Amerikas

Lateinamerikanische Militärorganisation wird Realität

In Chile wird sich heute und morgen der Verteidigungsausschuss der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) konstituieren

Santiago de Chile. Der lateinamerikanische Integrationsprozess geht in die nächste Etappe: Heute und morgen werden die 12 Mitgliedsstaaten der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) den Verteidigungsausschuss ihrer Organisation ins Leben rufen. Das zweitägige Treffen findet in Santiago de Chile statt. Es ist das erste Mal in der Geschichte Lateinamerikas, dass sich die Verantwortlichen der jeweiligen nationalen Streitkräfte an einen Tisch setzen, um eine gemeinsame Politik zu entwerfen. Die mulitlateralen Treffen soll zukünftig zur Regel werden.

Den Vorsitz im Verteidigungsausschuss wird jedes Mitgliedsland für eine gewisse Zeit innehaben. Jährlich sollen die Verteidigungsminister der zwölf UNASUR-Staaten ein Mal zusammenkommen. Ihre Vizeminister werden sich hingegen alle sechs Monate treffen. "Bisher hat man immer nur bilateral miteinander verhandelt; der Verteidigungsausschuss wird die Themen multilateral angehen", erklärte der chilenische Verteidigungsminister José Goñi vorab im Telefoninterview mit der spanische Tageszeitung El País.

Mit dem neuen Gremium wollen die UNASUR-Mitglieder ein Forum schaffen, wo sie sicherheitspolitische Belange besprechen und Probleme lösen können. Über die Gründung einer südamerikanischen Militärorganisation im Stile der NATO möchte heutzutage noch niemand laut sprechen. Zu tief sind die inneramerikanischen Widersprüche. So harrt zum Beispiel der kolumbianisch-ecuadorianische Konflikt weiterhin seiner Lösung. Quito hat es Bogotá nicht vergessen, dass im März 2008 die kolumbianische Armee mit US-Unterstützung ein Guerrilla-Camp der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) in Ecuador überfiel. Die Militäraktion brachte die beiden Staaten und Venezuela an den Rand eines Regionalkrieges. Kolumbien ist, obwohl treuster Alliierter der USA, auch Mitglied von UNASUR.

Bei den heute und morgen stattfindenden Konferenzen werden die Zwölf einen Aktionsplan ausarbeiten, um die zukünftige Zusammenarbeit zu strukturieren. Am Ende soll eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik erkennbar werden. Auf der Tagesordnung steht die verstärkte Kooperation in militärischen Angelegenheiten, bei humanitären und Friedensoperationen. Am Ende könnte sogar der Vorschlag zur Bildung eines gemeinsamen Verteidigungsinstituts Realität werden. Heikle Themen, wie die Drogenbekämpfung, haben die UNASUR-Staaten bis auf Weiteres ausgeklammert. Im Mittelpunkt der Gespräche wird die Suche nach einem Konsens in Fragen von Sicherheit und Strategie stehen.

Im geopolitischen Kontext stellt die Bildung der militärischen UNASUR-Struktur eine politische Antwort Südamerikas auf die verstärkte militärische Präsenz der USA in der Region dar. 2008 hatte Washington seine IV. Flotte entmottet, modernisiert und in lateinamerikanische Gewässer entsandt.

Alle Staaten Südamerikas nahmen im Mai 2008 an der Gründung der UNASUR teil. Ihre Ziele sind der Kampf gegen "Ungleichheit, soziale Ausgrenzung, Hunger, Armut und Unsicherheit". Bis 2025 möchten die Mitgliedsländer eine internationale Organisation im Stile der Europäischen Union schaffen.