Amerikas

Argentinien ohne Steaks

Nach dem Farmerstreik bleibt die Situation im Land weiter angespannt. Präsidentin Fernández de Kirchner versucht, international zu punkten

Buenos Aires. Auch eine Woche nach dem vorläufigen Ende des Farmerstreiks, muss man in den Supermärkten von Argentiniens Hauptstadt immer noch nach Rindersteaks suchen. Wird man doch fündig, müssen saftige Preise gezahlt werden - bis zu 100 Prozent mehr im Vergleich zum Vorstreikstand.

Nachdem die argentinischen Farmer Mittwoch vergangener Woche ihren Lieferstopp und die Blockaden von Hauptstraßen und Häfen vorerst für die Dauer von 30 Tagen ausgesetzt haben, sind die Gespräche zwischen Regierung und Agrarverbänden auch zu Wochenanfang noch nicht angelaufen. Am Montag warteten die Bauern vergeblich auf ein Signal des argentinischen Kabinettschefs Alberto Fernández für eine Wiederaufnahme des Dialogs. Die Bauern verlangen von der Regierung, dass diese eine kürzlich verfügte Erhöhung der Exportsteuer auf landwirtschaftliche Rohstoffe um bis zu 44 Prozent zurücknimmt.

Bereits am vergangenen Sonntag zitierte die Zeitung Crítica de la Argentina Gerónimo Venegas, einen Sprecher der Bauern: "Wir müssen anfangen zu verhandeln, denn 30 Tage sind nicht viel, sie vergehen sehr schnell, und die Gespräche werden viel Zeit benötigen. Wir haben viele Differenzen."

Doch Argentiniens Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner, die sich während des Streiks viermal mit bewegenden Ansprachen an die Öffentlichkeit gewandt hatte, spielt weiter auf Zeit. Statt den verfahrenen lokalen Konflikt anzugehen, versuchte sie, auf der internationalen Bühne zu glänzen: Zusammen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy führte sie am Sonntag in Paris einen Demonstrationszug für die Befreiung der von FARC-Rebellen festgehaltenen ehemaligen kolumbianischen Präsidenschaftskandidatin und französischen Staatsbürgerin Ingrid Betancourt an. Bei Gesprächen mit Sarkozy am Montag ging es vorrangig um die argentinische Mittlerrolle beim Gefangenaustausch zwischen FARC und dem kolumbianischen Staat, sowie die Menschenrechtspolitik in Argentinien. Ausgespart wurde laut Angaben von argentinischer Seite das wichtigste Thema der bilateralen Agenda: Die sechs Milliarden US-Dollar Auslandsschulden, die Argentinien gegenüber westlichen Staaten und Banken hat. Die Begleichung dieser Schuld gilt als Schlüssel dafür, dass Firmen aus den betroffenen Staaten wieder in Argentinien investieren.

Unterdessen schmieden Argentiniens Bauernverbände neue Allianzen. Besonders die kleineren und mittleren Produzenten sind unverhältnismäßig stark von den neuen Exportzöllen betroffen. Aufgrund der Preissteigerungen bei Transport und Saatguterwerb sind sie mittlerweile kaum mehr in der Lage wettbewerbsfähig zu produzieren. Der Agrarjournalist Fabián Casas wirft der Regierung vor, einen falschen Interessengegensatz zu konstruieren. "Es geht nicht, wie Cristina behauptet, um Oligarchie gegen Regierung" erklärte er am Montag abend (Ortszeit) gegenüber jW. "Die Regierung hat die Zölle erhoben, um die Staatskasse zu füllen." Auf der Strecke blieben die kleinen Produzenten. "Die waren es auch, die in den vergangenen zwei Wochen über 400 Straßensperren errichtet haben. Das waren nicht die Großbauern, die selbst mit den höheren Zöllen immer noch satte Gewinne einfahren, sondern kleine und mittlerer Agrarunternehmer, die um ihre Existenz fürchten."

Es wird deshalb erwartet, dass Kirchner bei ihrer Rückkehr nach Argentinien auf die Situation der kleineren Produzenten eingeht. Laut Pressevorabmeldungen will sie ein Maßnahmenpaket verkünden, das Mittel in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Peso (umgerechnet etwa 300 Millionen Euro) vorsieht. Inbegriffen sind Unterstützungsgelder und Subventionen für die nächste Erntesaison sowie Sonderentlastungen für Züchter und Milchproduzenten kleinerer Größenordnung. Damit hofft die bedrängte Regierung das von einem Großteil der Bauern geforderte erste Zeichen guten Willens setzen zu können. An der Erhöhung der Exportzölle freilich will sie festhalten.


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.