Amerikas

Morales macht Druck für Verfassungsreform

Bolivien: Basis der Regierungspartei MAS protestiert gegen Verzögerungstaktik der Opposition

La Paz. Egal wie, aber bis zum 14. Dezember müsse ein Reformvorschlag für die Verfassung vorliegen. Mit diesem Ultimatum erhöhte Boliviens Präsident Evo Morales am Mittwoch den Druck auf alle Beteiligten in der verfassunggebenden Versammlung. Der 14. Dezember war als Stichtag nach mehrmaliger Verzögerung festgelegt worden. Seit ihrem Beginn Anfang August vergangenen Jahres wird die Arbeit des Verfassungskonvents durch eine Blockade der Opposition jedoch bislang erfolgreich aufgehalten.

Weil die Zeit drängt, mobilisiert die Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (MAS) nun auch wieder ihre protesterprobte Wählerschaft. Diese befindet sich in allen Landesteilen in »erhöhter Alarmbereitschaft«, wie es zuletzt hieß. Zu Fuß oder in Bussen strömen seit Tagen Tausende Mitglieder indigener Verbände und Bauernorganisationen nach Sucre, dem Sitz der verfassunggebenden Versammlung. Dieser bleiben nun nur noch drei Wochen bis zur Fertigstellung der neuen Konstitution.

»Wir sind entschlossen, in Sucre weiterzuarbeiten, auch wenn sie versuchen, uns zu vertreiben und unsere Leben bedrohen. Wir bleiben hier«, erklärte die Präsidentin des Gremiums, Silvia Lazarte, kämpferisch, nachdem es in der Stadt zu Wochenbeginn erneut zu rassistischen Angriffen gegen MAS-Wahlmänner und -Sympathisanten gekommen war. Dabei wurde ein Regierungsanhänger schwer verletzt. Zudem vertrieben Studenten gewaltsam Landarbeiter, die aus dem Hochland angereist waren, um den Verfassungsprozeß zu »überwachen«. Das Gebäude der pädagogischen Fakultät hatte ihnen als Unterkunft gedient.

In Reaktion auf dieses »feindliche Verhalten« beschlossen die Gewerkschaften »der Arbeiter der originären Völker Chuquisaca« und »der werktätigen Bauern des Departaments Chuquisaca« (FDUTCC), Sucre einzukesseln. Am Mittwoch blockierten sie die vier wichtigsten Zufahrtsstraßen mit Steinen. Die Maßnahme dauerte nur einen Tag. »Auf Wunsch nationaler Organisationen«, so FDUTCC-Funktionär Gualberto Yucra, »haben wir unsere Genossen gebeten, die Blockade vorerst aufzuheben.« Ein Zurückweichen vor der rechten Bedrohung bedeutet das nicht. Denn auch die »Vereinigung der indigenen Völker Boliviens« und andere indigene Organisationen beschlossen, ihre Mitglieder zu mobilisieren. Die Regierungspartei ruft zu gemäßigten Aktionen auf, um das Projekt zur »Neugründung Boliviens« gewaltfrei zu verteidigen.

Die Unterstützung dafür ist weiterhin groß. 20000 Menschen aus der Stadt El Alto protestierten Mitte der Woche in der nahen Hauptstadt La Paz gegen die Blockadehaltung der konservativen Opposition im Senat. Zudem hat sich aus dem Landesinneren ein Zug von 4000 Bauern und Indigenen auf den Weg in die Hauptstadt gemacht. Im Senat nutzt die Rechte ihre Präsenz, um wichtige Gesetzesnovellen zu behindern, darunter ein Anti-Korruptionsgesetz und eine allgemeine zusätzliche Rentenzahlung in Höhe von umgerechnet 17 Euro pro Monat. Bezahlt werden soll dieser »Bonus der Würde« aus Einnahmen nach der Verstaatlichung der Energieindustrie.

Unter dem Motto »El Alto - niemals auf Knien« demonstrierten die »Alteños«, wie die lokale Bevölkerung genannt wird, seit Wochenbeginn deswegen vor dem Senat. Sie haben mit solchen Protesten Erfahrung: In den Jahren 2003 und 2005 hatten sie so die jeweils amtierenden Präsidenten zum Rücktritt gezwungen. Nun nutzt die MAS die Kraft der Basis für sich.


Der Originaltext der Tageszeitung junge Welt findet sich hier.