Kolumbien

25.500 Ermordete: Keine Meldung in Kolumbien

Verbrechen der Paramilitärs sind kein Thema in kolumbianischen Medien. Mitarbeiter von Präsident Uribe direkt belastet

Bogota. Die Bilanz der Verbrechen rechtsradikaler Paramilitärs beträgt mindestens 25.500 Tote. Dies wird aus dem Abschlussbericht der Sonderstaatsanwaltschaft für Frieden und Gerechtigkeit hervorgehen, erklärten Mitglieder des Gremiums am Mittwoch gegenüber dem kolumbianischen Sender Caracol Radio. Die Zahl basiert auf Aussagen von 3.700 ehemaligen Paramilitärs und benennt damit nur die bisher gesicherten Fälle. Das tatsächliche Ausmaß der Verbrechen dürfte weit höher liegen. Auf der Grundlage dieser Angaben stellte die Staatsanwaltschaft außerdem 2251 Fälle von "Verschwundenen" und weitere 831 Entführungen ohne tödlichen Ausgang fest. Bei den meisten Opfern handelt es sich um Zivilisten, darunter etwa 5000 Frauen und Kinder, sowie 223 Gewerkschafter. Etwa eine viertel Million Personen haben sich als Opfer paramilitärischer Gewalt bei der Staatsanwaltschaft gemeldet, unter ihnen Familienangehörige der Toten sowie Vertriebene.

Bei ihren Untersuchungen beschäftigte sich die Staatsanwaltschaft allerdings nur mit Verbrechen, die durch die inoffiziellen paramilitärischen Verbände begangen wurden. Fälle, in denen das kolumbianische Militär oder der Geheimdienst Menschen ermordete, folterte und verschwinden ließ, sind in den Zahlen nicht enthalten. Die Ermittler nennen aber konkrete Zahlen zu den Auftraggebern der paramilitärischen Verbrechen: 28 Senatoren, 16 Mitglieder des Repräsentantenhauses, 18 Gouverneure, 128 Bürgermeister und 28 Stadträte arbeiteten direkt mit den paramilitärischen Verbänden zusammen. Auch hier dürfte die Dunkelziffer weit über den aktuellen Angaben liegen. Sie gehören fast ausschließlich zu den konservativen Parteien, die Kolumbiens Präsidenten Alvaro Uribe unterstützen.

Dessen engste Freunde und Mitarbeiter werden durch die Ermittlungen direkt belastet: So machte der AUC-Kommandant "Don Berna" Aussagen gegen den Vizepräsidenten Francisco Santos, gegen den ehemaligen Verteidigungsminister Juan Manuel Santos und den Bürgermeister von Medellin, Alonso Salazar. Francisco Santos habe ihn beauftragt in der Hauptstadt Bogota Todesschwadrone aufzubauen. Der spätere Verteidigungsminister, Juan Manuel Santos, habe ihn gebeten, zu helfen den damaligen liberalen Präsidenten Ernesto Samper zu stürzen. Alonso Salazar habe die AUC politisch und finanziell unterstützt, um zum Bürgermeister gewählt zu werden. Inzwischen suspendierte der AUC-Kommandant seine Zusammenarbeit mit der Sonderstaatsanwaltschaft. "Don Berna", den die kolumbianischen Behörden wegen Drogenhandels an die USA überstellten, erklärte seine Familie werde in Kolumbien bedroht und die Sonderstaatsanwaltschaft gehe seinen Aussagen nicht ernsthaft nach. Er bezeichnete die Auslieferung von Paramilitärs an die USA als eine Verdunkelungsaktion, um die Verantwortung hoher Funktionäre der Regierung Uribe zu vertuschen.

Dass die Aussagen aus den paramilitärischen Gruppen in der kolumbianischen Öffentlichkeit als störend empfunden werden, verdeutlicht auch die Reaktion der privaten Medienunternehmen des Landes auf die Angaben der Staatsanwaltschaft. Der Bericht von Caracol Radio wurde von keinem der großen Medien des Landes aufgegriffen. Alleine die spanische Ausgabe der Times of the Internet brachte einen kurzen Bericht zu den Zahlen. Stattdessen erschienen am Donnerstag ausführliche Berichte über eine Pressekonferenz von Präsident Alvaro Uribe. Auf einem Treffen mit kolumbianischen Bürgermeistern lobte Uribe sein Konzept der Verbrechensbekämpfung und betonte die Zahl der Morde sei im Vergleich zum Vorjahr um 3 Prozent zurückgegangen.