Honduras

Protestroutine in Tegucigalpa

Honduranisches Tagebuch (IX): Die Widerstandsbewegung in Honduras stellt sich auf einen langen Kampf für die Demokratie ein. Aufruf an soziale Bewegungen im Ausland

routine-7353829-tegu_0.jpg

Protestroutine in Tegucigalpa
Unterwandert: Festnahme eines V-Manns bei Protest

Tegucigalpa. "Auf so eine Situation waren wir nie vorbereitet", sagt Juan Barahona. Ich begegne dem renommierten Gewerkschafter und Anführer der Demokratiebewegung auf der Bühne im Parque Central, dem Platz vor der Kathedrale von Tegucigalpa. Auch an diesem Samstag sind wieder tausende Menschen auf den zentralen Platz im historischen Zentrum der honduranischen Hauptstadt gekommen, um gegen das Putschregime von Machthaber Roberto Micheletti zu demonstrieren. "Wir haben uns innerhalb von wenigen Wochen organisieren müssen", so Barahona, der zur Führung der "Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich" gehört. Nun sei es wichtig, dass die sozialen Bewegungen in Europa den Druck auf ihre Regierungen erhöhen. Ausdrücklich bittet Barahona darum, dass weitere Delegationen entsendet werden.

Gut fünf Wochen nach dem Staatsstreich haben die sozialen Bewegungen eine große Kreativität entwickelt. Eine Künstlergruppe organisiert als Teil der Demokratiebewegung das Programm: Dutzende Künstler von Theatergruppen über Sänger und Poeten treten nach und nach auf die Bühne, um mit ihren Werken gegen das Putschregime zu demonstrieren. "El pueblo unido jamás será vercido" skandiert die Menge mit erhobenen Faeusten gerade, als vor der Bühne Tumult ausbricht. Aktivisten der Bewegung haben einen Polizisten entdeckt, der sich in zivil unter die Menge gemischt hat. Der Mann wird von Sicherheitsdienst der Widerstandsbewegung abgeführt. Triumphierend halten Ordner den Polizeiausweis hoch, der dem V-Mann abgenommen wurde. In den vergangenen Wochen wurden Zivilpolizisten immer wieder bezichtigt, Fotos von führenden Aktivisten zu machen, auf die später von Polizei und Armee Jagd gemacht wird.

Neben der Gewalt ist die parteiische Berichterstattung der Privatmedien ein Dauerthema in der Demokratiebewegung. Wir bekommen das selbst zu spüren: Gegen Ende einer Delegationsreise der Vizevorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Monika Knoche, erscheinen in den putschistennahen Blättern "El Heraldo" und "La Tribuna" zwei fast deckungsgleiche Artikel. Die deutsche Parlamentarierin habe sich "nur mit Zelayisten" getroffen, heißt es in den Beiträgen. "Mich hat das gewundert", sagt die Politikerin, "denn ich habe nie mit Vertretern dieser Zeitungen gesprochen". Hätten solche Gespräche stattgefunden, wären die Artikel wohl auch anders ausgefallen. Denn Knoche hatte sowohl mit dem Vorsitzenden der liberalen Fraktion im Nationalkongress als auch mit dem Vorsitzenden der evangelischen Kirche gesprochen - zwei Unterstützern des Putschregimes. Allerdings wurden beide Gespräche nach rund einer Viertel Stunde abgebrochen - zu groß waren die Meinungsunterschiede.


Harald Neuber ist unter anderem mit dem Mandat von Attac Deutschland in Honduras, um die Lage vor Ort zu beobachten.