Honduras

Zwei Wochen im Widerstand

Honduranisches Tagebuch (XV und Ende): Starke Frauen, realitätsfremde Diplomaten und viel internationale Solidarität

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Zwei Wochen im Widerstand
Im Fersehstudio: Wir sind als Mitglieder der internationalen Mission eingeladen

Tegucigalpa/Berlin. Bei einer Reise nach Honduras sind Ankunft und Abreise mit die kritischsten Momente: Der internationale Flughafen Toncontín hat mit 1862 Metern eine der kürzesten Landebahnen der Welt. Als meine Maschine der salvadorianischen Gesellschaft TACA zum Glück ohne Probleme anhebt und über den Armenvierteln der Hauptstadt Tegucigalpa steil in die Luft zieht, liegen zwei spannende Wochen hinter mir. Unter anderem habe ich als Vertreter von Attac Deutschland an einer der internationalen Missionen teilgenommen, die nach dem Staatsstreich vom 28. Juni die Lage im Land beobachtet haben.

Die Erfahrungen waren widersprüchlich. Ich habe in den vergangenen Wochen viele beeindruckende Menschen getroffen. Arbeiter, Frauenrechtsaktivistinnen und Studierende, die sich entschieden gegen das Regime der Putschisten einsetzen. Ich habe aber auch erlebt, wie sich ärmere Honduraner von der täglichen Propaganda der (von den Putschisten kontrollierten) Privatmedien beeinflussen lassen. Und ich habe erfahren, wie die Kluft sich tief durch die Gruppe internationaler Vertreter vor Ort zieht. Während diplomatische Repräsentanten anderer EU-Staaten sich klar gegen das zunehmend gewalttätige Regime von Machthaber Roberto Micheletti positioniert haben, versuchte mich ein deutscher Diplomat an einem der ersten Abende davon zu überzeugen, dass "die Mehrheit hier gegen Zelaya" sei.

Diese erschreckend realitätsfremde Aussage wurde mir an jedem einzelnen der Folgetage widerlegt.

Der Ärger holte mich nach meiner Rückreise ein. Kaum in Berlin angekommen, las ich ein Interview, das der Deutschlandfunk-Kollege Jochen Spengler mit dem Vorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung "für die Freiheit", Wolfgang Gerhardt, führte. Ob er die Schilderungen von Toten, Verletzten und Vergewaltigungen bezweifle, fragte Spengler: "Ich bezweifele sie", entgegnete der FDP-Mann.

Wenige Tage zuvor stand ich noch an dem Sarg des Lehrers Roger Abraham Vallejo, der während einer Demonstration mit einem Kopfschuss aus einer Armeewaffe getötet wurde. Zwei Tage zuvor hatte ich in den Räumen der Frauenrechtsorganisation CEM-H mit zwei Aktivistinnen gesprochen, die an der Grenze zu Nicaragua mehrfach von Soldaten vergewaltigt worden waren. Unter Weinkrämpfen schilderten sie den Missbrauch. "Wir sollten nicht noch einmal versuchen, zu Präsident Zelaya nach Nicaragua zu gelangen", zitierte eine der jungen Frauen einen der Vergewaltiger. Dennoch versicherten beide, weiterhin für Rückkehr der Demokratie zu kämpfen.

Gerhardt könnte es also besser wissen. Aber rechte Kräfte in den USA und Europa stellen sich uneingeschränkt hinter das Gewaltregime der Putschisten, weil sie in Honduras einen Stellvertreterkrieg führen: gegen den "Chavismus", also die anti-neoliberale Linke in Lateinamerika. Diese Haltung wird zunehmend so auch formuliert.

Umso wichtiger ist die Präsenz demokratischer Kräfte vor Ort. "Wir haben uns entschlossen die Delegation von Enlazando zu unterstützen, weil wir es wichtig finden, dass die Menschenrechtsverletzungen öffentlich gemacht werden", sagt Kerstin Sack von der Lateinamerika-AG von Attac. Mit ihr zusammen hatte ich die Reise vorbereitet. Sie weist darauf hin, dass die sozialen Bewegungen in Honduras weiterhin um internationale Präsenz werben, "weil diese für sie einen Schutz darstellt". Attac sehe den Putsch in Honduras auch als Angriff auf die politische und soziale Entwicklung in Lateinamerika: "Wir wollen mit unserer Präsenz den sozialen Bewegungen unsere Solidarität ausdrücken".


Harald Neuber war unter anderem mit dem Mandat von Attac Deutschland in Honduras, um die Lage vor Ort zu beobachten.