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Wende im Streit um Mediengesetz in Argentinien

Berufungsgericht gewährt Clarín-Gruppe mehr Zeit. Widerspruch vor Oberstem Gerichtshof bringt Kirchner-Regierung Vorwürfe ein

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Wandbild für kommunale Radios in Argentinien
Wandbild für kommunale Radios: Über sie wird im laufenden Rechtsstreit wenig gesprochen.

Buenos Aires. Der argentinische Medienkonzern Clarín S.A. hat am Donnerstag in einem Rechtsstreit um die Nutzungsrechte seiner Sendefrequenzen im letzten Moment einen Aufschub erwirkt.

Die ursprünglich geltende Frist zur endgültigen Umsetzung des Mediengesetzes hätte am 7. Dezember nach einem Jahr geendet. Bis dahin hätte Clarín einen Großteil der genutzten Radio- und Fernsehfrequenzen abgeben müssen. Nun hat die Föderale Zivil- und Handelsberufungskammer jedoch eine einstweilige Verfügung zu Gunsten des Medienkonzerns verlängert. Bis der eigentliche Urteilsspruch über die Verfassungsmäßigkeit des Artikels 161 des Mediengesetzes von 2009 gefallen ist, bleibt der Clarín-Konzern also laut Erlass weiter vom Verkauf der den zulässigen Marktanteil überschreitenden Konzessionen verschont.

Wie die argentinische Nachrichtenagentur Télam berichtet, hat die Regierung am frühen Morgen des 7. Dezember mit gemeinsamen Anträgen durch das Regierungskabinett und die Kontrollkommission Audiovisueller Kommunikationsmedien (AFSCA) vor dem Obersten Gerichtshof versucht, die Verlängerung der einstweiligen Verfügung rückgängig zu machen. In dem "Per-Saltum- Verfahren“ hatte die Regierung nicht vor dem Berufungsgericht geklagt, sondern die Instanz der Kammer übersprungen, welche der Clarín-Gruppe tags zuvor die Fristverlängerung gewährt hatte. Der Oberste Gerichtshof prüft nun diese Maßnahme auf Rechtmäßigkeit, während sich die Regierung mit Kritik in der Demokratieführung bzw. dem Vorwurf eines Angriffs auf die richterliche Freiheit beschäftigen muss. AFSCA-Vorsitzende Martín Sabbatella bezeichnete die argentinische Justiz indes als "teilweise von kolonialen Interessen geleitet" und beschuldigte die Richter im Dienste des Medienkonzerns zu handeln. Das Urteil sei "eine Schande“ so Sabbatella weiter.

Die Clarín-Gruppe ist Argentiniens größter Medienkonzern, der besonders durch die spartenübergreifenden Anteile der privaten Radio- und Fernsehkanäle den Markt dominiert. Außerdem gehört die gleichnamige auflagenstärkste Tageszeitung, die allerdings nicht vom Gesetz betroffen, ist zum Clarín-Imperium. Mit der Abgabe der Lizenzen und dem damit verbundenen Verlust an Marktpräsenz, würde die Kirchner-Regierung einen ihrer größten medialen Kritiker schwächen.

Das 2009 erlassene Gesetz (Ley de Medios de Comunicación Audiovisual) regelt die gleichberechtigte Verteilung der Sendeplätze mit jeweils einem Drittel zu Gunsten öffentlich-rechtlicher, kommerzieller und kommunaler Medien. Durch die Regelung sollen gemeinnützige Organisationen besonders im Fernsehen und Radio eine Stimme erhalten. Die Besetzung der Sendeplätze läuft allerdings schleppend. Dies liegt unter anderem an oft hohen Gebühren zum Erhalt der Pächterlizenzen. An der Debatte um Privateigentumsrecht und Pressefreiheit teilnehmende Experten, wie etwa der Kommunikationswissenschaftler Guillermo Mastrini der Universidad de Buenos Aires, sehen die Schwierigkeiten alternativer Medien auf dem hochkonzentrierten Medienmarkt Fuß zu fassen auch in dem Aspekt begründet, dass kommunitäres Fernsehen und Radio oft sehr speziell sei, um eine ausreichend breite Bevölkerung innerhalb der geringen Reichweite anzusprechen. Des Weiteren würden öffentlich-rechtliche Sendeinhalte oftmals von den Zuschauern mit regierungspolitischen Interessen verbunden.

Während einerseits das Gesetz als zu zentralistisch und regierungsabhängig bezeichnet wird, fassen es andere Intellektuelle wie etwa der Investigativ-Journalist und Regisseur, Osvaldo Bayer, als ersten ausbaufähigen Schritt in die richtige Richtung auf.

Das Forum für Argentinische Community Radios (FARCO) äußert seine Empörung über die Entscheidung des Berufungsgerichts: "Clarin macht das Gesetz lächerlich und führt die demokratischen Institutionen des Landes an der Nase herum. Clarin gewinnt durch diese Entscheidung vielleicht ein paar Tage aber früher oder später müssen sie sich dem neuen Mediengesetz unterordnen". Die Mitteilung von FARCO endet mit dem Aufruf, alle Aspekte des Mediengesetzes so schnellstmöglich umzusetzen. Denn der größte Teil des Gesetzes wird nicht von der Einstweiligen Verfügung berührt und ist geltendes Recht. Wollte die Regierung wirklich die Medienvielfalt in Argentinien voranbringen, könnte sie schon heute in vielen Regionen des Landes neue Initiativen mit Sendelizenzen ausstatten und bestehende Kommunalradios legalisieren.