Straftäter feiert in einstiger Colonia Dignidad

Gerhard Mücke als Gast auf "Oktoberfest" in Deutschensiedlung in Chile. Mühlen der Justiz mahlen langsam

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Oktoberfest statt Gefängnis: Straftäter Mücke zeigt sich gut gelaunt
Oktoberfest statt Gefängnis: Straftäter Mücke zeigt sich gut gelaunt

Santiago de Chile. Auf dem diesjährigen "Oktoberfest" in der ehemaligen Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile ist der wegen Beihilfe zum mehrfachen Mord sowie Beihilfe zum sexuellen Missbrauch verurteilte Gerhard Mücke offen aufgetreten. Im bayrischen Trachtenanzug äußerte er sich sogar im chilenischen Staatsfernsehn positiv über die Festlichkeiten. Zwei chilenische Abgeordnete haben in Konsequenz des Auftrittes nun ein energischeres Vorgehen der Justizbehörden gegen Straftäter aus der Deutschensiedlung gefordert.

In die ehemalige Foltersiedlung, die seit einigen Jahren unter dem neuen Namen "Villa Baviera" auf Tourismus setzt, kamen nach einigen Angaben an die 5.000 Gäste um bei Schuhplatter- und Alphorn-Darbietungen Bier zu trinken und deutsche Spezialitäten zu genießen.

Gerhard Mücke war eine führende Figur der Colonia Dignidad und ein enger Vertrauter des 2010 verstorbenen Sektenführers Paul Schäfer. Er soll als Kontaktperson zum chilenischen Geheimdienst DINA während der Pinochet-Diktatur an Folterungen und Erschießungen von Oppositionellen auf dem Gelände der Siedlung beteiligt gewesen sein. Als Komplize bei der Entführung der bis heute verschwundenen Juan Maino, Elizabeth Rekas und Antonio Elizondo im Jahr 1976 wurde er kürzlich in erster Instanz zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Vergangenes Jahr bestätigte ein chilenisches Berufungsgericht zudem eine Haftstrafe von fünf Jahren gegen Mücke wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch.
 In drei weiteren Gerichtsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Entführung des bis heute verschwundenen Widerstandskämpfers Alvaro Vallejos Villagrán und Folter an der politischen Gefangenen Adriana Bórquez, sitzt Mücke noch auf der Anklagebank.

Keines dieser Verfahren, die allesamt seit mehr als zehn Jahren verhandelt werden, hat jedoch bislang zu einem rechtskräftigen Urteil geführt. So ist Gerhard Mücke bis heute auf freiem Fuß, obwohl bereits im Jahr 2000 eine Ausweisungsorder vom Innenministerium verfügt wurde. Diese wird jedoch erst nach Abschluss aller Gerichtsverfahren und Absitzen der zu erwartenden Haftstrafen rechtsgültig werden.

Während die Mühlen der Justiz in Chile und Deutschland bei der Aufarbeitung der von Mitarbeitern der Colonia Dignidad begangenen Verbrechen äußerst langsam mahlen, erhält die ehemalige Colonia Dignidad, in der heute noch rund 160 Personen leben, von beiden Staaten finanzielle Hilfen.
 Im Mai wurde das mit chilenischen Staatsgeldern renovierte Hotel Baviera neueröffnet.

Die Bundesregierung unterstützt die Siedlung derweil mit jährlich bis zu 250.000 Euro, vornehmlich durch Unternehmensberatung durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). In den letzten Jahren hat es jedoch zunehmende Kritik daran gegeben, dass diese Unterstützungsmaßnahmen keinerlei Thematisierung der in der Colonia Dignidad begangenen Menschenrechtsverbrechen beinhaltet. Bei den letzten Haushaltsberatungen hatte die Linksfraktion daher eine Umwidmung der Gelder für den Bau einer Gedenkstätte gefordert.