Venezuela

Oppositionspresse schießt zurück

Venezuela: Regierungskritische Journalisten wollen regionales Menschenrechts­gericht anrufen. Debatte um US-Finanzierung von Medien bleibt aus

In Venezuela setzt sich der Streit um regierungskritische Journalisten fort. Nachdem vor zwei Wochen mehrere Pressevertreter vor dem Medienausschuß des Parlaments über ihre Kontakte zu US-Institutionen aussagen sollten, gehen die Betroffenen nun in die Gegenoffensive. Wegen »Diffamierung« seitens der Regierung wollen sie die Menschenrechtskommission (CIDH) der Organisation Amerikanischer Staaten anrufen. Abgeordnete des Regierungslagers hatten oppositionellen Journalisten vorgeworfen, Gelder aus den USA entgegengenommen und ständige Kontakte zu US-amerikanischen Institutionen unterhalten zu haben, die auf einen Regimewechsel in Venezuela hinarbeiten.

Im Kern der Auseinandersetzung steht eine Liste mit 33 Namen, die vom Medienausschuß Anfang des Monats debattiert worden war. Regierungsnahe Blätter wie die Tageszeitung Diario Vea veröffentlichten daraufhin Fotos einiger Journalisten mit Titeln wie »Sie bekamen Geld von der CIA«. Der Generalsekretär der Mediengewerkschaft, Gregorio Salazar, bezeichnete das als »inakzeptable Anprangerung und Vorverurteilung«. Seine Organisation unterstütze daher die Klage.

Kritik kam aber auch aus dem Regierungslager. Den Vorwürfen müsse zwar nachgegangen werden, sagte Marcos Hernández von der regierungsnahen Medienorganisation »Periodistas por la Verdad« (Journalisten für die Wahrheit): »Aber wir lehnen diese ganze Inszenierung ab«. Auch der Journalist und ehemalige Vizepräsidenten José Vicente Rangel zweifelte das Vorgehen an. In einer Zeitungskolumne mahnte er, sich nicht »den Methoden des Fanatismus« hinzugeben. Die »Brandmarkung« von Journalisten sei nicht nur niveaulos. Sie entkräfte auch die berechtigten Argumente gegen sie und helfe damit indirekt der CIA. Ursprünglich sollten die Journalisten am 8. August im Parlament zu dem Vorwurf befragt werden, Destabilisierungspläne Washingtons unterstützt zu haben. Die Anhörung wurde jedoch abgesagt, nachdem sich die stellvertretende Parlamentspräsidentin und Journalistin Desirée Santos gegen die »Vorführung« von Kollegen ausgesprochen hatte.

Nun wird jedoch auch von beschuldigten Journalisten die Absage der Parlamentsanhörung kritisiert und als ein Grund für die angestrebte Klage vor der Menschrechtskommission genannt. Man habe durch die Absage nicht die Chance bekommen zu dem Fall im Parlament Stellung zu nehmen und sich zu verteidigen. Ihrer Ansicht nach handele es sich bei den US-Regierungsprogrammen lediglich um kulturelle und berufliche Austausch-Programme an denen jedes Jahr 4000 Menschen teilnehmen würden, nicht nur Journalisten sondern auch Wissenschaftler oder Künstler.

Die US-venezolanische Juristin Eva Golinger hatte dagegen wenige Wochen zuvor im staatlichen Fernsehsender VTV Washingtoner Regierungsdokumente präsentiert, die eine systematische Unterstützung venezolanischer Journalisten durch offizielle US-Stellen belegen. Sie konnte Zahlungen von jeweils mehreren tausend US-Dollar nachweisen. Damit geriet die Juristin selbst ins Visier. Sie wehrt sich gegen den Ausdruck »Golinger-Liste«, wie sie von der Oppositionspresse verbreitet wird: »Ich habe lediglich Informationen aus Regierungsdokumenten präsentiert«. Auch gehe es nicht darum, einzelne Journalisten auf die Anklagebank zu zwingen; es sollte vielmehr das Ausmaß US-amerikanischer Einmischung in Venezuela aufgezeigt werden. Die regierungsfeindliche Presse beschwichtigt das nicht. Teodoro Petkoff, Oppositionspolitker und Herausgeber der Zeitung Tal Cual, beschimpfte Golinger in einem Leitartikel als »heimtückischen Superspitzel«. Mit den Vorwürfen setzte er sich nicht auseinander.


Hintergrund: Mißbrauchte Medien (junge Welt, 06.08.2007)