Ex-Militär darf öffentlich Folterer genannt werden

Urteil in Zivilklage vor Gericht in São Paulo bestätigt, dass Ex-Militär ein Folterer ist. Folteropfer bezeichnen Urteil als "Sieg ganz Brasiliens"

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Criméia Schmidt de Almeida (li.) kurz nach der Urteilsverkündung
Criméia Schmidt de Almeida (li.) kurz nach der Urteilsverkündung

São Paulo. Der Justizgerichtshof von São Paulo hat am Dienstag in zweiter Instanz das Recht der Familie Teles bestätigt, den Coronel Carlos Alberto Brilhante Ustra als Folterer zu bezeichnen. Damit lehnte das Gericht die Berufung des Ex-Militärs gegen das Urteil aus dem Jahre 2008 in zweiter Instanz ab. Bereits im Oktober 2008 hatte die Familie Teles zivilrechtlich in einer Feststellungsklage gegen Ustra geklagt und das Recht gefordert, ihn öffentlich einen Folterer nennen zu dürfen. Eine Bestrafung Ustras oder eine Entschädigung der Familie war in dieser Klage nie vorgesehen.

Coronel Carlos Alberto Brilhante Ustra war in den 1970er Jahren Chef des berüchtigten Folterzentrums "Sonderkommando für Informationsoperationen -- Zentrum für Untersuchungen der inneren Verteidigung" (DOI-CODI) in São Paulo gewesen. Zwischen September 1970 und Januar 1974 war Ustra unter dem Codenamen "Major Tibiriçá" Leiter des DOI-CODI. Im Jahre 1972 hatte er dort Maria Amélia de Almeida Teles und ihren Mann, César Augusto Teles, gefoltert. Die Schwester Amélias, Criméia Schmidt de Almeida, und die beiden kleinen Kinder des Ehepaars, vier und fünf Jahre alt, wurden auch dorthin verbracht. Criméia de Almeida, die damals im siebten Monat schwanger war, wurde ebenfalls gefoltert. Den Kindern wurden die Eltern gezeigt, die wegen der erlittenen Folter laut Aussage der Kinder nicht wiederzuerkennen waren, obschon sie wussten, dass es ihre Eltern waren, so die Aussage des Sohnes, Edson Teles. Der ebenfalls verhaftete Carlos Nicolau Danielli, damals führendes Mitglied der verbotenen Kommunistischen Partei von Brasilien, PCdoB, wurde im DOI-CODI zu Tode gefoltert.

Der zuständige Richter am Justizgerichtshof von São Paulo, Rui Cascaldi, erklärte bei der Urteilsverkündung am Dienstag, dass das brasilianische Amnestiegesetz die Verurteilung der Taten aus der Zeit der Militärdiktatur strafrechtlich verhindere, aber zivilrechtlich keine Bewandtnis habe. Der Richter konnte auch der Argumentation der Verteidigung nicht folgen, die Taten aus den 1970er Jahren seien mittlerweile verjährt. Cascaldi erklärte, Verbrechen wie Folter verjährten in Brasilien, anders als Mord, nicht, und deshalb sei das Urteil von 2008 rechtens.

"Dieser Sieg ist nicht nur einer der Familie Teles, sondern ein Sieg ganz Brasiliens", sagte Criméia Schmidt de Almeida kurz nach der Urteilsverkündung. " Das gab es noch nie, eine historische Entscheidung", erklärte Maria Amélia Teles. "Ab diesem Moment können wir erhobenen Hauptes sagen: Carlos Alberto Brilhante Ustra ist ein Folterer, ein Mörder, verantwortlich für die Verfolgung und Entführung von Frauen, Männern, Kindern, die sich gegen die Diktatur in Brasilien aufgelehnt hatten". Da das brasilianische Amnestiegesetz von 1979 nach wie vor die strafrechtliche Anklage brasilianischer Militärs wegen Taten aus der Zeit der Militärdiktatur (1964-1985) verhindert, hatten die fünf Mitglieder der Familie Teles 2006 die zivilrechtliche Feststellungsklage gegen Ustra angestrengt. Nach Ansicht des Anwalts der Familie Teles steht Ustra nun noch der Gang vor den Obersten Gerichtshof offen.