Amerikas

Uribe ist so frei

Kommentar zum bewaffneten Konflikt in Kolumbien. Von Harald Neuber (junge Welt)

Binnen weniger Wochen hat Kolumbiens rechtsgerichtete Staatsführung den Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) mehrere schwere Schläge zugefügt. Nur wenige Tage nach dem Tod des FARC-Gründers Manuel Marulanda im Februar wurde die Nummer zwei der aufständischen Organisation, Raúl Reyes, Anfang März von einem Spezialkommando hingerichtet. Die FARC waren damit führungslos. Die geheimdienstliche und militärische Offensive kam zu einem Zeitpunkt, zu dem Uribe sich politisch in der Defensive befand: Der Oberste Gerichtshof in Bogotá spricht seiner Regierung die Legitimität ab, weil mindestens ein Fünftel der Abgeordneten des Regierungslagers von paramilitärischen Todesschwadronen unterstützt wurde. Die Richter haben sich zudem offen gegen den Versuch Uribes gewandt, 2010 erneut zu kandidieren - was die Verfassung bislang verbietet.

Die überraschende Befreiung der Franco-Kolumbianerin Ingrid Betancourt am Mittwoch fegt all diese Konflikte endgültig von der politischen Agenda des südamerikanischen Landes. Die Geheimdienstaktion brachte der 46jährigen und gut einem Dutzend weiterer Gefangener der FARC die Freiheit. Für Uribe ist sie ein Befreiungsschlag. Doch nicht nur für ihn. »Zufällig« war erst Mitte der Woche der konservative US-Präsidentschaftskandidat John McCain in Bogotá zu Gast. Auch er bekommt durch die drehbuchreife Aktion im Dschungel Aufwind. Denn während sich der US-Republikaner im Umgang mit der Guerilla in Lateinamerika (wie auch mit den Rebellen in Afghanistan und Irak) für eine »militärische Lösung« ausspricht, tritt sein Gegner Barack Obama für Gespräche mit den US-Kontrahenten südlich des Rio Grande ein. Doch die Stunde der Gespräche und Verhandlungen ist vorerst vorbei.

Mit der militärischen Befreiungsoperation ist eine friedliche Lösung des Jahrzehnte währenden Konfliktes in Kolumbien in weite Ferne gerückt. Allein Betancourt und drei am Mittwoch ebenfalls befreite US-Söldner hatten politischen Wert für Washington und Bogotá. Uribe hat in den vergangenen Jahren mehrfach deutlich gemacht, dass ihm die bis zu 700 Kriegsgefangenen der FARC - oft niedere Militärs, die im Rahmen von Kampfhandlungen in die Hand der Rebellen fielen - gleich sind. Ihr Schicksal wird die Regierung nicht zu Verhandlungen bewegen. Auch die sozialen Gründe hinter dem Konflikt sind von Uribe nie ernsthaft angegangen worden. Die ungleiche Landverteilung, die Gewalt der Großgrundbesitzer, der mangelnde Zugriff auf Ressourcen. Ganz im Gegenteil: Die neoliberale Politik der Uribe-Führung hat all diese Missstände noch weiter verschärft.

Für die FARC ist die Befreiung ein schwerer Schlag, weil für sie nun ein Ausweg aus dem Konflikt versperrt ist. Die Freilassung Betancourts hätte ihre politische Stellung derart verbessern können, dass sie - in einem von den Anrainerstaaten unterstützten Friedensprozess - den Schritt auf die politische Ebene hätte wagen können. Diese Chance ist nun vertan. Ingrid Betancourt ist frei, der Krieg geht weiter.


Den Originaltext der jungen Welt finden Sie hier.