Nicaragua

Nicaragua und die Finanzkrise

Weitere Bekleidungszulieferer schließen in den Zonas Francas

Managua. Nicaragua bekommt die Auswirkungen der Finanzkrise in den USA und Europa zu spüren: Diese Woche schloßen zwei weitere ausländische Textilfirmen, die in den berüchtigten "freien Produktionszonen", den Zonas Francas, angesiedelt sind. Die südkoreanische Yu Jin entlässt nach eigenen Angaben 500 Arbeiter. Der Chef der Textilgewerkschaftsverbandes Pedro Ortega hält dagegen, dass insgesamt 1000 Arbeiterinnen ihren Job verloren haben, da das Unternehmen bereits im letzten Jahr mehrere Hundert von ihnen entlassen hat.

Schon Ende März hatte die US-amerikanische Cone Denim dicht gemacht und 900 Menschen in die Arbeitslosigkeit geschickt. Das Unternehmen ist die Nummer zwei der internationalen Textilbranche. An seinem nicaraguanischen Standort wollte es angeblich 100 Millionen US-Dollar investieren und 40 Jahre lang dort tätig sein. Jetzt heißt es aus Unternehmenskreisen, die Schließung sei "unbegrenzt".

Der Direktor der Corporación de Zonas Francas (CZF), Alvaro Baltodano, erklärte der Öffentlichkeit, dass seit Oktober 2008 vier Firmen in den "freien Produktionszonen" hätten schließen müssen, weil ihnen die Absatzmärkte in den USA weggebrochen seien. 2800 Nicaraguaner haben so ihre Arbeit verloren. Innerhalb der vergangenen 15 Monate sei die Zahl der Beschäftigten von 89200 Personen auf 76000 zurückgegangen. Noch arbeiten 129 Firmen in den Zonas Francas. Sie exportierten im vergangenen Jahr Güter im Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar. Der Export ist aber in diesem Wirtschaftszweig 2008 um 22 Prozent eingebrochen.

Da die Fabriken in den Zonas Francas vollkommen von den Märkten des Nordens abhängig sind, muss sich die Regierung in Managua auf weitere Schliessungen und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit einstellen. Trotz der Hungerlöhne und der fehlenden gewerkschaftlichen Freiheit kann die sandinistische Exekutive von Präsident Daniel Ortega (FSLN) die Zonas Francas nicht so einfach dicht machen, obwohl sie die kapitalistische Ausbeutung in Reinform verkörpern: Zurzeit gibt es noch keine industrielle Alternative, in der die 90000 Betroffenen kurzfristig wieder Arbeit fänden.

Die Zonas Francas zählen zu den "Errungenschaften" des Neoliberalismus in Nicaragua (1990-2006). In diesen nach außen hin abgeschirmten und streng bewachten Industriegebieten wurden in erster Linie Textilhersteller angesiedelt, die für bekannte Marken in den USA und Europa Polohemden, T-Shirt, Jeans und Schuhe produzierten. Die Herstellung fernab der Absatzmärkte lohnte sich bisher, weil die Unternehmer so gut wie keine Steuern entrichten mussten, bevorzugt mit der in Nicaragua raren Ware Strom versorgt wurden und Löhne nach Gutdünken bezahlen durften. Im Konzert mit den neoliberalen Regierungen schafften die Unternehmer es, ihre Betriebe in den "freien Produktionszonen" so gut wie "gewerkschaftsfrei" zu halten. Arbeiter, die sich organisierten, verloren ihren Job - in einem Land, das in der Region als das zweitärmste nach Haiti gilt. Und Gewerkschafter wie Pedro Ortega konnten nur überleben, wenn sie regelmäßig die Bremsschläuche ihrer Autos überprüften sowie ihre Arbeit mit der IG Metall und anderer ausländischen Gewerkschaften internationalisierten und somit absicherten.

Erst mit der Wahl des Sandinisten Ortega zum Präsidenten von Nicaragua 2006 begann sich die Lage zu ändern. Aber sofort drohten die Unternehmen in den Zonas Francas, sie würden schließen, wenn die Regierung zu sehr für die Interessen der Arbeiterinnen einträte. Jetzt scheint es so, als ob nicht ein linker Präsident, sondern just die Finanzkrise, die der Neoliberalismus selbst hervorgebracht hat, ihr Ende bedeuten könnte.