem Präsidenten vorbehalten. Hinzu kommt die Möglichkeit von Volksbefragungen als neues politisches Instrument.

Hinsichtlich der Figur des Präsidenten wurden mehrere Punkte eingeführt, die die Regierung stabilisieren sollen. So wurde in der Verfassung verankert, dass bei einem Ausfall des Präsidenten der Innenminister vorübergehend die Regierungsgeschäfte übernimmt, um ein Machtvakuum zu vermeiden, bis der Kongress einen Interimspräsidenten ernennt. Künftig soll es auch möglich sein, dass der gewählte Präsident den Amtseid vor dem Obersten Gerichtshof ablegt, sofern es nicht möglich ist, dass dies vor den zwei Kammern des Kongresses geschehen kann.

Angesichts der Umstände der Wahl Calderóns vor sechs Jahren und der Proteste bei seiner Amtseinführung erklärte der Präsident, dass mit der neuen Regelung entsprechende Szenen künftig vermieden werden sollten.

Schließlich wurde durch die Reform auch die Macht des Präsidenten in Bezug auf Gesetzesvorhaben gestärkt. Künftig hat das Staatsoberhaupt die Kompetenz, pro Sitzungsperiode zwei Gesetzesvorhaben in den Kongress einzubringen, über die dieser innerhalb von 30 Tagen zu beschließen hat. Dabei kann es sich auch um bereits eingebrachte Gesetzesvorschläge handeln, die in den Ausschüssen feststecken. Ausgenommen sind jedoch Verfassungsänderungen. Damit soll der Verhandlungsprozess zwischen den Fraktionen im Parlaments beschleunigt werden, sofern die Regierungspartei in den Kammern des Kongresses nicht über die Mehrheit verfügt.

Nicht berücksichtigt wurde von der Legislative der Vorschlag des Präsidenten, den Abgeordneten, den Landräten in den Bundesstaaten und den Bürgermeistern der 16 Bezirke der Hauptstadt die Wiederwahl zu ermöglichen. Ebenso fiel die Einführung eines zweiten Wahlgangs bei den Präsidentschaftswahlen durch.

Wenngleich die Verfassungsänderungen die Möglichkeit für mehr Bürgerbeteiligung bei der Gesetzgebung geschaffen haben und das Ende des Parteienmonopols bei der Besetzung politischer Ämter bedeuten, ist fraglich, inwiefern die Bevölkerung davon Gebrauch macht. Bei Wahlkämpfen, in denen das Geld und die Beziehung zu finanzkräftigen Kreisen über den Erfolg der eigenen Kampagne maßgeblich mit entscheiden, werden sich eher wohlhabende Bürger eine unabhängige Kandidatur leisten können.

Fraglich ist auch, ob sich von der Bevölkerung eingebrachte Gesetzesvorschläge bei den Mehrheitsverhältnissen im Kongress erfolgreich einbringen und verabschieden lassen. Das Vertrauen der Bevölkerung Mexikos in die politische Klasse und ihre Institutionen ist schließlich tief erschüttert.