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Debatte um Straßenbau in Bolivien reißt nicht ab

Oberstes Wahlgericht erklärt Projekt im indigenen Territorium TIPNIS für rechtens. Straßenbau-Gegner kündigen Widerstand an

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Befragungsteams im TIPNIS
Die Befragungsteams im TIPNIS stießen auch auf Widerstand.

La Paz. In Bolivien sorgt der Konflikt um den Bau einer Straße durch indigenes Gebiet weiter für Diskussionen. Am Montag legte das Oberste Wahlgericht (TSE) laut Presseerklärung einen 750 Seiten langen Abschlussbericht zur Volksbefragung über das von der Zentralregierung in La Paz vorangetriebene Infrastrukturprojekt im Indigenen Territorium und Nationalpark Isiboro Sécure (TIPNIS) vor.

Die große Mehrheit der TIPNIS-Indigenen hat demzufolge für den Straßenbau gestimmt. Mehrere Tageszeitungen veröffentlichten zudem eine Zusammenfassung. "Von insgesamt 69 Gemeinden haben wir 58 Gemeinden, in denen die Konsultation tatsächlich durchgeführt worden ist", zitiert die Tageszeitung La Razón Juan Carlos Pinto vom Interkulturellen Dienst zur Stärkung der Demokratie (SIDFE), einer Unterabteilung des TSE. "Davon haben drei das Straßenprojekt abgelehnt, eine ist für die weitere Unberührbarkeit", so der SIDFE-Direktor.

Nicht alle der rund 5.500 TIPNIS-Bewohner nahmen an der Befragung teil. "Aufgrund von Stimmungen und politischen Spannungen mit Gruppen, die nicht einverstanden waren, und andere Gemeinden wegen ihrer Teilnahme an der Befragung bedroht haben, hatten wir einige Probleme, was den Zugang zu den Gemeinden betrifft", erklärte Pinto. Gemäß des nationalen Rechts auf Konsultation indigener Völker bei Infrastrukturvorhaben in ihren Gebieten hatten Befragungsteams den nur per Flugzeug und Booten zugänglichen Park von der Größe Jamaikas von Mitte bis Ende 2012 bereist. Dabei konnten laut TSE insgesamt elf von 69 Gemeinden nicht befragt werden, nachdem Bewohner von sechs Gemeinden die staatlichen Mitarbeiter zeitweise an der Durchreise behindert hätten.

An fünf Gemeinden seien darum Befragungsdokumente verschickt worden. Diese hätten den Bau der ersten Verbindungsstraße zwischen den Verwaltungsbezirken Cochabamba und Beni abgelehnt, so der TSE-Bericht. Straßenbau-Gegner hatten der Regierung in La Paz nach einem wochenlangen Protestmarsch die Verabschiedung von Gesetz Nr.180 abgerungen. Dieses schreibt die Unberührbarkeit des Parkes vor und verbot somit auch das von La Paz finanzierte Straßenbau-Vorhaben. Nachdem Straßenbefürworter aus dem TIPNIS ebenfalls in die Hauptstadt marschiert waren, beschloss die regierende "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) die Abhaltung der Volksbefragung.

Nun entscheidet das Parlament über die Zukunft von Gesetz Nr. 180. Über technische und finanzielle Details zum Baueiner umweltverträglichen "Öko-Straße" durch den Park entscheidet das befasste Ministerium für öffentliche Bauten. "Deren Abschlussbericht wird die Grundlage dafür, ob und wie diese Straße gebaut werden kann", erklärte MAS-Parlamentarier Lucio Marca das weitere Vorgehen.

Straßenbau-Gegner Fernando Vargas bezeichnete die Ergebnisse des Obersten Wahlgerichts als "Fälschungen und Lügen" ohne rechtlichen Wert, berichtet der Radiosender Erbol. Der Organisator der Proteste von 2012 kündigte einen Protestmarsch zur Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mit Sitz in Washington an. Indigenen-Vertreter Rafael Quispe wolle über die vier Institutionen des Ständigen Forums für Indigene Fragen, die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), das OAS-Expertenkommittee und den CIDH den Rechtsweg einschlagen.