Amerikas

La Paz kontert Sabotage

Boliviens Regierung will Budgets nichtstaatlicher Organisationen kontrollieren. Aktionen gegen Spekulation auf Lebensmittelmarkt

La Paz. Der mit zunehmender Schärfe geführte Konflikt zwischen rechtsgerichteten Oppositionsgruppen und der bolivianischen Regierung wirkt sich zunehmend auf das politische Klima in dem südamerikanischen Land aus. Präsident Evo Morales von der "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) gab Ende vergangener Woche bekannt, im Land arbeitende Nichtregierungsorganisationen (NGO) zur Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben zu verpflichten. Der sozialistische Staatschef reagiert so auf Hinweise, nach denen mehrere NGOs an einer Konspiration gegen die MAS-Regierung beteiligt sind.

Auslöser für die neue Regelung war eine unlängst aufgedeckte Koopera­tion zwischen der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID und dem oppositionellen bolivianischen TV-Sender Unitel mit dem Ziel, die Staatsführung zu diskreditieren. "Die Regierung strebt eine stärkere Kontrolle an, um zu erfahren, wie derartige Schmutzkampagnen bezahlt werden", erklärte Morales daraufhin.

Unitel hatte Mitte März landesweit einen Beitrag über Hilfslieferungen der US-Behörde ausgestrahlt. Sechs Tonnen Weizen der USAID für Zehntausende Überschwemmungsopfer würden von der Regierung Morales "aus politischen Gründen" zurückgehalten, hieß es in dem Spot. Zu sehen waren Archivbilder der amtierenden Ministerin für ländliche Entwicklung, Susana Rivero, sowie einige kaum verständliche Dokumente von Regierung und USAID. Doch der vermeintliche Skandal war ein kompletter Fake. Durch "Verwirrung und Manipulation soll suggeriert werden, dass wir den Import von Weizen verbieten oder behindert, und dass der Preis für Brot deswegen steigt", sagte Rivero zu dem Versuch, die öffentliche Meinung angesichts steigender Lebenskosten gegen MAS aufzubringen.

2007 hatte Boliviens Regierung lediglich einen USAID-Antrag zur Einfuhr von Weizen nicht autorisiert, der für verschiedene Partner und Programme der US-Hilfsorganisation bestimmt waren, nicht aber für die gesamte bedürftige Bevölkerung. USAID vergibt jährlich 89 Millionen US-Dollar nach Bolivien, wovon allein 27 Millionen an sieben NGOs für "politische Studien, Demokratieförderung und eine Justizreform" fließen. Erst kürzlich hatte die US-venezolanische Journalistin Eva Golinger die Zusammenarbeit von USAID mit lokalen NGOs als Teil der Destabilisierungspolitik des US-amerikanischen Außenministeriums in Venezuela, Ecuador und Bolivien entlarvt.

Zur Destabilisierung gehört auch der Preisanstieg in Bolivien für Reis, Brot, Fleisch und Speiseöl. Die Produktion dieser Nahrungsmittel befindet sich fast vollständig in Händen der schärfsten Gegner der Regierung Morales. Sie setzen Preismanipulation immer stärker als politische Waffe ein. Besonders ins Auge stach zuletzt ein 50prozentiger Anstieg der Kosten für Speiseöle. Die führende Herstellerfirma gehört ausgerechnet der Familie des Chefs des regierungsfeindlichen »Bürgerkomitees Pro Santa Cruz«, Branko Marinkovich. Ein Exportverbot soll nun der Spekulation und künstlichen Verknappung einen Riegel vorschieben. Soziale Gruppierungen - vor allem aus der Landlosenbewegung - fordern indes die Verstaatlichung der gesamten Lebensmittelindustrie. In diesem Spannungsfeld kündigte Vizepräsident Alvaro García Linera ein hartes Durchgreifen an. "Der Staat wird jetzt handeln", sagte er Politiker: "Die Herrschaften sollten überdenken, ob sie wirklich einen Wirtschaftskrieg wollen".


Den Originaltext der Tageszeitung junge Welt finden Sie hier.