Mexiko

Mexiko: Aktivist weiter unschuldig in Haft

Ermittlungen nach Mord an Indymedia-Journalisten verkommen zur Justizposse. Verfolgung weiterer sozialer Aktivisten befürchtet

oaxaca-02843764-bwill.jpg

Mexiko: Aktivist weiter unschuldig in Haft
Demonstration für die Freilassung von Juan Manuel Martínez

Oaxaca-Stadt. Zunächst war die Freude groß: Am 30. Dezember ließ eine Bundesrichterin in Mexiko auch einen zweiten Einspruch der Anwälte von Juan Manuel Martínez zu. Sie erkannte damit die Unschuld des Aktivisten der "Volksversammlung des Volkes von Oaxaca" (APPO) an. Martínez sitzt bis dato gut 14 Monaten in Haft. Der absurde Vorwurf: Er soll für den Mord an dem US-amerikanischen Journalisten Brad Will verantwortlich sein, der für das unabhängige Nachrichtenportal Indymedia ausgerechnet über den sozialen Kampf der APPO berichtet hatte.

Juan Manuel, 36, dreifacher Vater und Bäcker von Beruf, spielte eine zentrale Rolle in der Oppositionsbewegung gegen die regierende "Institutionelle Revolutionäre Partei" (PRI) in der Gemeinde Santa Lucia del Camino. In diesem Vorort von Oaxaca-Stadt kam Brad Will auf dem Höhepunkt des Aufstandes im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca Ende Oktober 2006 um, als Bewaffnete eine Barrikade der Volksbewegung APPO angriffen. Als US-Bürger wurde Brad Will zum prominentesten der zwei Dutzend Todesopfer der blutigen Aufstandsbekämpfung, mit der die "Kommune von Oaxaca" nach sechs Monaten zerschlagen wurde.

Die Angreifer wurden von Brad Will selber gefilmt, sie gehören zu den lokalen PRI-Strukturen. Zwei von ihnen wurden kurz nach dem Mord verhaftet, aber nach einigen Tagen "aus Mangel an Beweisen" wieder freigelassen. Nachdem die USA die über eine Milliarde US-Dollar im Rahmen des "Plans Mérida" zur militärischen Bekämpfung des Drogenhandels an eine glaubwürdige Untersuchung des Mordes knüpfte, fand man zwei Jahre später doch noch einen vermeintlich Schuldigen: Juan Manuel Martínez.

Der hartnäckigen juristischen Verteidigung durch das Solidaritätskomitee "25 de Noviembre" und der Mobilisierungen der Bewegung zugunsten von Juan Manuel ist es zu verdanken, dass der Aktivist wohl bald freikommt - den Drohungen und Übergriffen gegen Martínez, seine Familie und seine Verteidigung zum Trotz.

Nun wurde Juan Manuel Martínez in diesem diplomatisch hoch sensiblen Fall auf ganzer Linie freigesprochen. Doch er ist immer noch eine "Geisel des Staates", so seine Verteidigung. Denn der Bundespolizei PGR steht es über zehn Arbeitstage hinweg frei, seine Freilassung zu verzögern - obgleich ihr nach der vollständigen Freisprechung jegliche Argumente fehlen. Damit Juan Manuel Martínez möglichst bald freikommt, hat die Lehrergewerkschaft Mobilisierungen angekündigt. Das "Comité 25 de Noviembre" hat einen Unterstützungsbrief verfasst.

Lokale Aktivisten befürchten nun, dass weitere Vertreter sozialer Bewegungen für den Mord an Brad Will angeklagt werden könnten. Der Mord an Brad Will würde dann wohl endgültig ad acta gelegt: Nach drei erfolglosen Untersuchungen ist nach der mexikanischen Gesetzgebung die Einstellung der Ermittlungen möglich. Und all dies, obgleich die Täter vom Opfer selber auf Film gebannt wurden.


Bild: Philipp Gerber