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Alternativer Klimagipfel in Bolivien beendet

Teilnehmer sehen Zukunft der Menschheit in Gefahr. Mehr Mitbestimmung in Klimafragen gefordert. Fundamentalkritik am Kapitalismus

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Alternativer Klimagipfel in Bolivien beendet
Wollen Hand in Hand mit Umweltaktivisten handeln: Morales (l.) und Chávez.

Cochabamba. Nach drei Tagen Diskussion ist am Donnerstag die erste "Weltkonferenz der Völker über den Klimawandel und die Rechte der Mutter Natur" zu Ende gegangen. Rund 5.000 Delegierte aus 174 Ländern und über 25.000 bolivianische Aktivisten waren ins zentralbolivianische Cochabamba gekommen.

Die Abschlusserklärung von Cochabamba, ausgearbeitet von 17 Arbeitsgruppen zu Klimawandel und seinen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt warnt eindringlich: Die "Zukunft der Menschheit ist in Gefahr". Für die Einhaltung der Menschenrechte und die "Harmonie mit der Natur" sei es notwendig, die "Rechte der Mutter Erde" juristisch bindend festzuschreiben. Zehn Rechte der Natur wie das Recht auf Leben, Sauberkeit von Luft und Wasser, Schutz vor Verschmutzung und genetischer Manipulierung sowie auf Wiederherstellung sollen per Gesetz garantiert werden. Über die Einhaltung soll in Zukunft ein internationales Klimagericht wachen um die Länder zu bestrafen, die der Natur massiven Schaden zufügen, so das Papier.

Ob die Weltgemeinschaft tatsächlich einen "zerstörerischen Kapitalismus" wolle, für den die "Menschen nur Konsumenten und Arbeitskräfte" sind, solle ein weltweites Referendum zeigen. In seiner Abschlussrede unter Anwesenheit von Venezuelas Präsident Hugo Chávez kündigte Gastgeber Evo Morales einen "Sozialismus in Harmonie mit der Mutter Natur" an. Damit entgegnete der Präsident Boliviens Kritikern, die das ressourcenreiche Land (Gas, Eisenerz, Lithium) vor einer rücksichtslosen Industrialisierung sehen. Gemäß dem Kampfruf "Patria o Muerte!" (Heimat oder Tod!) rief Boliviens erster indigener Präsident erneut ein "Planeta o Muerte!" in die feiernde Menge einer bunten Abschlussfeier im Stadion von Cochabamba.

Auch mehr Mitbestimmung in Sachen Klima wurde gefordert. Nach den enttäuschenden Erfahrungen der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen, wo sich die G8-Staaten mit ihrer "Kopenhagen-Erklärung" über den Rest der Staatengemeinschaft hinweggesetzt hatten, muss die Diskussion über Gründe und Folgen des Klimawandels endlich demokratischer werden. Es sei "inakzeptabel", das Feld einer kleinen Gruppe von "Regierungen und Unternehmen der so genannten entwickelten Länder in Komplizenschaft mit einem Teil der Wissenschaftsgemeinde" zu überlassen, befand die Cochabamba-Deklaration. Der Klimawandel könne nicht allein auf das "Problem des Temperaturanstiegs" reduziert werden. Angesagt ist Fundamentalkritik. "Das kapitalistische System" als Ursache von Gletscherschmelze, Dürre und steigenden Meeresspiegel gelte es zu hinterfragen. Wer bestimmt, wie es mit dem blauen Planeten weitergeht, "diese Entscheidung steht einzig und allein uns allen Völkern zu".

Bolivien vertritt Forderungen des Alternativgipfels

"Damit unsere Forderungen respektiert werden, müssen wir uns zusammentun", rief Morales die angereisten sozialen Bewegungen, Umweltaktivisten und Akademiker zur entscheidenden "Schlacht" auf der UN-Klimakonferenz im mexikanischen Cancún Ende des Jahres auf. Auf Staatenebene werde sein Land die Forderungen von Cochabamba vertreten. Hatte Kopenhagen als maximale Erderwärmung lediglich das 2-Grad-Limit ohne verpflichtende CO2-Reduktionen genannt, will das vom Klimawandel hart getroffene Andenland nur einen möglichen Temperaturanstieg um maximal 1,5 Grad zulassen, erklärte Boliviens UN-Repräsentant Pablo Solón. Die Forderungen kämen "von Unten", damit "die Oben" zuhören, so Außenminister David Choquehuanca.

"Wenn die Forderungen der Völker Ende des Jahres in Mexiko nicht erhört werden und das Kyoto-Protokoll nicht respektiert wird, dann wird diese neue Organisation, Bewegung, Allianz oder interkontinentale Komitee, das aus dieser Konferenz zum Schutze der Mutter Erde erwachsen ist, eine Klage am internationalen Gerichtshof in Den Haag einreichen, damit diese Länder ihre Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll erfüllen", kündigte Morales an. Die Erklärung von Cochabamba werde er gemeinsam mit Vertretern der sozialen Bewegungen aus aller Welt an den UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon in New York überreichen, so Morales am Freitag. Die Arbeit für den Klima- und Umweltschutz gehe nun erst richtig los. Morales: "Es geht jetzt nicht darum, sich mit Erklärungen zufrieden zu geben sondern darum, sie umzusetzen und Druck zu machen, damit die Regierungen sie in Politiken zum Schutz der Mutter Erde umwandeln".


Bildquelle: abi.bo