Venezuela

Caracas will Reisfabrik von US-Konzern übernehmen

Vorwurf: keine Produktion von regulierten Grundnahrungsmitteln. Transnationale Konzerne und nationale Oligarchie unter erhöhter Beobachtung

Caracas. Die derzeitige verstärkte Kontrolle der Lebensmittelproduktion in Venezuela wird eine erste Enteignung zur Folge haben. Am Mittwoch (Ortszeit) forderte Präsident Hugo Chávez, die staatliche Übernahme eines Reis verarbeitenden Betriebes des US-Konzerns Cargill im Bundesstaat Portuguesa in die Wege zu leiten. Vizeagrarminister Richard Canán habe ihn informiert, dass die Anlage nur vorgekochten Reis herstelle, der keiner Preisregulierung unterliegt. Dies habe eine Überprüfung des Betriebes ergeben. Die Regierung will private Lebensmittelproduzenten zwingen, mehrheitlich Grundnahrungsmittel, die günstigen Festpreisen unterliegen, herzustellen. Damit sollen teure Weltmarktimporte reduziert werden.

Die Verwaltung der Reisfabrik von Cargill werde nun umgehend von staatlichen Stellen übernommen und ein Dekret zur Enteignung vorbereitet, sagte Landwirtschaftsminister Elías Jaua nach der Stellungnahme des Präsidenten. Damit solle die Produktion von reguliertem Reis in dem Betrieb garantiert werden. Das Gesetz zur Versorgungssicherheit definiere die Nahrungsmittelversorgung als Gemeingut, betonte Jaua. Dadurch würden Enteignungen per Dekret möglich, die erst im Nachhinein von der Nationalversammlung ratifiziert werden müssten. Dort verfügt die Regierungspartei PSUV über eine stattliche Mehrheit.

Am Dienstag waren Regelungen in Kraft getreten, die Produktionsanteile von regulierten Grundnahrungsmitteln vorschreiben. So muss beispielsweise ein Reisproduzent zu 80 Prozent weißen Reis herstellen, ein Maismehl- oder Milchpulverhersteller 90 Prozent regulierte Waren. Werden diese Quoten bisher nicht eingehalten, muss umgehend das Handelsministerium informiert werden. Dies hatte der US-Konzern Cargill offenbar versäumt.

Präsident Chávez forderte, auch juristisch gegen Cargill vorzugehen. Internationale Agrarkonzerne sollten zudem generell verstärkt beobachtet werden. Außerdem hoffe er auf die Einhaltung der geltenden Gesetze durch den größten nationalen Produzenten Polar. Chávez wandte sich direkt an den Konzerneigner und drohte: "Mendoza, ich werde Dich enteignen", sollten Mitglieder der Geschäftsführung nicht aufhören, die rechtmäßigen Überprüfungen als "Pöbelei" zu bezeichnen. Die Mendoza-Familie ist eine der mächtigsten der venezolanischen Oligarchie und bekannt dafür, ihren Einfluss gegen die Chávez-Regierung einzusetzen. Bisher blieben sie jedoch weitgehend unbehelligt, obwohl sie unter anderem beim gescheiterten Putschversuch 2002 und bei der Wirtschaftssabotage 2003 beteiligt waren.

Am Wochenende war eine Reisfabrik des Konzerns vorübergehend von der Nationalgarde besetzt worden. Die Regierung beanstandete dort eine zu geringe Produktion von reguliertem Reis und erzwang eine Produktionsumstellung. Mehrere Betriebe im ganzen Land würden wie diese Polar-Fabrik nun für 90 Tage vom Verbraucherschutz-Institut (Indepabis) überwacht, da sie die staatlichen Vorgaben nicht erfüllten. Außer bei Cargill seinen derzeit aber keine Enteignungen beabsichtigt.

Seit einigen Tagen laufen in Venezuela umfangreiche Überprüfungen der privaten Nahrungsmittelindustrie. Profitgier von Unternehmern und politische Motive sind nach Ansicht der Regierung die Gründe für Engpässe bei Grundnahrungsmitteln.

Während regierungsnahe Unternehmer vom Verband Fedeindustria die Maßnahmen unterstützen und auf die "soziale Verantwortung" der Produzenten verweisen, kommt vom traditionellen Unternehmerverband Fedecámaras Kritik. Die Produktion von regulierten Lebensmitteln sei nicht rentabel, da die Festpreise zu niedrig seien, heißt es von Seiten der Oligarchie-Vertretung. Die Preise von Grundnahrungsmitteln werden in Venezuela seit 2003 staatlich kontrolliert.

Am Montag wurde zudem eine Aufstockung von günstigen Krediten für Agrar-Kooperativen und staatliche Lebensmittelproduzenten angekündigt um die nationale Produktion zu erhöhen. Venezuela hat durch den rasanten Anstieg des Lebensstandards seit Jahren mit temporärer Warenknappheit bei Grundnahrungsmitteln zu kämpfen.


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