Venezuela

Hortung von Lebensmitteln illegal

Chávez: Im Notfall auch Verstaatlichungen möglich. Venezolanische Regierung nimmt Lebensmittelversorgung selbst in die Hand

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Hortung von Lebensmitteln illegal
Sozialistisches Milchpulver: Chávez eröffnet von Parmalat gekauften Staatsbetrieb (20.1.)

Caracas. Die venezolanische Regierung will ihre Maßnahmen gegen die Engpässe bei der Nahrungsmittel- und Medikamentenversorgung weiter ausweiten. Hortung und Spekulation seien die größten Probleme im Lebensmittelsektor und würden nun entschieden bekämpft, sagte Präsident Hugo Chávez am Montag. Sollten die privaten Konzerne nicht von solchen Mitteln absehen, würden sie notfalls nationalisiert, kündigte Chávez an. Zunächst werde man die Überwachung der Konzerne intensivieren. Ein weiterer Grund für die Knappheit ist der Schmuggel nach Kolumbien, gegen den die Regierung mittlerweile mit umfangreichen Kontrollen und Beschlagnahmen erfolgreich vorgeht. Aufgrund von staatlichen Preisfestlegungen ist es in Venezuela lukrativ, Lebensmittel in das Nachbarland auszuführen und sie zu den höheren Preisen dort zu verkaufen. Seit Mai 2007 ist es in Venezuela allerdings nur noch unter Auflagen gestattet, solche Produkte auszuführen.

Seit einigen Monaten hat Venezuela mit Versorgungsengpässen zu kämpfen. So fehlen tagelang Grundnahrungsmittel wie Milch, und es bilden sich lange Schlangen vor den Märkten des staatlichen Versorgungsprogramms Mercal, das die Bevölkerung mit günstigen Lebensmitteln versorgt. Allerdings bekommt man so gut wie alle Waren überteuert auf dem Schwarzmarkt. Gegen diese Situation hat die Regierung in den letzten Wochen bereits umfangreiche Maßnahmen ergriffen. Im Rahmen des neuen Plans "Soberanía Alimentaria" ("Versorgungssouveränität") wurde mit PDVAL ein Subunternehmen des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA für die Nahrungsmittelversorgung geschaffen. Außerdem hilft die Nationalgarde bei der Lebensmittelverteilung, und Mercal soll zügig verbessert und ausgebaut werden. Die Regierung stellt dieses Jahr 600 Millionen US-Dollar für einen "außerordentlichen Entwicklungsplan" bereit. Abgesehen davon erinnerte Hugo Chávez daran, dass es erst wenige Jahre her sei, dass sich Millionen Venezolaner gar kein Fleisch leisten konnten.

Die Angebotsknappheit in Venezuela liegt auch darin begründet, dass der Konsum in den letzten Jahren dramatisch angestiegen ist: Von 2004 bis 2007 stieg er von 24 Milliarden US-Dollar auf 52 Milliarden Dollar. Bedingt durch das starke Wirtschaftswachstum der letzten Jahre und die umfangreichen Sozialprogramme der Regierung hat sich die Kaufkraft gerade der ärmsten Bevölkerungsschichten extrem gesteigert. Zwischen 2004 und 2006 hat sich das Einkommen der Armen in Venezuela inflationsbereinigt mehr als verdoppelt, so die bilaterale Handelskammer USA-Venezuela. Dabei sind die kostenlosen Sozialprogramme z. B. im Bildungs- oder Gesundheitssektor nicht einmal berücksichtigt.

Die Vertreter der Privatwirtschaft erklären die staatlichen Preiskontrollen zur Ursache der Engpässe. Die Regierung wirft den Unternehmern wiederum absichtliche Verknappung des Angebotes aus Profitgier und politischen Motiven vor, was auch von Experten in Betracht gezogen wird. Andererseits beklagen viele Händler, dass zu den festgelegten Preisen oft gar nicht mehr gewinnbringend verkauft werden kann. Dem Druck aus der Privatwirtschaft hat die Regierung allerdings auch schon teilweise nachgegeben: Viele Festpreise wurden stark angehoben, und die meisten sind mittlerweile aufgehoben. Heute sind nur noch die Preise von 20Produkten reguliert. Vorher waren es etwa 400 gewesen. Mit der Festlegung sollten Verbraucher vor überteuerten Preisen und extremen Schwankungen geschützt werden.

Die Freigaben wurden von Privatwirtschaft und Privatmedien euphorisch begrüßt, sie haben gleich die komplette Abschaffung von Festpreisen gefordert. Das größte Problem Venezuelas ist die Importabhängigkeit bei Lebensmitteln. Immer noch müssen mehr als 70 Prozent eingeführt werden, obwohl die Regierung umfangreiche Importsubstitutionsprogramme aufgelegt hat. Dazu gehören auch bilaterale Abkommen mit verbündeten Staaten wie Belarus und Iran zur Schaffung von Gemeinschaftsunternehmen in der Landwirtschaft.


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.

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